Thread by @pavel23

7-Tage-Inzidenz (rot) bei 498/100.000, also aktuell mindestens 0,5% der Bevölkerung infiziert, mit Dunkelziffer bis zu 2%. R-Wert (grün) auf 1,11 und geht seit zwei Wochen langsam zurück, was aber auch an fehlender Testkapazität liegen könnte. 1821 Tote in 7 Tagen (blau), ...

...was hochgerechnet rund 100.000 Toten pro Jahr entspricht. Die Inzidenzen nach Altergruppen bei Alten und Kleinkindern über 250, bei mittleren Jahrgängen über 500, und bei 5-14 Jährigen über 1000.

Ob der kleine Inzidenz-Knick heute und der sinkende R-Wert jetzt schon Vorboten eines möglichen Gipfels sind oder Artefakte der Sättigung der Testkapazität, ist noch unklar.

Ich glaube auch, dass sich die Inzidenzen noch verdoppeln können, bevor wir einen deutschlandweiten Katastrophenzustand haben werden, was bei derzeitigem R-Wert rund 4 Wochen dauern würde.

Wie sich Omicron bei uns auswirken wird, ist unklar. Es gibt Vermutungen, dass Omicron weniger krank macht, aber es könnte bei uns auch anders sein mit einer viel älteren Bevölkerung als die bisher betroffenen Länder.

Auch unklar ist, wie sich Omicron bei unserem Wetter und in unserer Kultur schlagen wird, also, ob es Delta wirklich bei uns verdrängen wird. Dafür spricht, dass die aktuellen Impfstoffe vor Omicron wohl noch weniger Schutz bieten, ...

...und auch bereits von den "alten" Varianten Genesene sich eher neu infizieren dürften; dafür spricht auch, dass Omicron sehr viele Unterschiede am Spike-Protein aufweist und viele andere Mutationen hat, die wir bisher nicht einschätzen können.

Unklar auch, ob eine Dreifachimpfung mit den bisherigen Impfstoffen überhaupt ausreichenden Schutz bietet oder wir für Omicron neue Impfstoffe brauchen. Wäre ich Regierung, würde ich mich darauf vorbereiten, denn auch, wenn es noch unklar ist,...

... halte ich die Eintrittswahrscheinlichkeit für so hoch, dass wir unverzüglich den Rollout eines neuen Impstoffs in Angriff nehmen, sobald sich zeigt, dass Omicron sich auch bei uns in der Bevölkerung stärker ausbreitet als Delta.

Es dürfte aber dennoch mehrere Monate dauern, bis Omicron den Hauptteil der Infektionen ausmacht, so dass wir etwas Zeit haben, aber nicht viel. Verpeilen wir das, schlagen wir uns wieder bis Juni mit hohen Inzidenzen und entsprechenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens..

...herum, ob angeordnet oder "freiwillig", weil man einfach nicht entspannt ausgehen kann, wenn überall Virus ist, gegen das auch Booster nur unzureichend schützen.

Was sich jetzt mit Omicron abzeichnet ist keine Überraschung, sondern wurde nicht nur von mir seit langem erwartet und befürchtet, nämlich eine Variante, die die Impfung umgeht und auch Genesene erwischt.

Natürlich ist es nicht ganz Schwarz, Impfung und durchgemachte Infektion dürften zumindest teilweise schützen, aber wir haben ja nicht einmal vor Delta genug Immunität, und Omicron wird die Situation nicht verbessern.

Ja, es gibt Hoffnung, dass Omicron vielleicht hilft, dass das Virus endemisch wird, aber ob Mutationen mehr oder weniger krank machen, ist Zufall, und ob es Selektionsdruck hin zu weniger krankmachenden Varianten gibt, ist unklar.

Und so rollen wir wieder schlecht vorbereitet in die nächste Phase, weil weite Teile von Gesellschaft und Politik in Wunschdenken verharren und nur für den "best case" planen, und nicht einmal für den wahrscheinlichsten Fall, und geschweige denn für den Worst-Case.

Der Worst-Case wäre, wenn Omicron oder eine neue Variante ansteckender wäre und auch Jüngere mehr krank macht und sich mehr Tricks aneignet, um sich vor dem Immunsystem zu verstecken oder zu tarnen.

Dadurch, dass wir dem Virus so viel Rechenleistung zur Verfügung stellen in den Zellen von Millionen Wirten, ermöglichen wir dem Virus auch, überragend erfolgreiche Varianten zu entwickeln.

Hier war ich auch immer weniger optimistisch als @c_drosten, der bereits beim Urtyp meinte, dass kaum noch "Verbesserungspotential" besteht, und das mit "Alpha" und später mit "Beta" der Suchraum erschöpft ist und keine "besseren" Varianten gefunden und konstruiert werden können.

Ich bin kein Virologe, aber ich habe eine ganz gute quantitative Vorstellung davon, welchen Variantenraum das Virus explorieren kann. Zwischen 1 und 100 Mrd. Kopien werden im Körper bei einer Infektion hergestellt, in 3-6 Mio. Menschen gleichzeitig...

...und in über 250 Mio. Menschen seit Beginn der Pandemie, so dass bisher rund 250 Billiarden bis 25 Trillionen Viruskopien hergestellt wurden, in zig Millionen Varianten.

So lange wir dem Virus nicht seine Rechenleistung wegnehmen, wird es, so glaube ich, uns weiter mit neuen Varianten "überraschen", und wie man an den globalen Kurven sieht, hat nichts, was wir bisher getan haben geschafft, dem Virus wirklich seine globale Rechenpower zu nehmen.

Über 98% aller Säugetiere auf dem Planeten sind Menschen und seine Haus- und Nutztiere, und dank des Flugverkehrs steht die gesamte Weltbevölkerung als Wirte zur Verfügung. Ich glaube nicht, dass jemals zuvor ein Virus so gute Ausbreitungsbedingungen vorgefunden hat.

Mein Punkt ist, dass es möglich ist, dass diese Pandemie sich vielleicht substantiell von früheren Pandemien unterscheidet und nicht so bald endemisch werden wird, sondern wir einen langen, harten Kampf zu seiner Ausrottung werden führen müssen, mit immer neuen Impfstoffen und...

...Eindämmungsmaßnahmen, über Jahrzehnte, weil uns das Virus mit der Rechenleistung mit immer neuen Varianten überraschen wird. Das wäre nicht, wie wir es kennen und erwarten von Pandemien, aber wir hatten so eine globale Situation auch noch nicht.

Andererseits wären wir technologisch und organisatorisch als Menschheit sehr wohl in der Lage, das Virus auszurotten, wenn wir es wollten, indem wir zur Not auch Wildtiere impfen, etwa mit übertragbaren Impfstoffen. nature.com/articles/s4155…

Ich will keine Panik verbreiten, aber mir wird mittlerweile etwas unheimlich, wie oft sich meine Befürchtungen im Hinblick auf Varianten bewahrheitet haben, und ich beginne so langsam daran zu zweifeln, dass Covid in absehbarer Zeit von allein...

...weggeht oder eine hinreichend harmlose Form annimmt, mit der wir gut leben können. Ja, ich hoffe darauf, aber das Prinzip Hoffnung hat uns jetzt in zwei Jahren nicht allzuweit gebracht, und das zweite Weihnachten ist bereits im Eimer.

Wieder werden Operationen abgesagt, und das nicht, weil sich die Leute mit Covid einbilden, sterbenskrank zu sein und sich aus Spaß, auf Intensivstationen beatmen lassen, liebe Covid-Skeptiker.

Was ich gerne hören würde ist ein globaler Plan, wie es den weitergehen soll, und die WHO schäumt gerade vor Wut, weil in den reichen Ländern geboostert wird, während die halbe Weltbevölkerung ungeimpft ist.

Der Booster wird uns eine Verschnaufpause geben, und vielleicht halten Dreifachimpfungen auch länger, aber angesichts Omicron könnte es sein, dass uns das Boostern nur ein paar Monate Ruhe verschafft, bevor alles wieder von vorne losgeht,...

...weil wir es mit einem Pandemiegenerator zu tun haben, der ständig neue Pandemien hervorbringt. Omicron könnte sich auch als Covid-21 erweisen, als eine neue Pandemie, je nachdem, wie schlecht die Kreuzimmuntät mit alten Varianten ist.

Nachdem wir bei den bisherigen Wellen laufend mehr oder weniger versagt haben, mehren sich bei mir einfach die Zweifel, dass die Welt überhaupt eine Strategie hat, das Problem zu lösen, und ich befürchte, dass wir noch jede Menge "Überraschungen" erleben werden.