Wenn ich mir diese Zahlen ansehe, kann ich mir nicht vorstellen, wie Russland mit 200.000 Soldaten diesen Krieg gewinnen will, denn die Ukraine dürfte je nach Quelle 400.000 bis zu 1,1 Mio. Soldaten im Einsatz haben und verfügt über 3.000 Kampfpanzer und 12.000 Panzerfahrzeuge.
Außerdem hat die Ukraine rund 7 Mio. Leute "Fit for Military Service". Dazu kommt, dass ein Angreifer je nach Kampfgebiet eine 3-5 fache Übermacht braucht, um den Defensivvorteil wettzumachen.
Theoretisch kann Russland nicht mal dann gewinnen, wenn es seine gesamte Armee einschließlich aller Reservisten in den Kampf schickt und die Ukraine genug Waffen und Nachschub erhält. Mit den 200.000 russischen Soldaten, von denen sich jetzt ca. 60% im Einsatz befinden, ...
... kann das eigentlich nicht mal ansatzweise was werden, nimmt man noch den Moralunterschied dazu. Hörte von russischen Freunden, dass wohl haufenweise Mütter ihren russischen Söhne per Telegram verbieten, jemanden töten, denn es könnte ja Freunde und Verwandte treffen.
Die Ukraine ist kein Zwerg; mit 41-44 Mio. Einwohnern hat sie die halbe deutsche Bevölkerung, mehr als Polen (38 Mio.) und ein Drittel der von Russland (144 Mio.). Es ist außerdem der weltgrößte Produzent von Sonnenblumenprodukten und auch bei Mais und Weizen auf Platz 6 und 7.
Von der Fläche her ist die Ukarine mit 603.000 qkm fast doppelt so groß wie Polen (312.000 qkm) oder Deutschland (357.000 qkm). Das ist ein ziemlicher Brocken, den sich Russland da vorgenommen hat.
Aktuell sieht der Frontverlauf nach 4 Tagen Kampf so aus. Zum Maßstab: Die Krim ist von Nord nach Süd rund 150km groß, und der weiteste Vorstoß der Russen ins Land sind etwas weniger, 120 km vielleicht, und er verlangsamt sich.
Russland hat es bisher auch nicht geschafft, auch nur eine größere Stadt zu erobern, wobei es Ziel sein könnte, die Städte einzukesseln und zur Kapitulation zu zwingen, um größere Zerstörungen und Verluste zu vermeiden.
Russland hat wohl jetzt fast 2/3 seiner um die Ukraine versammelten Truppen im Einsatz, aber diese werden wohl absehbar nicht reichen, so dass Russland weitere Truppen aus anderen Landesteilen heranbringt.
Außerdem setzt Russland jetzt wohl vermehrt schwere Waffen ein, hat aber immer noch nicht die Lufthoheit gewonnen. Die ukrainische Luftabwehr ist wohl dezimiert, aber noch aktiv, und auch die ukrainische Luftwaffe ist noch einsatzfähig.
Russland hat wohl begonnen, Anpassungen am Plan vorzunehmen und jetzt mehr Truppen früher in den Kampf geschickt als geplant, weil die bisherigen Kräfte nicht so gut vorankommen und es langsam Versorgungsengpässe bei Treibstoff und Munition gibt, speziell bei Raketen.
Am Montag soll es Verhandlungen geben, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass zum jetzigen Zeitpunkt etwas dabei herauskommt. Ernsthafte Verhandlungen wird es wohl erst dann geben, wenn den Russen die Puste ausgeht oder sie ihre militärischen Ziele erreicht haben.
Einen Frieden wird es auf absehbare Zeit nicht geben, denn die Ukraine wird keine territorialen Zugeständnisse machen und Krim zurückfordern, und Russland wird sie nicht rausrücken wollen, und die Welt wird ihre Sanktionen nicht beenden, so lange Russland Gebiete besetzt hält.
Bestenfalls wird es irgendwann einen Waffenstillstand geben, dessen Bedingungen stark von der weiteren militärischen Entwicklung abhängen werden. Experten nehmen an, dass Russland maximal noch eine Woche hat, bevor seinen Truppen die Puste ausgeht, aber wer weiß.
Völlig unklar ist, wie die Versorgungssituation des ukrainischen Militärs aussieht und wie lange die Zivilbevölkerung in den Städten versorgt werden kann. Bisher scheint das Land grundsätzlich noch zu funktionieren, wobei es in den Städten wohl schon zu Knappheiten kommt.
Ansonsten werden derzeit in größeren Mengen Waffen und Munition aus dem Westen geliefert, vermutlich mehr, als öffentlich verlautbart wird, vor allem mit Hilfe der USA, die sich mit näheren Angaben dazu bedeckt hält.
Niemand weiß, wie sich das alles entwickeln wird, aber ich glaube, wenn Russland es in den nächsten Tagen nicht schafft, entscheidende Erfolge zu erzielen und die ukrainischen Truppen vom westlichen Nachschub abzuschneiden, wäre es sogar möglich, ...
...dass die Russen militärisch zum Rückzug gezwungen werden könnten. Unabhängig davon kann ich mir gerade kein realistisches Szenario vorstellen, bei dem Russland langfristig das Ziel erreichen kann, aus der Ukraine wieder einen russlandfreundlichen Vasallenstaat zu machen.
Währenddessen vermeldet Gazprom, dass der Gasexport nach Europa normal und ungestört läuft. Wenn wir den Russen den Krieg schon mitfinanzieren, könnten sie eigentlich Ersatzteile für die MIGs und SUs liefern, die wir der Ukraine geben wollen - im Austausch ...
... für die Spezialmetalle aus Deutschland, die den Russen gerade bei der Raketenproduktion fehlen. Sorry für den Zynismus, aber wir haben den Angriff nicht nur mitfinanziert, sondern auch das Metall geliefert, das gerade auf ukrainische Truppen und Häuser herabregnet.
Fairerweise muss man aber sagen, dass viele Leute in Deutschland - auch ich - durchaus Sympathie für Putin und Russland und seine Situation hatten und die Ukraine eher kritisch gesehen haben, aber der Überfall hat das alles auf den Kopf gestellt.
Putin hat der Ukraine insofern einen Gefallen getan, dass er nicht nur das Land im Bewusstsein der Welt von "another shithole" zum bewunderten Sympathieträger gemacht und seine Sünden ausgelöscht hat, sondern eine mächtige, identitätsstiftende Erzählung geschaffen hat, ...
...die das Land weitgehend geeint und seine eigenständige Existenz für immer gesichert haben dürfte, ganz egal, wie der Konflikt in naher Zukunft ausgehen wird. Uns hat er den Gefallen getan, dass auch Europa und die NATO plötzlich so geeint dastehen,...
...wie seit Ende des kalten Krieges nicht mehr, und uns allen die Augen darüber geöffnet hat, wer er wirklich ist: Ein skrupelloser alter Mann, den die Zeit überholt hat und der die Welt nicht mehr versteht. Jetzt müssen nur noch die Russen das mehrheitlich auch begreifen.
Ich hoffe, dass Russland bald die Kurve kriegt und Putin und seine Oligarchen zum Teufel jagt und wir wieder Freunde mit Russland sein können, damit wir uns auf den größten Unterdrückungsapparat der Welt namens KP China fokussieren können. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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Hier ist eine gute Analyse der "Schuldfrage", was die Invasion der Ukraine betrifft: Am Überzeugendsten finde ich den Punkt, dass das Abwenden von Russland und das Zuwenden zum Westen vor allem Folge der Kriminvasion war.
Bevor Russland die Krim und die Ostprovinzen der Ukraine besetzte, gab es in der Bevölkerung keine Mehrheit für einen NATO-Beitritt, und pro- und anti-russische Positionen hielten sich in etwa die Waage.
Mit der Krimannexion änderte sich zum die Wählerbasis, denn die bis dato zu über 90% prorussisch wählende Bevölkerung in den annektierten Gebieten fiel weg, was gemessen an der Gesamtukraine allein etwa 5% weniger prorussische Stimmen bedeutete.
Ein interessanter Podcast von 2019, der den Berg von Probleme in der Ukraine beleuchtet, mit denen Selenskyj damals zu kämpfen hatte und wie unübersichtlich und nahezu hoffungslos damals die Situation für ihn aussah: odysee.com/@theduran:e/ze…
Hier findet sich ein Zusammenschnitt verschiedener Berichte und Clips darüber, wie er Präsident wurde und welcher Kritik und welchen Anfeindungen er teilweise ausgesetzt war und was es mit den Nazis in der Ukraine auf sich hat: odysee.com/@thoughtscamer…
Eigentlich hat er nahezu ein Wunder vollbracht, denn er hatte keine wirkliche Machtbasis, keine politische Erfahrung und wurde von der EU allein gelassen und von Trump und Putin bedrängt, während im Innern Ultrarechte und ukrainische Oligarchen ihn wegputschen wollten und ...
Fortsetzung: Ich bin seit 15 Jahren da raus, aber es scheint seitdem eher schlimmer geworden zu sein im BMV, und mir graut davor, dass dieses Ministerium, dass mit 50 Mrd. Etat im Jahr nicht ein mal den Eindruck von einsatzfähigem Militär zu erwecken schafft,…
…jetzt weiter mit Geld aufgepumpt werden soll. Meine These ist, dass selbst, wenn man auf 100 Mrd. Rüstungsetat aufstocken würde, wir kein brauchbares Militär dafür bekämen mit diesem Verteidigungsministerium. Man braucht doch bloss die Verlautbarungen der letzten Tage hören,…
…um zu merken, dass die Leute im BMV mehr übereinander als miteinander reden. Wenn es nach mir ginge, würde ich das gesamte BMV auflösen und komplett neu gründen und alle Seilschaften im BMV zerschlagen, denn wir kippen sonst nur Geld in eine hoch dysfunktionale Struktur.
Nichts und niemand hält übrigens andere Länder, auch NATO-Länder, davon ab, der Ukraine auch militärisch zu helfen, also etwa russische Flugzeuge über der Ukraine abzuschiessen oder russische Bodentruppen zu bombardieren oder gar Bodentruppen zu schicken.
Es wäre ja nicht so, dass das rechtlich gesehen ein Angriff auf Russland oder eine Provokation wäre, denn russische Truppen haben in der Ukraine nichts zu suchen, und die ukrainische Regierung kann jeden zum Bombardieren von Russen auf ihrem Staatsgebiet einladen und ermächtigen.
Ich sage nicht, dass das zum jetzigen Zeitpunkt eine gute Idee wäre, aber es ist eine Option, die jedes Land einseitig hat. Wäre es ein NATO-Land, das interveniert, wären die anderen NATO-Länder nicht verpflichtet, zu helfen, aber …
Ich fürchte, die Ukrainekrise ist erst am Anfang und wird eskalieren. Putin hat sich in mehrfacher Hinsicht verrechnet. Zum einen wird es nicht so schnell und nicht so leicht, die militärischen Ziele zu erreichen, er liegt bereits jetzt im Zeitplan zurück.
Zum anderen hat er die Reaktion der Menschen in aller Welt unterschätzt, auch der eigenen Bevölkerung, aber vor allem werden Bürger in der freien Welt von ihren Regierungen mehr Aktion fordern, als diese (noch) bereit sind, zu zeigen.
Putin hat seine Truppen vor ein praktisch unlösbares Problem gestellt: Zum einen sollen sie die Zivilbevölkerung und die Infrastruktur schonen, zum anderen Seite sollen sie die Hauptstadt und andere Bevölkerungszentren unter Kontrolle bringen und nur die "Nazis" töten.
Die Bilder aus der Ukraine heute sind erschütternd; noch nie war Krieg aus solcher Nähe und in seiner furchtbaren Brutalität und Banalität zu sehen. Das Fernsehen zeigt zwar die schlimmen Bilder nicht, aber auf Twitter findet sich inzwischen einiges.
Ich glaube, dass Putin sein Blatt überreizt hat, und die Drohungen an Schweden und Finnland interpretiere ich als Angst. Putin hat jetzt schon mehr verloren, als er militärisch in der Ukraine gewinnen kann.
Die schrecklichen Bilder sprechen nämlich eine klare Sprache, und was auch immer Putin oder Russland an Verständnis oder Sympathie für seine Situation hatte, mit dem brutalen Morden in der Ukraine hat Russland alles verspielt.