Unterscheiden sich die Konflikte um Gendern, Gender Pronomen, rassistische ”Microaggressions” oder die Frage, ob Transpersonen mit biologischen Frauen und Männern gleichzusetzen sind, von den Konflikten der frühen Arbeiter-, Frauen-, Bürgerrechts- und Homosexuellen-Bewegungen?
1) Bei vielen entsteht die Wahrnehmung, dass nicht nur illegitime Schlechterstellungen aufgehoben werden, sondern zugleich die Freiheiten anderer eingeschränkt werden sollen (bezüglich der Art, wie wir sprechen; von Frauen in Frauenhäusern, -gefängnissen, -wettkämpfen usw.).
2) Während linke/ liberale Intellektuelle und Bürger sich damals einig waren, dass die Lage der Arbeiter, Frauen, Nichtweißen und Homosexuellen jeder Berechtigung entbehrt und auf eine bekannte Art zu lösen ist, sind Problem und Lösung jetzt uneindeutig und kontrovers.
3) Die fehlende eindeutige intellektuelle Legitimation der Anliegen - und ihre häufige Veränderung und Ausweitung - trägt wiederum zum Eindruck bei, kleine Minderheiten und Subkulturen wollten der Mehrheit unberechtigter Weise ihre ideologischen Ideen und Forderungen aufzwingen.
Darum sollten die Aktivisten vielleicht erwägen, ihre Vorstellungen nicht als Imperative zu äußern, ihre Debatten-Gegner nicht als vorurteilsbeladene Menschenfeinde (TERFs usw.) anzugreifen, statt dessen ein Gesprächklima zu schaffen, das die Bearbeitung von Komplexität erlaubt.
Mir scheint, dass Teile der Linken das alte Gut-Böse-Schema (das bei Sklaverei und Segregation, Vorenthaltung des Frauenwahlrechts und Kriminalisierung von Homosexualität der Sache entsprach) auf Anliegen anwenden, die mit diesem Schema weniger und weniger zu erfassen sind.
Teil des Gut-Böse-Schemas ist, Kritik an der Ideologie mit einer Diskriminierung der Gruppe, die die Ideologie angeblich verteidigt, gleichzusetzen: Wer woken Antirassismus kritisiert, muss Rassist sein; wer die Ideologie von Transaktivisten kritisiert, muss transphob sein usw.
Ein besseres Schema? Das Dilemma. Zwischen Repräsentation von Frauen und Verhunzung/Komplizierung der Sprache, zwischen Bedürfnissen von Transpersonen und Bedürfnissen von Frauen, zwischen der Vermeidung subtiler Diskriminierung und der totalen Verregelung unseres Verhaltens usw.
Dilemmata lassen sich durch Bewegungskampagnen, die mit Empörung arbeiten, nicht aus der Welt schaffen. Je autoritärer man auf A beharrt, umso heftiger der Widerstand von B. Rationalität hat nur dann eine Chance, wenn alle Argumente in offener Debatte geprüft werden können.
Hypothese: Soziale Bewegungen beginnen oft rational - Anprangern 1) einer Kluft zwischen Werten und Handeln oder 2) einer fehlerhaften (z.B. sexistischen, rassistischen) Ideologie oder 3) einer unerkannten desaströsen Entwicklung - und entwickeln sich dann ins Irrationale hinein.
Die Rationalität von Bewegungen wäre immer eine bewegungs-externe, herrührend von Menschen, die unabhängig denken, keine Aktivisten sind, sondern Schriftsteller, Philosophen, Wissenschaftler: so bei der Arbeiterbewegung, der Frauenbewegung, der Umweltbewegung, der Klimabewegung.
Der Hypothese gemäß sähe man im Verlauf einer Bewegung immer eine Entwicklung zu weniger Rationalität. Motto: „Bewegungen denken nicht.“ Sie sind an Selbsterhaltung, an Erfolg interessiert (um mit Nietzsche oder Foucault zu sprechen, an Macht), werden darum zunehmend ideologisch.
Fast alle großen Debatten unserer Zeit - über Corona, Impfstoffe, Klima, Gender, angeblich manipulierte Wahlen und Weltverschwörungen - kreisen um Wissen und Logik. Zum Jahreswechsel ein paar einfach-naive Gedanken dazu, wie die Religion unsere Haltung zu Wissen und Logik prägt.
Religiöse Texte können wir zur
Denkübung nutzen, aber auch um uns (schon als Kind) das Denken abzugewöhnen und zu verbieten, die Hinnahme unbewiesener und unsinniger Behauptungen zu normalisieren. - Als ein willkürliches (nachweihnachtliches) Beispiel nehme ich Jesus als Erlöser.
Einige einfache Fragen:
1) Ist es moralisch zu rechtfertigen (und damit im Rahmen der Religion logisch), dass Gott ca. 2 Mio Jahre - oder nach biblischer Zeitrechnung ein paar Tausend Jahre - wartet, bis er den Menschen den Erlöser schickt?
Alle Debatten unserer Zeit – ob es um Corona und Impfen geht, um die Klimakrise und die Biodiversitätskrise, um Einwanderung, um politische Korrektheit, um Trans und Terfs – sind davon geprägt (ja kommen erst dadurch zustande), dass wir das für uns schwierige Wissen ignorieren.
Für jeden Menschen gibt es Wissen, das man “das schwierige Wissen” nennen kann. Es ist Wissen, das man nicht zur Kenntnis nehmen will, das nicht anziehend, sondern abstoßend ist, nicht bestätigend, sondern verunsichernd. Es bedroht meine Integration in bestehende Gemeinschaften.
Für jedes Individuum, jede Gruppe und jedes Milieu, für jede Bewegung, jede Organisation und jede Partei, für jede Institution, jedes Unternehmen, jede Branche und jede Nation gibt es das schwierige Wissen. Ein Wissen, das Angst auslöst, das existenzbedrohend zu sein scheint.
#GrünerVerrat? Was tun angesichts der Aufgabe der Sektorenziele, der Nichtbesetzung des Verkehrsressorts, der fehlenden Erhöhung des CO₂-Preises? Wie oft, wenn Bewegungen auf Parteien setzen, entsteht eine Verratsdebatte, siehe z.B. die Artikel @bertpsch und @carla_reemtsma.
Ich glaube, dass die Enttäuschung berechtigt ist, wir aber dennoch nicht von Verrat sprechen sollten. Das Wort Verrat macht aus schlechtem Handeln böswilliges Handeln, erzeugt Parteien- UND Bewegungsverdrossenheit, das Gefühl, das Engagement (vor der Wahl) sei umsonst gewesen.
Das wäre falsch, ja fatal. Ich höre sowieso schon aus Klimagruppen, dass Menschen bezweifeln, ob es jetzt noch sinnvoll sei, die Proteste aufrechtzuerhalten. Anstelle die Hoffnung auf eine Partei zu setzen und dann deren Verrat zu beklagen, schlage ich ... zeit.de/2021/51/anton-…
Solange die Mehrheit der Palästinenser Parteien wählt, die eine erklärte Vernichtungsabsicht haben, kann man nicht "an der Seite" der Palästinenser stehen.
Solange die Mehrheit der Israelis Parteien wählt, deren Idee es ist, dass man mit jahrtausendealten, mythischen Texten in der Hand in ein Land einwandern, das Land für sich beanspruchen und dort einen religiösen Staat errichten kann, kann man nicht "an der Seite" Israels stehen.
1. In Schweden dürfen jugendliche Schüler in den Pausen ihre Handys behalten. Schüler mit Tendenz zu sozialem Rückzug oder sonstwie großem 'Bildschirm-Bedürfnis' sitzen folglich allein. Kein Umgang, keine Bewegung.
2. Mail der Lehrerin: "Euer Sohn guckt im Unterricht dauernd Youtube auf dem Schul-Tablet, statt seine Aufgaben zu machen." - Frage: "Kann man Youtube nicht inaktivieren? Manche Kinder schaffen es nicht, selbst den Bildschirm-Versuchungen fernzubleiben." - Antwort: "Geht nicht."
3.
Kein Pornofilter auf den Schul-Tablets (die die Schüler nachhausenehmen müssen). Frage: "Könnt Ihr nicht Filter installieren, damit Kinder nicht auf Schul-Geräten sehen, was wir geblockt haben?" Antwort: "Das Schul-Wifi hat einen Filter. Was zuhause passiert, ist Eure Sache."