Über Monate gab es einen rechts(libertären?) Shitstorm gegen @ardenthistorian, weil sie während der Corona Pandemie für ihr Buch nicht in den USA arbeiten konnte. Inzwischen ist sie vor Ort und das Argument wird einfach umgekehrt: "Man muss gar nicht selbst reisen, um..."
Als Historiker(in) muss man, je nach Fragestellung, nicht immer "vor Ort" sein - zentral ist die Kenntnis der Quellensprache und der Zugang zu Quelle (mittlerweile oft digital möglich). Qualitative/Quantitative Interviews als sozialhistorische Methode sind im Fach noch rel. jung
Punkt ist: Wenn man nicht inhaltlich, sondern willkürlich "ad hominem" kritisiert, dann ist das Ideologie und hat mit #wissenschaftsfreiheit wenig zu tun.
Ich selbst arbeite sehr gerne in Archiven vor Ort. Die letzten Jahre war ich aber auch an einem Projekt angestellt, dass sehr großzügige Reisemittel hatte - diesen Luxus haben viele KollegInnen nicht. Zudem bin ich inzwischen Familienvater und kann nicht für Monate wegbleiben..
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Vor einem halben Jahr begann mit der Invasion der #Ukraine durch #Russland der blutigste Krieg den wir seit 1945 in Europa erleben und der selbst die Zerfallskriege Jugoslawiens in d. Schatten stellt. Was denken RussInnen über den Krieg? Meine (subjektive!) Einschätzung 🧵/1
Die meisten RussInnen haben sich mit den Defiziten des eigenen Staates abgefunden: Korruption, Disfunktionalität, soziale Ungleichheit. Da Proteste zu nichts führten, blieb nur Zynismus. Nach außen ist das Bild d. eigenen Landes aber ungetrübt: Eine Kraft d. "Guten" in der Welt/2
Die Vorstellung, dass Russland in seiner Geschichte nie "Krieg" geführt hat, ist tief in der Gesellschaft verankert. Immer nur Verteidigung der Heimat oder Schutz von Verbündeten. Zentraler Fixpunkt ist der 2. WK und der "Sieg über den Faschismus". Opfer- u. Heldenkult/3
"Geostrategen" wie #Kissinger begreifen die Welt als großes Spielbrett, wo die Mächtigen Gebiete zu ihren Zwecken hin- und herschieben. Vorbild ist der #WienerKongress (1815) oder die Konferenz von #Jalta (1945). Das will letztlich auch #Putin, der "historisch" argumentiert /1
Das russische Außenministerium bezieht sich wahlweise auf die mittelalterliche Ruß oder den Vertrag von Perejaslaw (1654) zwischen Zarenreich und Kosakenhetmanat. Der Wille der aktuellen Bevölkerung spielt dagegen keine Rolle. Die Ukraine sei ein "unechter/künstlicher Staat" /2
Wer sich (besonders als russischsprachiger) Bürger mit diesen Staat identifiziere, habe ein "falsches Bewusstsein" (Medwedew), das man "bereinigen" müsse. Ein Prozess d. "Russifizierung" hat in den besetzten Territorien im Bildungswesen, d. Administration etc. bereits begonnen/3
#Polen/s Präsident Andrzej #Duda spricht heute als erster ausländischer Staatschef seit Beginn der russischen Invasion auf die #Ukraine️ vor dem Parlament (Verkhovna Rada). Symbolischer Höhepunkt der komplexen und konfliktreichen polnisch-ukrainischen Geschichte. Ein Thread/1
"Noch ist #Polen/die #Ukraine nicht verloren/gestorben" die Nationalhymnen beider Länder beginnen ähnlich, beide Länder thematisieren den schwierigen Beginn ihrer Staatswerdung. Die frühneuzeitliche polnische Adelsrepublik und das ukrainische Hetmanat verschwanden im 18. Jhd./2
Sie wurden Opfer ihrer imperialen Nachbarn (Russland/Österreich/Preußen [nur Polen]) aber auch interner Konflikte. Beides waren aber keine Nationalstaaten, sondern dienten der Bewahrung v. tradit. Standesrechten. Keine Demokratien aber Gegenmodelle zum autokratischen Zarenreich/3
2022: Europa sucht (leider) wieder nach einer neuen Sicherheitsordnung. Dabei stellt sich erneut die Frage, wie man mit einer "gekränkten Großmacht" umgeht. #Macron warnt vor einer Demütigung #Russland/s. Ist eine "gerechte" Ordnung überhaupt möglich? Ein historischer Blick 🧵/1
Der #WienerKongress (1815) beendete die Revolutionskriege und ordnete Europa neu. Für #Gauland ein positives Beispiel, was mehr über seine Weltanschauung als historische Kenntnisse aussagt. In Wien trafen sich die Großmächte der Restauration, der Hochadel und die Fürsten/2
Die Verhandlungen und die Grenzziehung verliefen ohne jegliche Rücksicht auf die Bürger und ihre Rechte. Liberale Bewegung sollten im Gegenteil klein gehalten werden, was die "Karlsbader Beschlüsse" (1819) noch einmal bekräftigen. Nachhaltig war diese Ordung aber nicht/3
#Russland/s Krieg in der #Ukraine ist auch ein Kampf um Erinnerung. Wer hat das Recht auf das Erbe der #Sowjetunion und wie geht man mit der komplexen Geschichte der untergegangenen Weltmacht um? Am #TagderBefreiung spitzt sich dieser Konflikt der Symbole zu - ein Thread 🧵/1
Staatenbund, Bundesstaat oder (groß-)russisches Imperium? Die #Sowjetunion war alles davon. In der westl. Wahrnehmung verschwimmt diese Differenzierung. Im Englischen wird #Russia/#SovietUnion meist synonym verwendet, auch in Deutschland findet oft keine Unterscheidung statt /2
Die #Sowjetunion ging 1922 aus Sowjetrussland hervor als #Lenin seine Hoffnungen auf die Weltrevolution aufgeben musste. Er war nicht nur Ideologe sondern auch Pragmatiker der Macht: Nur knapp 50% der Bevölkerung waren Russen, andere Nationalitäten erhielten zunächst Freiräume/3
Ich bin promovierter Historiker und habe die letzten Jahre zum 1.WK/Zwischenkriegszeit gearbeitet. Nein, der #VersaillerVertrag hat nicht den 2.WK ausgelöst oder zum Aufstieg Hitlers geführt. #Gauland bedient sich (mal wieder) nationalistischer Mythen /1
Frankreichs bedeutende Industriegebiete im Nord-Osten waren fast vier Jahre lang von Deutschland besetzt, wurden ausgeplündert und am Ende systematisch zerstört. Reperationen waren aus Sicht von Paris angemessen. Letztendlich zahlte Dtl. davon auch nur einen Bruchteil/2
Gemessen an der Wirtschaftsleistung war die Belastung durch Reperationen für z.B. Ungarn deutlich größer. Deutschlands Industrie blieb durch den Krieg unangetastet. Die Briten setzten außerdem auf ein "Gleichgewicht" der Mächte und stutzten viele Forderungen Frankreichs zurück/3