Thread by @anked

Dienstag hatte ich mit brenzligen Themen zu tun, es ging um Bomben, denn ich war zu Gast beim #Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) in Oranienburg, 30km nördl. von Berlin. In keiner Stadt in DE werden immer noch so viele Bomben gefunden, wie in Oburg./1

Weil es in Oranienburg (30 Bahnmin. nördl. v Berlin) viel SS-Infrastruktur u kriegswichtige Industrien (Chemie, Rüstung u.a.) wurde die Stadt bes. heftig bombardiert. 20.000 Bomben fielen auf die Stadt, allein am 15.3.1945 ca. 5.700 Bomben. 40% der Bevölkerung wurden obdachlos./2

Heute ist O‘burg Modellregion für d Beseitigung von Bomben des WKII. Vor jeder Baumaßnahme muss 1 Kampfmittelfreiheitsbescheinigung vorgelegt werden. Leiterin Pasedag u techn. Einsatzleiter Müller erzählten mir Spannendes von Geschichte u aktueller Bombenbeseitigung vor Ort. /3

Ich wußte zB noch nicht, dass Alliierte in Oranienburg wesentliche Teile des Nazi-Atomprogramms (Uranbearbeitung) verorteten, dass dort militär. Schutzmasken produziert wurden u das Hauptzeugamt der SS dort stand. Vor allem Auer- u Heinkelwerke waren kriegswichtig./4

Deshalb wurde #Oranienburg im 2. WK 13 Mal bombardiert, am Schlimmsten am 15.März 1945, wo über 4.000 Langzeitzünderbomben auf Oranienburg fielen. Diese speziellen #Bomben detonieren nicht beim Auftreffen, sondern zwischen 1 u 144 Std nach Abwurf - oder gar nicht (Blindgänger)./5

Bis zu 200 dieser #Langzeitzünderbomben sind vermutl. noch in #Oranienburg im Boden, jedes Jahr werden sie gefährlicher, weil mit der Zeit Zünderelemente vor sich hin bröseln. Manuell Entschärfen ist zu gefährlich, auch weil mehrere Anti-Entschärfungsmechnismen verbaut wurden./6

Mit einer Wasserschneidanlage kann man den Zünder komplett als Zylinder aus der #Langzeitzünderbombe rausschneiden, die dabei in Metallringen aufgehängt ist, damit sie sich keinen mm bewegt. Die Fernsteuerung erfolgt aus sicheren 500m Entfernung. #KMBD /7

Mit diversen Sondierungstechnologien werden Verdachtsfälle identifiziert u analysiert, heute ist fast jede in #Oranienburg gefundene Bombe eine #Langzeitzünderbombe. Vermutl auch die 2 Bomben auf der Baustelle Friedensthaler Schleuse, sie sollen im Herbst entschärft werden./8

Die Bomben-Beseitigung ist teuer, gefährlich u aufwändig. Die Bürokratie rund um die Kosten ist kompliziert u ehrlich gesagt, völlig irre. Da wird z.B. unterschieden, ob es „Reichsbomben“ o. „alliierte Bomben“ sind, o. ob sie auf Reichs- bzw. Bundesliegenschaften liegen 🙈. /9

Für Gefahrenabwehr sind Länder zuständig, dazu gehört auch #Kampfmittelbeseitigung. Bund erstattet nur Kosten für Bombenbeseitigung von Reichsbomben u von (allen) #Bomben auf Reichs- o Bundesgelände, alliierte Bomben werden nur befristet erstattet./10

Die Kostenübernahme für alliierte Bomben läuft Ende 2023 aus, gezahlt wird nur, wenn sich 1 Bombenfund bestätigt. Wenn nicht, bleibt man auf Kosten der Untersuchung sitzen. Ich frage mich: da Bund Rechtsnachfolger des dt. Reiches ist, warum zahlt er nicht für alle WK-Bomben?/11

Das Land Brandenburg hat ein Budget von 8.5 Mio € für Kampfmittelbeseitigung, die Hälfte davon fließt nach #Oranienburg, weil dort so viele Langzeitzünder-Bomben liegen, die Jahr für Jahr gefährlicher werden. Irgendwann werden die nicht geborgenen Bomben vermutl. detonieren./12

In der mühsamen Suche nach diesen Bomben spielt die Luftbildauswertung eine wichtige Rolle. Historische Fotos werden dabei analysiert, z.B. um in einer Kette Bombentrichter den einen kleinen Trichter zu finden, in dem vermutlich eine nicht explodierte Bombe liegt. #KMBD/13

Lasertechnologie wird genutzt, um zB in Waldgebieten „durch die Bäume zu gucken“, um ehem. Stellungen der Wehrmacht, Flakunterstände o. dergleichen zu identifizieren. Es ist die gleiche Technik, mit der man in Lateinamerika im Dschungel alte Pyramiden, Städte u Wege findet./14

Auch um Fachkräftemangel ging es beim #Kampfmittelbeseitigungsdienst in #Oranienburg, Fachkräfte gehen in Rente, Nachwuchs gibt es kaum, Einarbeitungszeiten sind lang, viel Spezialwissen ist erforderlich, dass man nicht per Berufsausbildung lernen kann./15

Nach dem Besuch beim #Kampfmittelbeseitigungsdienst in Oranienburg habe ich nicht nur ü Langzeitfolgen der Nazis u Weltkriege wieder nachdenken müssen, sondern auch an d Ukraine gedacht. Ist #Mariupol das Oranienburg d Ukraine? Krieg schadet auch 80 J später noch. #niewieder/ENDE