Auch wenn es so aussieht: Das, was die BILD macht, ist nicht einfach nur gaga. Es ist auch nicht direkt politisch, es ist gewinnorientiert. Um die BILD-Zeitung zu verstehen, muss man sich zunächst das Folgende klarmachen:
Die BILD schreibt nicht für alle. Sie hat nichts dagegen, wenn alle sie lesen, aber was sie schreibt, schreibt sie für einen "idealen" Konsumenten. Diese Konsument ist männlich, heterosexuell, hellhäutig, unterdurchschnittlich gebildet und überdurchschnittlich konservativ.
Dieser Konsument fährt gerne und schnell Auto und verachtet alle, die Fahrräder oder gar den ÖPNV benutzen. Er nennt das Freiheit und Individualität. Er grillt leidenschaftlich gerne, aber natürlich nur Fleisch. Viel Fleisch. Er betont dabei, dass er "ja kein Kaninchen" sei.
Dieser Konsument hat nichts gegen Ausländer, einige davon sind sogar ganz nett. Grundsätzlich sollten aber alle da bleiben, wo sie herkommen oder herzukommen scheinen. Hier dürfen es nicht zu viele werden, und arbeiten sollen sie. In Jobs, für die er selbst sich zu fein wäre.
In Ansätzen ist dieser Konsument sogar lernfähig, und seine Zeitung lernt mit: Aber nur unter dem Druck der Gesellschaft. Wenn es gar nicht mehr anders geht, setzt er sich sogar für Minderheitenrechte ein, aber bitte alles im Rahmen!
So hat dieser Konsument mühevoll gelernt, dass Homosexualität keine Krankheit ist; bei Frauen findet er das sogar ganz okay, wenn er zugucken darf, bei Männern ist das aber iih. Überhaupt ist dieser Konsument ein Voyeur: Er schaut gerne, denkt aber ungerne über das Gesehene nach.
Intelligenz ist ihm an sich suspekt. Was er nicht versteht, will er auch nicht verstehen. Soll sich die Sache doch selbst verständlich machen; dieser Konsument sieht gar nicht ein, warum er sich deshalb anstrengen soll. Er arbeitet schon hart genug.
Wer denkt, ist nur zu faul zum Arbeiten. Noch schlimmer als Wissenschaft aber ist Kultur. Kultur wurde erfunden, um Menschen wie ihn zu demütigen. Alles, was gesagt werden muss, lässt sich auch in einem Hauptsatz sagen. Dieser Konsument verallgemeinert gerne.
Ach ja, und Umwelt. Dieser Konsument hat einen Hund, der ist für ihn die Umwelt. Was Kröten, Stechmücken und wilde Tiere in fernen Ländern mit seinem Leben zu tun haben, versteht dieser Konsument nicht. Wenn es warm wird, ist doch gut, wo soll das Problem sein?
Klar ist das blöd, wenn in Australien den Koalas die Pfoten verbrennen, die sind ja echt niedlich; aber dann ist das eigene Sofa doch wieder bequemer und der Mülleimer ist auch schon wieder voll. Wieso soll CO2 in der Luft schlecht sein, wenn die Bäume hier unten davon leben?
Und nicht, dass jetzt einer anfängt zu labern, um ihm das alles doch noch zu erklären! Die Laberheinis wollen doch alle nur sein sauer erarbeitetes Geld! So einer wollte ihm mal erzählen, er müsse zum Psychologen gehen. Er! Zum Seelenklempner! "No way", würde seine Tochter sagen.
Wenn er sich aufgeregt hat, setzt er sich in sein Auto und fährt ein paar Runden um den Block. Einfach so, das beruhigt ihn. Seine Frau ist jetzt Veganerin. Die spinnt doch! Und die Tochter will irgendein Trallala studieren. Das kommt gar nicht in Frage!
Wenn der Konsument sich mit einem auszukennen meint, dann ist es Wirtschaft. Das ist das mit Angebot und Nachfrage, ganz einfach. Nur diese Linken verstehen das nicht. Typisch! Die Steuern müssen runter, damit der Motor wieder brummt!
Der Endgegner des Konsumenten ist der Staat. Der Staat ist so ein diffuses Monstrum jenseits seines Vorstellungsvermögens, das sein Geld frisst, wenn die anderen falsch wählen. Staat ist in etwa dasselbe wie Planwirtschaft, also Kommunismus. Der Konsument ist für die Freiheit.
So, jetzt soll aber auch mal gut sein für heute. Ich denke, das Prinzip ist klar geworden: Auf den dargestellten Konsumenten zielt das Angebot der BILD-Zeitung. Und es trifft. Da müssen wir uns also gar nicht wundern.
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Wo er nun ja doch CDU-Vorsitzender geworden ist und die CDU ja immer noch gewisse Bedeutung hat, habe ich mir noch mal die Positionen von Friedrich Merz angeguckt. Begleiten Sie mich also auf einer kurzen Fahrt auf der Geisterbahn irrlichternder Überzeugungen von vorgestern. 1/
Im Jahr 2008 hielt Friedrich Merz die Hartz-IV-Sätze für zu hoch, EUR 132,00 (statt EUR 351,00) wären seiner Meinung nach ausreichend. Den anderen Parteien warf er vor, den Eindruck vermitteln zu wollen, "Sozialismus sei eigentlich eine gute Sache". 2/ maz-online.de/Nachrichten/Po…
Im Jahr 2000 brachte Friedrich Merz mit als erster Politiker die Forderung nach einer "deutschen Leitkultur" in die Politik ein, sprach sich gegen Zuwanderung aus und bezog sich dabei auf Theo Sommer von der "Zeit", der diese Referenz prompt zurückwies. 3/ de.wikipedia.org/wiki/Leitkultu…
Man könnte es sich einfach machen und darüber lästern, dass Tino Chrupalla von § 2 GG redet (1:17) oder "verursachen" sagt, wo er "verantworten" meint (1:34). Wirklich schlimm hingegen sind die Aussagen, die zwischen seinen gestammelten Zeilen liegen. zdf.de/nachrichten/zd…
So sieht er z. B. darin, dass bei einer Impfquote von 70% immer noch Menschen erkranken, einen Beleg für die Wirkungslosigkeit der Impfung und wirft Olaf Scholz vor, seinetwegen fänden in Betrieben jetzt "getrennte Weihnachtsfeiern" statt.
Mit "getrennten Weihnachtsfeiern" meint er möglicherweise, dass einige Leute Weihnachtsfeiern
entgegen der gesetzlichen Vorgaben abhalten und andere sich daher weigern, daran teilzunehmen.
In der gestrigen Ausgabe von #hartaberfair zeigte sich am Beispiel der Philosophin SF, dass selbst ansonsten intelligente Menschen nicht in der Lage zu sein scheinen, „Freiheit“ in einer Gesellschaft zu denken. Freiheit ist für sie der kindische Wille des Einzelnen. 1/
In diesem Sinne frei war Robinson Crusoe auf seiner Insel. Der konnte da tun, wie es ihm beliebte. Der brauchte auf niemanden Rücksicht zu nehmen und konnte aufbleiben, solange er wollte. Komischerweise fühlte er sich gerade auf der Insel wie ein Gefangener. 2/
Normalerweise leben Menschen aber in Gemeinschaften, „der Gesellschaft“. Obwohl einige Neoliberale selbst das leugnen („There is no such thing as Society“, Margaret Thatcher). In einer Gesellschaft lässt sich Freiheit aber nur auf zwei Arten denken: 3/
Anlässlich des bezeichnenden Falles von Armin Laschet hier einige Gedanken zum Stand der Demokratie in Deutschland: Denn das Politikverständnis des Armin Laschet hat mit Demokratie im eigentlichen Sinne nicht viel gemein. Das erklärt auch sein aktuelles Verhalten recht gut. 1/
Demokratie ist gedacht als Wettkampf der unterschiedlichen Ideen, wie man die Gesellschaft gestalten sollte. Verschiedene Bewerber präsentieren ihre jeweiligen Ideen, von denen sie meinen, sie könnten der Gesellschaft nutzen, und die Gesellschaft entscheidet dann. 2/
Das ist nicht die Vorstellung des Armin Laschet. Die einzige Idee, die Armin Laschet präsentiert, ist er selbst. Er wirkt dabei eher wie ein Feudalherr, der an seinem Fürstenhof herrscht und seine Untertanen gut behandelt, solange niemand (m/w/d) ihn in Frage stellt. 3/
CN: Rant.
Die sog. Konservativen gehen mir nur noch auf den Geist. Ich bin Anwalt, ich bin von Natur aus konservativ: Ich bin für die Einhaltung der Gesetze, für die Erhaltung der Natur, für Recht und Ordnung. Die, die sich heute „konservativ“ nennen, sind das Gegenteil. 1/11
Diese „Konservativen“ rufen nach immer höheren Strafen, aber nur, wenn es mutmaßlich um andere geht. Wenn sie selbst auch nur einen Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens bekommen, schreien sie nach dem Europäischen Gerichtshof. 2/11
Diese „Konservativen“ wettern ständig gegen zu viel Staat, sind aber die ersten, die den Staat in Anspruch nehmen wollen, wenn ihr Laden nicht mehr läuft. In Wahrheit schieben sie sich dabei das Geld nur gegenseitig zu. Gesellschaftliche Solidarität halten sie für Schwäche. 3/11
Aus gegebenem Anlass einige Worte zum "gesunden Menschenverstand": Dieser Begriff suggeriert, dass es sozusagen axiomatische Auffassungen gibt, die als letzter Grund keiner weiteren Begründung bedürfen, sondern von jedem eingesehen werden müssen. 1/8
Diese Idee ist uralt und zieht sich seit der Antike durch die Denkgeschichte. Sie wird von eigentlich allen totalitären Herrschaftsformen bemüht - aber nicht nur von diesen - um Vorrechte zu begründen, die sich aus dem Gesetz oder der Denklogik heraus nicht begründen lassen. 2/8
Der Begriff "gesunder Menschenverstand" wurde in Deutschland insbesondere von Immanuel Kant geprägt, der damit aber etwas völlig anderes gemeint hat. Kant meinte, dass es Anschauungen gebe, zu denen jeder Mensch gelangen müsse, wenn er nur seine Vernunft benutze. 3/8