/1 Stephan #Harbarth hat einen interessanten Aufsatz in der @JuristenZeitung veröffentlicht (JZ 2022, S. 157 - 162, mohrsiebeck.com/artikel/empiri…), unter dem Titel "Empirieprägung von Verfassungsrecht" geht es um Verarbeitung von Wissen vom BVerfG und der Politik.
/2 Als Beispiel dient der Klimaschutzbeschluss (BVerfGE 157, S. 30 - 177, bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Ent…), die Entscheidungen zur Bundesnotbremse, konnten wohl nicht so gut als Beispiel dienen. So führt er u.a. aus (JZ 2022, S. 158):
/3 "[...] Grundrechte schützen vor realen Gefahren für Freiheit und Gleichheit. Die [...] Einordung solcher Gefahren im Tatsächlichen [...] erfordert außerrechtliches Wissen, etwa über natur- oder
sozialwissenschaftliche Gegebenheiten und Wirkungszusammenhänge."
/4 Da tauschen interessante Vokabeln auf wie z.B. Wirkunzungszusamenhänge, etwas was er und seine Senatskollegen bei den Coronaentscheidungen vergeblich gesucht hatten, bzw. gar nicht erst versucht hatten zu finden.
/5 Dort begnügte man sich schon mit primitiven Kausalitäten, wie Oliver Lepsius schon zur Eilentscheidung zu nächtlichen Ausgangssperren ausführte:
/6 Er führt ferner aus, dass eine verfassungsgerichtliche Prüfung eines Gesetzes
ausschließlich an anerkennungsfähigen Sachgesichtspunkten ausgerichtet werden darf (JZ 2022, S. 158).
/7 Starke Worte, wenn man bedenkt, was alles bei der Entscheidung zur Bundesnotbremse, als anerkennungsfähige Sachgesichtspunkte bewertet wurden. So z.B. mathematische Modellierungen von Verkehrsforschern mit - nach eigener Angabe - keiner Expertise im Bereich der Epidemiologie.
/8 Mit Verweis auf die Klimaschutzentscheidung führt er aus der Gesetzgeber seine Entscheidungen im Einklang mit den verfassungsrechtlichen
Anforderungen, insbesondere den
Grundrechten, zu treffen, und sie insoweit – etwa im Blick auf Verhältnismäßigkeitsanforderungen –...
/9 ...auf hinreichend fundierte Kenntnisse von Tatsachen und Wirkzusammenhängen stützen muss (Klimaschutzbeschluss, Rn. 240). Diese Verpflichtung sucht man bei den Entscheidungen zur Bundesnotbremse vergeblich. Das ganze wird umso absurder wenn Harbarth dazu ausführt:
/10 "Der „unwissende“, sich nicht um Sachaufklärung bemühende Gesetzgeber läuft hiernach Gefahr, grundgesetzliche Anforderungen, insbesondere die des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zu verfehlen, wenn er unbelegte oder gar unbelegbare
Wirkungszusammenhänge annimmt." (S. 160).
/11 Das klingt in so einem Aufsatz toll, aber zeigt sich vor allem an Hand der Entscheidungen zur Bundesnotbremse, als wirkungslos. Es zeigt sich, dass der Gesetzgeber nichts Wissen muss, um so selbst seinen Spielraum nicht einengen zu müssen.
/12 Auch "Handeln bei Unwissenheit" spielte nicht nur beim Abendessen mit der Kanzlerin eine Rolle sondern nun auch in seinem Aufsatz. Er führt in diesem Zusammenhang aus: "Auch das Bundesverfassungsgericht unterliegt einem Justizgewährungsanspruch...
/13 ...und kann sich einer Entscheidung nicht unter
Hinweis auf derzeit bestehende oder gar als strukturell unüberwindlich geltende empirische Unsicherheiten entziehen, will es verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz nicht verweigern." (S. 161)
/14 Genau das tut das BVerfG aber bei Corona, prüft garnichts und erlaubt dem Gesetzgeber alles. Er nimmt auch Stellung zum Beurteilungsspielraum unter Unsicherheiten: "Wie eng oder weit dieser und – reziprok – wie streng oder zurückgenommen die verfassungsgerichtliche...
/15 ...Kontrolle ist, bemisst sich nicht allein nach dem Ausmaß möglicher Gefahren für (Grundrechts-)Güter, sondern auch nach der Qualität des empirischen (Nicht-)Wissens."
/16 Genau an dieser Stelle lässt das BVerfG bei Corona mangelhaftes Wissen für den Beleg der Wirksamkeit von Maßnahmen wie nächtlichen Ausgangssperren gelten und missachtet vollständig empirische Belege, die die Wirksamkeit zweifelhaft erscheinen lassen.
/17 Harbarth verweist auch darauf, dass der Gesetzgeber auch Kollateralschäden in seine Abwägungen einbeziehen muss (Klimaschutzbeschluss, Rn. 229). Es sei den es geht um Corona, da muss er anscheinend gar nichts tun.
/18 Es ist schon interessant wie sehr das was er da vorträgt und bei der Entscheidung zu dem Klimaschutz noch eine Rolle spielte, bei den Entscheidungen zu Corona und Bundesnotbremse anscheinend in Vergessenheit geriet. Wobei ich hoffe er schreibt sowas auch zur Bundesnotbremse.
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
/1 Eine Entscheidung des @BVerfG in Zusammenhang mit den Corona Maßnahmen, die immer mehr negative Beachtung bekommt, ist das Ablehnungsgesuch von @nhaerting gegen Präsident #Harbarth und Richterin Baer im Verfahren zur Bundesnotbremse (B. v. 12.10.2022 - 1 BvR 781/21 -).
/2 Es ging dabei um das Thema "Entscheidungen unter Unsicherheit", welches auf den Wunsch von Harbarth auf die Tagesliste bei einem Abendessen zwischen dem Gericht und der Bundesregierung gesetzt wurde.
/3 Die damalige Justiz- und heutige Verteidigungsministerin Lambrecht hielt dazu einen Vortrag (welt.de/bin/Rede_Lambr…). Ebenfalls einen Vortrag unbekannten Inhalts hielt Richterin Baer. Im Vorfeld gab es Bedenken der Bundesregierung gegen die Wahl dieses Themas:
/2 sich sehr stark auf Sachverständigengutachten gestützt, bei der Begründung ihrer Entscheidung. Ohne diese Gutachten sind diese Entscheidungen deshalb sehr schwer bis gar nicht zu verstehen teilweise zu verstehen.
/3 Auf diese Problematik gehen hier @nhaerting und Oliver Lepsius ein (ab Minute 9:18). Da wird dann von Lepsius vorgeschlagen, die Stellungnahmen extra durch das Gericht zu veröffentlichen.
/1 Der VG Osnabrück hat jetzt die vollständigen Entscheidungsgründe seiner Entscheidung (Beschl. v.
04.02.2022 - 3 B 4/22 -) veröffentlicht, in der er die Verkürzung des #Genesenstatus auf drei Monate durch das RKI für verfassungswidrig hielt.
/2 Es verweist zu nächst auf die erhebliche Grundrechtsrelevanz des Genesenstatus (Rn. 11).
/3 Es führt dann die Gründe dazu aus, aus denen es die Verkürzung für verfassungswidrig hält. Es beruft sich dabei auf die Ausarbeitung der WD des Bundestags und führt unter anderem aus, das zumindest die Bundesregierung hätte dies regeln müssen (Rn. 15 bis 17).
/1 Der ThürVerfGH hat einen Eilantrag der AfD abgelehnt zahlreiche Coronamaßnahmen in Thüringen außer Kraft zu setzen (ThürVerfGH, Beschl. v. 04.02.2022 - VerfGH 5/22 -). Dabei macht es ein paar Anmerkungen zu Ausgangssperren.
/2 Der ThürVerfGH geht der Frage ob eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Ungeimpften stattfindet aus dem Weg und lagert die ins Hauptverfahren aus (S. 31). Anders noch der BayVerfGH der dazu eine klare Meinung hatte:
/3 Der ThürVerfGH verweist den Verordnungsgeber darauf, dass er mal die Eingriffe - insbesondere die nächtlichen Ausgangssperren für Ungeimpfte - besser Begründen soll (S. 31).
/1 Der BayVerfGH hat einen Eilantrag gegen Coronamaßnahmen abgelehnt (BayVerfGH, E. v. 28.01.2022 - Vf. 65-VII-21 -, bayern.verfassungsgerichtshof.de/media/images/b…). Zu den Interessanten Stellen der Entscheidung im folgenden.
/2 Er vertritt die Auffassung, dass 2G und Kontaktbeschränkungen keinen mittelbaren oder indirekten Impfzwang darstellt, da man ja die Wahl hat sich impfen zu lassen (Rn. 24).
/3 Dann nimmt es Bezug auf Berichte des RKIs und Expertengremiums (Rn. 27 bis 30). Auf Grundlage dieser Einschätzungen sieht es immer noch nachvollziehbare Gründe, welche ein Ungleichbehandlung von Ungeimpften oder Mindergeimpften Personen rechtfertigen (Rn. 31 und 32).
/1 Das @BVerfG hat zum 70 jährigen bestehen einige Filme veröffentlich darunter auch folgenden:
So findet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidungen via @YouTube
/2 Darin wird die Arbeitsweise des Gerichts etwas veranschaulicht. Es wird dabei auch die Beratung über aktuelle Verfahren gezeigt darunter auch "2 BvR 314/21". Dabei geht es um Strafgefangenentelefonie in Bayern, welche deutlich eingeschränkt sind.
/3 Das #BVerfG hat eine große Zustellung durchgeführt und neben den Verfassungsorganen auch den Ländern die Beschwerde und eine andere durch Stellungnahme vorgelegt, aber auch Sachkundigen Dritten, wie der GFF (@freiheitsrechte)