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May 6 18 tweets 5 min read
Replik+Reaktionen auf das @welt Interview mit @VeroWendland haben gezeigt, dass wir in der Debatte AKW vs. EE mehr auf Basis ökonomischer Kennzahlen diskutieren müssen. Heute mal zu Speicherkosten der EE. Vorwegnahme: #Kernkraft sieht auch hier alt aus 😎.
Eine inherente "Schwäche" der EE ist deren Volatilität in der Verfügbarkeit. Eine zukünftig volatile Erzeugung auf Basis EE braucht Speicherung. Was dürfte diese also im Vergleich zu Stromgestehungskosten der AKW kosten?
Rechnen wir mal ein Beispiel nach der üblichen DCF-Methodik (de.wikipedia.org/wiki/Discounte…). Investition AKW beträgt nach aktuellem Beispiel Hinkley Point C ca. EUR8500/kW, PV System Solarpark EUR1000/kWp und für ein EFH EUR2500/kWp (alles derzeitige (höhere) Preise für PV).
Kapitalkosten für alle Beispiele 4% (eigentlich derzeit viel zu hoch für private Investitionen, aber egal, so wird's vergleichbarer). Betriebskosten AKW 6% vom Invest pro Jahr (Literatur entnommen, @VeroWendland bitte kritisch prüfen), für PV 0,5%. Laufzeit 40 Jahre für beide.
PV 2% Degradation im ersten Jahr, danach 0,2% Degradation pro Jahr. 1100 kWh/kWp/Jahr Energieertrag vor Degradation.
Ergebnisse wie erwartet. AKW Erzeugungskosten mit 12,4ct/kWh 7,1ct/kWh teurer als ein Solarkraftwerk und de facto auf dem Niveau einer PV-Minianlage eines EFH (13,2ct/kWh). PV de facto ausschließlich durch Investitionen getrieben, AKW durch Betriebskosten und Investitionen.
Was sagt uns das? Wenn der EFH Besitzer 100% autark sein will, müsste er eine Kombi aus Batterie und H2 Minispeicher (alles 100% verfügbar und technisch zuverlässig) nutzen. Bei den angenommenen 4% Kapitalkosten würde ihm das in Summe 23ct/kWh resultierende Energiekosten bringen.
Heute hat @KerstinAndreae, Chefin des @bdew_ev in einem @derspiegel Artikel gesagt, dass Haushaltstromtarife mittlerweile bei 37,14 ct/kWh (!!!) liegen spiegel.de/wirtschaft/ene…)
Die EFH Anlage spart in unserem Beispiel also
14ct/kWh. In 40 Jahren x 3500 kWh/Jahr x 0,14EUR/kWh = 19600 EUR oder knapp 500 EUR pro Jahr. Zu bemerken wäre noch, dass EFH Speicher heute zu Apothekerpreisen verkauft werden, es wird also mit Skalierung zukünftig günstiger.
Zurück zum Äpfel-Äpfel-Vergleich der Großerzeugungsanlagen AKW vs. PV Solarpark. Unser PV Solarpark hat also einen Kostenvorteil von 7,1ct/kWh ggü. AKW. Speicherkosten sind bei EE reine Investitionskosten, die Betriebskosten sind marginal (0,5% der Investsumme pro Jahr).
Wenn wir die 7,1ct/kWh Vorteil über die DCF-Methode in den damit möglichen Zusatzinvest zurück rechnen, dann kommen bei 4% Kapitalkosten 1360EUR/kWp PV Erzeugungsleistung heraus. Pro installiertem kWp erzeugt eine gute PV Anlage in Deutschland 1100 kWh/Jahr = ca. 3 kWh/kWp/Tag.
D.h. wir könnten mit den 1360EUR/kWp zusätzlich möglicher Investition, um auf die exakt gleichen Stromgestehungskosten wie ein neues AKW zu kommen, bei einem angenommenen Speicherpreis von 100EUR/kWh (z.B. Redoxflow-Großbatterien) 13,6kWh pro Tag (!!!) speichern.
Werden max. 3kWh pro kW pro Tag erzeugt, aber 4x mehr davon sind speicherbar, dann merken wir, dass eine optimale Systemauslegung spielend möglich ist. Wie genau im Detail, muss je nach Installation berechnet werden. BTW, Redoxflow-Batterien werden bald nur noch 25EUR/kWh kosten.
Summa summarum: AKW Stromkosten werden vor allem durch (weiter steigende) Betriebskosten (OPEX) definiert, EE nur über Investition (CAPEX). Mit EE Erzeugung können heute präzise berechnen, wie hoch in 40 Jahren die Stromkosten sind, das kann Kernkraft nur mit einer Kristallkugel.
Der Kostenvorteil EE ist so groß, dass dieser rückgerechnet in Speichertechnologie unter Annahme gleicher Stromgestehungskosten für AKW und EE gesteckt werden kann. Speicherkosten werden in den nächsten 10 Jahren gewaltig sinken, hier sind wir derzeit noch bei Apothekerpreisen.
Service-Tweet: 1. Ja, PV Anlagen halten problemlos 40 Jahre, die jährliche Degradation ist in die DCF eingeflossen, 2. Nein, es werden nicht mehr Ressourcen bei PV verbraucht. Wäre es so, wären Kosten pro kWh EE > als AKW, 3. Konstruktive Diskussionen bitte, keine Beleidigungen.
Nachtrag H2: In den DruKos schrieb jemand, dass die H2-Konversion "nur" 30% Wirkungsgrad habe, d.h. 3 kWh Elektroenergie für 1 kWh H2 und das wäre ein Problem. Wärmekraftmaschinen wie Kohlekraftwerke und Verbrennungsmotoren sind nicht viel besser. Hat es deren Erfolg verhindert?
Im zweiten Tweet oben meinte ich eine inhärente, keine „inherente“ Schwäche 🙈.

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