Ich fürchte, die Ukrainekrise ist erst am Anfang und wird eskalieren. Putin hat sich in mehrfacher Hinsicht verrechnet. Zum einen wird es nicht so schnell und nicht so leicht, die militärischen Ziele zu erreichen, er liegt bereits jetzt im Zeitplan zurück.
Zum anderen hat er die Reaktion der Menschen in aller Welt unterschätzt, auch der eigenen Bevölkerung, aber vor allem werden Bürger in der freien Welt von ihren Regierungen mehr Aktion fordern, als diese (noch) bereit sind, zu zeigen.
Putin hat seine Truppen vor ein praktisch unlösbares Problem gestellt: Zum einen sollen sie die Zivilbevölkerung und die Infrastruktur schonen, zum anderen Seite sollen sie die Hauptstadt und andere Bevölkerungszentren unter Kontrolle bringen und nur die "Nazis" töten.
Seine Marionetten in der Ukraine haben sich stets sofort abgesetzt, wenn es brenzlig wurde, und so ging er wohl davon aus, dass die "Marionetten" des Westens das auch machen würden. Insbesondere hat er den ukrainischen Präsidenten für ein Leichtgewicht gehalten, einen Komiker.
Womit er wohl nicht gerechnet hat ist, dass der Mann sich mit seinem Kabinett hinstellen würde und verkünden, dass sie alle bleiben und kämpfen werden. So etwas machen Marionetten nicht.
Ja, schlimmer noch: Wenn Putin ihn tötet, wird er ihn zum unsterblichen Märtyrer machen, aber ihn lebend gefangen zu nehmen dürfte schwierig sein, wenn er nicht kapituliert, und davon ist eher nicht auszugehen.
Wenn das russische Militär also behutsam vorgehen und nicht die halbe Stadt in Schutt und Asche legen soll, braucht es viele Fußsoldaten, aber es sollen allein in Kiew rund 50.000 Zivilisten bewaffnet worden sein, und dazu noch zigtausend Soldaten.
"Normalerweise" ist alles vorbei, wenn man die Führung ausschaltet. Die Verteidiger kapitulieren und werden entwaffnet und man übernimmt die Regierung und Verwaltung und die Polizei und stellt Ruhe und Ordnung wieder her.
Blöd ist nur, wenn niemand kapituliert und die Leute einfach weiter kämpfen, nicht, weil es ihnen jemand befiehlt, sondern weil sie ihre Heimat verteidigen. Putin unterschätzt, wie wirkungsvoll intrinsische Motivation sein kann, weil er gewohnt ist, zu befehlen.
Ein anderes Problem ist, dass er das zu Hause als eine Art Polizeiaktion gegen eine kriminelle Clique verkauft hat, auch vielen wehrpflichtigen Soldaten gegenüber, die sich jetzt wundern, warum die ukrainische Bevölkerung so sauer auf sie ist.
Wenn sich diese "Polizeiaktion" nun als langwieriger, blutiger Häuserkampf herausstellen sollte und die Russen dabei schwere Waffen einsetzen und doch größere Teile der Stadt zerstören müssen, während die Welt zuschaut, wird der Westen nicht stillhalten können.
Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die NATO direkt und offen militärisch eingreift, aber es dürfte aus der Bevölkerung großer Druck auf die westlichen Regierungen entstehen, überhaupt keine Geschäfte mehr mit Russland zu machen.
Der Punkt ist nämlich, dass wir alle diese Truppen und Bomben mitfinanzieren, die da gerade Ukrainer töten, und ich glaube, es könnte dazu kommen, dass Russland komplett boykottiert wird und wir kein Gas und Öl aus Russland mehr kaufen werden.
Das wäre sicher ein Riesenproblem auch für uns, aber ich denke, beim Anblick der Bilder aus der Ukraine sind das vergleichsweise Luxusprobleme, und viele im Westen werden nicht nur bereit sein, finanzielle Opfer zu bringen, sondern verlangen,...
...dass sie russlandfreies Benzin tanken und russlandfreies Gas verbrennen können und diesen Krieg und dieses Russland mit keinem Cent unterstützen müssen.
Ja, oft ist es so, dass wenn die mediale Aufmerksamkeit schwindet alles schnell vergessen ist, aber dieser Krieg hat eine andere Dimension als alles, was ich in meinem Leben an Kriegen mitbekommen habe.
Das liegt zum einen daran, dass die Menschen dort aussehen wie wir und sich kleiden wie wir und überhaupt alles da so aussieht wie in vielen europäischen Städten und sich der Krieg dort sehr nah anfühlt - weil er sehr nahe ist.
Ja, dass der Krieg nahe ist, merkt man auch einfach daran, dass heute in Berlin Flüchtlinge in größerer Zahl eintrafen. Es ist aber nicht nur diese geographische und menschliche Nähe, die diesen Krieg unvergesslich machen, es liegt auch daran, ...
...dass wir bzw. vor allem die USA das eigentliche Ziel dieses Angriffs sind. Putin möchte die Welt ins Jahr 1975 zurückdrehen, machtpolitisch und moralisch, und möchte Revanche für den verlorenen kalten Krieg und die Demütigungen, die Russland seitdem ertragen musste.
Ich weiß nicht, ob es bei ihm Corona-Koller ist oder dass er dick und alt geworden ist und glaubt, dass ihm die Zeit wegläuft und er noch unbedingt etwas großes tun muss, aber er scheint aus der Zeit gefallen und an Rationalität eingebüßt zu haben ...
...und hat wohl niemanden mehr in seinem Umfeld, der ihn kritisch begleitet und ihm ehrliches Feedback gibt, und er ist jetzt seit 22 Jahren im Amt und wird bald 70, und vielleicht hat er es schlicht nicht mehr drauf.
Was diesen Krieg aber auch zu Zäsur macht, wie 9/11, ist, dass dieser Krieg gerade die ganze Welt aufrüttelt und in ganz vielen Köpfen zu einem Umdenken und einer Neubewertung des Verhältnisses zu Russland geführt hat.
Schien die NATO vor dem Einmarsch noch schwach und zerstritten und wurde vom französischen Präsidenten als Leiche bezeichnet, hat Putin es geschafft, die NATO zu einen und zu revitalisieren, wie es vor kurzem kaum denkbar war. Und er hat Deutschland verloren, glaube ich.
Keine Ahnung, wie er sich und Russland aus der Situation rausmanövrieren will, denn im Grunde hat er mit dem heutigen Tag schon verloren, seit der ukrainische Präsident angekündigt hat, zu bleiben und zu kämpfen. Reingehen ist zudem einfach im Vergleich dazu, wie man rauskommt,..
... ohne alles zu verlieren, und derzeit scheint bereits das Reingehen nicht so rund laufen. Die Ukrainer dagegen schreiben sich gerade als Helden in die Weltgeschichte ein und entlarven ihn als Feigling. Wenn er klug wäre, bräche er das alles sofort ab.
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Wenn ich mir diese Zahlen ansehe, kann ich mir nicht vorstellen, wie Russland mit 200.000 Soldaten diesen Krieg gewinnen will, denn die Ukraine dürfte je nach Quelle 400.000 bis zu 1,1 Mio. Soldaten im Einsatz haben und verfügt über 3.000 Kampfpanzer und 12.000 Panzerfahrzeuge.
Außerdem hat die Ukraine rund 7 Mio. Leute "Fit for Military Service". Dazu kommt, dass ein Angreifer je nach Kampfgebiet eine 3-5 fache Übermacht braucht, um den Defensivvorteil wettzumachen.
Theoretisch kann Russland nicht mal dann gewinnen, wenn es seine gesamte Armee einschließlich aller Reservisten in den Kampf schickt und die Ukraine genug Waffen und Nachschub erhält. Mit den 200.000 russischen Soldaten, von denen sich jetzt ca. 60% im Einsatz befinden, ...
Fortsetzung: Ich bin seit 15 Jahren da raus, aber es scheint seitdem eher schlimmer geworden zu sein im BMV, und mir graut davor, dass dieses Ministerium, dass mit 50 Mrd. Etat im Jahr nicht ein mal den Eindruck von einsatzfähigem Militär zu erwecken schafft,…
…jetzt weiter mit Geld aufgepumpt werden soll. Meine These ist, dass selbst, wenn man auf 100 Mrd. Rüstungsetat aufstocken würde, wir kein brauchbares Militär dafür bekämen mit diesem Verteidigungsministerium. Man braucht doch bloss die Verlautbarungen der letzten Tage hören,…
…um zu merken, dass die Leute im BMV mehr übereinander als miteinander reden. Wenn es nach mir ginge, würde ich das gesamte BMV auflösen und komplett neu gründen und alle Seilschaften im BMV zerschlagen, denn wir kippen sonst nur Geld in eine hoch dysfunktionale Struktur.
Nichts und niemand hält übrigens andere Länder, auch NATO-Länder, davon ab, der Ukraine auch militärisch zu helfen, also etwa russische Flugzeuge über der Ukraine abzuschiessen oder russische Bodentruppen zu bombardieren oder gar Bodentruppen zu schicken.
Es wäre ja nicht so, dass das rechtlich gesehen ein Angriff auf Russland oder eine Provokation wäre, denn russische Truppen haben in der Ukraine nichts zu suchen, und die ukrainische Regierung kann jeden zum Bombardieren von Russen auf ihrem Staatsgebiet einladen und ermächtigen.
Ich sage nicht, dass das zum jetzigen Zeitpunkt eine gute Idee wäre, aber es ist eine Option, die jedes Land einseitig hat. Wäre es ein NATO-Land, das interveniert, wären die anderen NATO-Länder nicht verpflichtet, zu helfen, aber …
Die Bilder aus der Ukraine heute sind erschütternd; noch nie war Krieg aus solcher Nähe und in seiner furchtbaren Brutalität und Banalität zu sehen. Das Fernsehen zeigt zwar die schlimmen Bilder nicht, aber auf Twitter findet sich inzwischen einiges.
Ich glaube, dass Putin sein Blatt überreizt hat, und die Drohungen an Schweden und Finnland interpretiere ich als Angst. Putin hat jetzt schon mehr verloren, als er militärisch in der Ukraine gewinnen kann.
Die schrecklichen Bilder sprechen nämlich eine klare Sprache, und was auch immer Putin oder Russland an Verständnis oder Sympathie für seine Situation hatte, mit dem brutalen Morden in der Ukraine hat Russland alles verspielt.
Interessantes Cable vom amerikanischen Botschafter Burns in Moskau von 2008 zur Ukraine-Situation. Es mutet geradezu prophetisch an, und alles, was damals befürchtet wurde, ist eingetreten: wikileaks.org/plusd/cables/0…
Der Kernpunkt ist, dass Georgien und die Ukraine die NATO-Mitgliedschaft nicht als Ergänzung, sondern als Alternative zu engen Beziehungen zu Russland gesehen haben und quasi unter dem Schutzmantel der NATO Russland den Stinkefinger zeigen wollten.
Russland hatte also weniger Probleme mit einer NATO-Mitgliedschaft der Länder an sich, sondern wie sich diese auf die dato engen Beziehungen mit Russland auswirken würde, und Russland hat Recht behalten mit seinen Befürchtungen.
Eine schöne Verschwörungserzählung wäre, wie IM Erika als russischer Sleeper an die Spitze der deutschen Regierung gelangt ist, den Ausbau von Wind und Sonne zurückgefahren, Atomkraftwerke abgeschaltet, die Wehrpflicht ausgesetzt und die Bundeswehr kaputtgespart hat.
Während Schröder dafür gesorgt hat, dass Gas und Öl und Kohle aus Russland ungestört zu uns fließen können, hat Merkel dafür gesorgt, die Alternativen zu sabotieren so gut es geht.
Findet ihr es nicht auch verdächtig, wenn jemand gegen Atomkraft *und* gegen erneuerbare Energien arbeitet, so wie Merkel? Das macht nur Sinn, wenn jemand fossile Energieträger pushen möchte, deren größter Lieferant Russland ist.