"Schwarzer Humor" auf dem 1. Polizeirevier #Frankfurt: Was die Beamt*innen im #NSU20-Prozess als "was Lustiges posten" darstellten, wurde von der Nebenklage klar als rassistisch und antisemitisch benannt. Die Vorsitzende Richterin hielt das nicht für verfahrensrelevant. Thread 👇
Zu Beginn wurde der Beamte Tim W. befragt. Er sei am Tag der Datenabfrage von Seda Başay-Yıldız (2.8.18) gemeinsam mit Johannes S. im Streifendienst unterwegs gewesen. Zum genauen Zeitpunkt der Datenabfrage sei er mit ihm an der Hauptwache im Einsatz gewesen.
Dies wurde durch das Gericht versucht, anhand eines Protokollzettels nachzuvollziehen, welche die Beamt*innen händisch ausfüllen und an ihren Vorgesetzten weitergeben. Dieser werde aus der Erinnerung ausgefüllt und könne deshalb auch manchmal falsch eingetragen worden sein, so W.
Bezüglich der Einlogdaten an den Wachcomputern gab der Zeuge an, dass es ein Vertrauensverhältnis zwischen den jeweiligen Kolleg*innen gegeben habe, da das Prozedere des An- und Abmeldens sehr lange gebraucht habe. Daher habe man die Passwörter der anderen Beamt*innen gewusst.
Zu Telefonabfragen gab W. an, dass die Wache teilweise durch Streifenpolizist*innen aber auch die Stadtpolizei angerufen wurde. Es habe ein vereinbartes Kennwort gegeben, durch das überprüft werden konnte, ob die Person befugt sei, die angefragten Informationen zu erhalten.
Wenn Personen aus einem anderen Bundesland anriefen und Abfragen tätigten, sei die Dienststelle sowie der Name auf Anweisung in einer Exceltabelle eingetragen worden. Diese habe es bereits am 2.8.2018 gegeben und jede*r habe darauf Zugriff gehabt.
W. sagte, es sei ungewöhnlich, dass der Name der Tochter von Seda Başay-Yıldız im Polizeisystem abgefragt wurde, da ja ein Kind in diesem Alter noch keine Straftaten begehen könnte. Dies hätte direkt auffallen sollen.
W. sagte, er sei auch Teil einer Chatgruppe ("Susie, homies & friends") gewesen, in der „unterirdische Sachen“ geschrieben worden seien – diese bezeichnete er als „schwarzen Humor“. Seine Kolleg*innen seien ihm nicht antisemitisch, rassistisch oder NS-verherrlichend aufgefallen.
Nebenklagevertreterin von der Behrens und die Vorsitzende Richterin diskutierten darüber, ob v. d. Behrens dem Zeugen Posting vorhalten dürfe, welche offenkundig rassistisch bzw. antisemitisch seien. Von der Behrens: „Er weiß genau wie er das bewertet, benennt es aber nicht so“.
V. d. Behrens sagte, W. habe ein Bild mit Adolf Hitler und einem Fußballer gepostet, der ein Trikot hochhält, auf dem „für meinen Führer“ steht. Die Richterin ließ keine weiteren Fragen zu der Chatgruppe zu.
Der zweite Zeuge ist der seit 2019 pensionierte Dienstgruppenleiter des 1. Reviers Michael F. Gleich zu Beginn stellte er klar, dass er so gut wie gar nichts mehr wisse. Er sei für Dienstgeschäfte der Dienstgruppe verantwortlich gewesen. Am Tag der Abfrage auf der Wache gewesen.
Auch er sei in einem der Chats Mitglied gewesen, für ihn sei es gewesen, um zu wissen wer zu spät komme oder wer Geburtstag habe. Die rassistische Chatgruppe sei ihm nicht bekannt gewesen, es seien „immer coole Kerle“ gewesen.
Auf die Frage zu einem Bild, auf dem Johannes S. als „Owi-Nazi“ (Ordnungswidrigkeiten) betitelt wird, gab er an, dass dies "schwarzer Humor" sei. Er habe sicher auch mal "etwas Lustiges" gepostet. V. d. Behrens sagte auf, dass dort u.a. rassistische Bilder gepostet wurden.
Auf die Frage, ob er die Abfrage getätigt habe, lachte F., er dürfe zu Abfragen nichts sagen, dazu brauche er eine Aussagegenehmigung. Nach der Durchsuchung des 1. Reviers hätten sich einige Kolleg*innen zusammengesetzt und „versucht zu rekonstruieren was passiert“ sei.
Die dritte Zeugin, die Beamtin Viola D., sagte, sie sei am Tag der Abfrage auf dem Revier gewesen. Zu Abläufen auf dem Revier müsse sie eine Aussagegenehmigung einholen. Wie auch ihre beiden Vorgänger im Zeugenstand sagte sie, sie könne sich an wenig erinnern.
Die Zeugin kann sich nicht daran erinnern, ob sie die Abfrage der Daten von Seda Başay-Yıldız gemacht hätte. Daraufhin wurde der Zeugin die Abfragestruktur vorgehalten. Sie gab an, dass sie die Struktur als ungewöhnlich empfinde.
Die Abfrage habe sechs Minuten gedauert, wenn jemand so viel erfragen würde, wäre ihr das aufgefallen. Sie könne sich nicht vorstellen, dass so eine Abfrage (telefonisch) von außen komme, da man dann stutzig hätte werden müssen.
Auch der 4. Zeuge, Polizist David H. sagte, er habe keine Erinnerungen an den 2.8.2018, er habe nachträglich herausgefunden, dass er zum Zeitpunkt der Abfrage eine Anzeige aufgenommen habe. Er gab an, dass die Passwörter bekannt gewesen seien und sich jede*r einloggen konnte.
Der letzte Zeuge war der Polizist G., der sich ebenfalls schlecht an den 2.8. erinnern konnte. Auf die Frage, ob er die Abfrage getätigt habe, entgegnete er: „würde sagen nein“. Ihm sei gesagt worden, dass die Abfrage sehr lang gewesen sei.
G. sagte zum Bild auf einer Torte, das Johannes S. als Ordnungswidrigkeitenfanatiker in Naziuniform zeigt: Das habe nichts mit Nazis zu tun. S. verfolge im extremen Sinne Ordnungswidrigkeiten. Er hätte sogar extra die Nazisymbole weggelassen, „um niemandem vor den Kopf zu stoßen“
Der #NSU20-Prozess wird am Donnerstag, den 5. Mai in #Frankfurt fortgesetzt.
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Durch den #NSU20-Prozess wird klar: Es wurde nicht ausreichend gegen mglw. beteiligte Polizist*innen ermittelt, ein Netzwerk wurde nicht in Betracht gezogen, die Betroffenen weder informiert noch ernst genommen. Wir haben die Erkenntnisse der letzten Wochen zusammengestellt.🧵
Im Prozess gegen Alexander M. in Frankfurt werden die Zusammenhänge und das Ausmaß der Drohmailserien erst durch die Aussagen der Betroffenen und die Aufklärungsbemühungen der Nebenklage klar. #NSU20
Nebenklägerin Martina Renner hat den Eindruck, als hätten sich verschiedene Drohserien einen „Staffelstab“ übergeben. So habe sie zunächst Mails von der „Nationalsozialistischen Offensive“ („#NSO“) bekommen, dann vom „Staatsstreichorchester“ und anschließend vom „#NSU 2.0″.
Im #NSU20-Prozess zeigte sich gestern, dass die Polizei nicht nur nicht richtig ermittelt hat, sondern auch Betroffene nicht über die Gefährdung informierte: Ferat Koçak erfuhr erst wegen seiner Aussage von weiteren Drohungen gegen ihn. Unser Thread zum 7. Prozesstag👇
Bei ihrer heutigen Vernehmung haben Anne Helm und Ferat Koçak die Auswirkungen der #NSU20 Drohschreiben auf ihr Leben beschrieben und einen möglichen Zusammenhang mit der rechten Anschlagsserie in Neukölln betont. Dabei kamen auch einige Fragen zur Arbeit der Polizei auf.
Helm sagte, dass sie die hess. Polizei auf diesen Zusammenhang hingewiesen hat, da sie selbst Betroffene der Anschlagsserie war. Koçak sagte, dass er vom LKA nur über eine einzige Drohung informiert wurde, diese Woche erst habe er von weiteren erfahren. linksfraktion.berlin/aktuelles/pres…
Alles richtig gemacht? Der Mord an Walter #Lübcke wurde weder verhindert noch vollständig aufgeklärt! Beim Lübcke-Untersuchungsausschuss konnte sich heute ein eigenes Bild von den Behörden-Behauptungen gemacht werden. Es zeigt sich: Die Ermittlungen haben große Lücken. Thread👇
Der erste Zeuge des Tages war Oberstaatsanwalt Dieter Killmer, der die Ermittlungen beim GBA nach dem Mord an Walter #Lübcke leitete. Er vertrat den GBA auch im Prozess zum Mord an Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I., der vor einem Jahr endete.
Zur Erinnerung: Der Prozess zum Mord an Walter #Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I. endete mit einem Quasi-Freispruch für Markus Hartmann wegen Beihilfe zum Lübcke-Mord und einem Freispruch für Stephan Ernst wegen des Angriffs auf Ahmed I.
Im Urlaub mit Heises und zu Gast beim "Schild & Schwert"-Festival - im #FretterodeProzess sagte heute ein "unpolitischer" Schulfreund von Nordulf Heise aus. Der zweite Zeuge, ein NPD-Funktionär, war plötzlich "vernehmungsunfähig", als es um die Arische Bruderschaft ging. Thread👇
Eigentlich sollte heute der Polizeibeamte erneut als Zeuge erscheinen, der laut Berichten nach seiner Aussage am 7. Prozesstag den Verteidiger Nahrath gefragt haben soll, "War das in Ordnung, was ich gesagt habe?". Der Beamte wurde nun auf den 6.12. umgeladen.
Den ersten Zeuge des Tages, Aaron Ar., präsentierte die Verteidigung als "unpolitischen" Schulfreund des Angeklagten Nordulf Heise. Er war am Tattag (29.4.2018) auf dem Anwesen Heises, weil er dort übernachtete. Fotos der angegriffenen Journalisten zeigen dort ihn um 13:12 Uhr.
"Es können von diesem Ort aus Straftaten ausgehen." Am 7. Tag des #FretterodeProzess wurden vier Streifenpolizisten befragt, die am Tag des Angriffs im Einsatz waren. Die Aussagen zeigten eklatante Mängel in den Ermittlungen direkt nach dem Tatgeschehen auf. Details im Thread 👇
Beide Streifenwagenbesatzungen wurden zunächst zur Unfallflucht nach #Fretterode gerufen und auf dem Weg zum Tatort nach Hohengandern abberufen. Dort hatte die ranghöchste Polizistin die Lage unter Kontrolle und beide Streifenwagen sollten das Tatfahrzeug suchen.
Durch die Betroffenen war zumindest der Name von Bruno sowie seine Adresse bekannt. „Besser kann man‘s ja gar nicht haben!“, so einer der Beamten. Welcher Streifenwagen zuerst vor Ort war, darüber gab es widersprüchliche Aussagen.
In nächster Zeit finden u.a. online, in #Halle, #Jena, #Hamburg und #Zwickau wichtige Veranstaltungen zum #NSU-Komplex und zu #RechterTerror statt, die wir euch ans Herz legen möchten. Unsere Empfehlungen haben wir für euch in einem Thread zusammengestellt.👇
Morgen (5.10.): „Mein Vater wurde vom #NSU erschossen – wo bleibt die Aufklärung?“ – Zwei Töchter der Ermordeten sprechen. Mit Semiya Şimşek und Gamze Kubaşık. Anmeldung zur Online-Veranstaltung: isfbb.de/Termine-2021_i…
Am Mittwoch (6.10.) findet die 3. Open Lecture von @rechte_gewalt statt: "Zwei Jahre nach dem antisemitisch, rassistisch und misogyn motivierten Attentat in #Halle – Perspektiven auf Antisemitismus und Rassismus als Problem der Strafverfolgungsbehörden". verband-brg.de/online-open-le…