Der ukr. Journalist Konstantin #Ryzhenko war bis Ende August in #Cherson. Hier sein umfangreicher Bericht über Untätigkeit der lokalen Behörden, Erschießungen, Folter & Repression, Datensammlung sowie Widerstand. Nur einige Stellen👇1/16 #Kherson
Am 1. März kamen die Russen in die Stadt. "Sie kamen in Scharen von allen Seiten...alle schwiegen...Am nächsten Tag sagte ich zu meinen Freunden in Telegram: Freunde, das hat euch noch niemand gesagt, aber ich sage es Euch, die Stadt ist besetzt." 1
Die Chersoner protestierten bis Anfang Mai gegen die Russen. Die Kundgebungen sahen so aus: "wir schreien - sie stehen, wir schreien - sie stehen. Erst später stellte sich heraus, dass sie sich in den Verwaltungsgebäuden positioniert hatten und ...2.
...über Kameras mit starker Optik verfügten. Sie machten sehr detaillierte Fotos von der gesamten Kundgebung, von den Gesichtern der Menschen. Dann nahmen sie lokale Mitarbeiter und identifizierten sie alle. Sie machten so ihre ersten "Fänge"." 3
"Sie konnten nicht glauben, dass die Menschen wirklich von sich aus auf die Straße gingen und Widerstand leisteten. Sie suchten die Organisatoren und konnten sie nicht finden, aber brachten jemanden dazu, vor der Kamera zu sagen, dass sie bezahlt wurden und ließen sie gehen." 4
"Damals wurden sie nicht so schlimm gefoltert und geschlagen wie heute. Dann fingen sie die, von denen sie glaubten, dass sie am aktivsten waren."
"Es folgte ein Monat der Repression. Jede neue Kundgebung war kleiner, aber Leute kamen. Der letzte Versuch war am 8.5." 5
"Jede neue Welle der Aggression direkt gegen die Zivilbevölkerung löste eine neue Welle des Verlassens der Stadt aus."
Frage: Und danach ging Sie in Kherson in den Untergrund? 6
Zunächst betrieb man ein Freiwilligenzentrum und versorgte Menschen, brachte Medikamente. "Ich lernte einige der Jungs kennen: wir schufen so etwas wie einen Untergrund, wir sprachen darüber. Denn wir sahen: Überall fingen Russen an, sich niederzulassen, wir brauchten Augen,..7
..sagten einander, wer wo lebte. Ich habe die Kommunikation über VPN organisiert, denn seit dem 4. März hatten die Besetzer begonnen, die Kommunikation zu manipulieren. Wir sprachen darüber, was wir tun würden, wenn es keine Verbindung gäbe und wie wir kommunizieren würden." 8
Der örtliche SBU versuchte sich mit ihm zu verbinden, aber weil er von Verrätern wusste kooperierte er nicht. "Dann setzte sich der GUR [ukr. Nachrichtendienst] mit mir in Verbindung. Ich bezweifelte, dass sie es waren. Sie fragten "Was sollen wir tun, um es zu beweisen?""..9
"Ich sage: Entweder Vitaly Kim oder Alexander Senkevich (beide Mykolaiv) melden sich bei mir. Zwei Tage vergingen und Senkevich rief mich per Videoverbindung an. So begann die Kommunikation mit der GUR." 10
#Ryzhenko betrieb die ganze Zeit über seinen Telegrammkanal und war eine der wichtigsten Informationsquellen für Cherson, notierte Positionen und erstellte Karten.11
Ende Mai begannen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Die Gruppe versteckte sich."Dann begannen wir nach und nach auch mit den SDF zu kommunizieren. Es gab Leute in Kherson, die sagten: Wir wissen nichts über Computer, aber wir können etwas in die Luft jagen..."12
"...GUR beschloss, es zu versuchen. Sie bekamen eine Aufgabe, und die Menschen erfüllten sie. Sie bekamen einen weiteren Auftrag und erfüllten ihn." R. erzählt dann auch seine Flucht an mit falschen Papieren...13
Er berichtet dann über die schlechte Stimmung in der Stadt bei den wenigen, die geblieben sind. Er glaubt nicht an ein Referendum, auch weil die Besatzer sich wegen des Widerstands nicht halten können ohne viel Militär. 14
"Die FSB-Leute sind sich darüber im Klaren, dass R. wohl kein Referendum anstrebt & sich irgendwann zurückziehen muss. Vorher müssen sie Geld verdienen: Export von Metall, Maschinen, Ausrüstung, Import von Alkohol, Drogenhandel über Krim. Es ist ihre goldene Zeit für Gewinne."15
"Wenn die Folterungen und Massengräber aufgedeckt werden, wenn die Brandstätten, in denen die Leichen der Gefolterten in Kellern verbrannt wurden, abgebaut werden, wenn all dies gefunden und identifiziert wird, wird #Butscha weit weniger schrecklich erscheinen." 16
Lieber @DimitriNabokoff. Das sollte man vielleicht ganz übersetzen, aber es ist sehr lang. Es ist auf Russisch und Ukrainisch vorhanden. Der Journalist ist in Sicherheit in Kyiv. @jcbehrends@MattheusWehowsk
Hier ein Interview mit einem sehr ernsten Ryzhenko in Kyiv. Man kann Untertitel einstellen, funktioniert aber nur wenn er spricht, denn es ist ein typisches mehrsprachiges Interview. Interviewerin fragt Ukrainisch, er antwortet Russisch.
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@TimothyDSnyder wrote convincingly last week: "Although Russia is fascist at the top, it is not fascist through and through. A specific emptiness lies at the center of Putin’s regime. It is the emptiness in the eyes of Russ. officials in photographs...
as they look into a vacant middle distance, a habit they believe projects masculine imperturbability. Putin’s regime functions not by mobilizing society with the help of a single grand vision, as fascist Germany and Italy did..
@TimothyDSnyder hat einen langen philosophischen Text zur #Ukraine im Kontext von Demokratie verfasst. Der Titel spielt auf die weltpolitische Bedeutung an, dass die Ukraine den Krieg gewinnt.
Wir reden gerne bei der Ukraine über Ost & West. Mit der Offensive im Süden verweist Snyder auf die vielen griechischen (& byzantinschen) kulturellen Nachlässe im Süden: "Neben den Juden sind die Griechen die am längsten bekannten kontinuierlichen Bewohner der Ukraine." 1
"Obwohl Russland an der Spitze faschistisch ist, ist es nicht durch und durch faschistisch. Im Zentrum von Putins Regime liegt eine bestimmte Leere. Es ist die Leere in den Augen russischer Beamter auf Fotos, wenn sie in eine leere mittlere Distanz blicken..." 2
#Simonjan hat angefangen Erklärungen zu suchen und schreibt vom "großen Rückzug" von 1915, bei dem die russ. Armee viele westliche Gebiete des Zarenreichs im 1. WK aufgegeben hat. Allerdings weiß man ja, wie das für das Russische Reich endete... @MattheusWehowsk@jcbehrends
Habe den ganzen Text gelesen: Da scheint viel im Fluß, aber diese 4 Punkte sind auffällig: 1. Niederlage normalisieren #Simonjan gibt Erfolge der Ukrainer offen zu, macht sie klein & versucht Niederlagen zu normalisieren. (Nennt sogar US-Rückzug aus Kabul). 2
2. Weitere Ideologisierung des Kriegs #Simonjan verschiebt die Argumente weiter von der Realität des Kriegs und der menschlichen Verluste auf die Ebene des Glaubens und Ideologie ("Krieg der Ideen und Bedeutungen etc.").
[Menschenleben weiterhin unwichtig] 3
"#Mariupol ist der bisher klarste Beweis für R.s Bereitschaft zu humanitären Gräueltaten im Verlauf eines Krieges, der die Ukrainer angeblich vor sich selbst retten soll. Das Theater bietet die schlimmste bekannte Gräueltat der Belagerung...
...und einen unverstellten Blick auf die russ. Motive & Methoden. Es ist schwer vorstellbar, dass die russ. Streitkräfte nicht wussten, was sie taten, als sie das Theater zerstörten, vor dem die vorübergehenden Bewohner das russische Wort für "KINDER" [ДЕТИ]....
Chat with Grebenshchikov in @nzz who clearly opposes war but shows symptomatic political disinterest
"Oh Putin, he doesn't really interest me"
"I don't like to talk about politics, politics is repugnant to me"
"We didn't care about the [Soviet] state"1/4
He shows the widespread apolitical understanding of art, which probably stems from the experiences of the Soviet Union, but which can easily be instrumentalised in the present in Russia: "But you're asking me political questions again - and I'm not a politician, I'm an artist." 2
Interesting point of him: "Today it is even worse! In Soviet times, nobody believed the rhetoric of the party. Everyone knew that everyone was lying to everyone else. And everyone calmly adjusted to it....3
Die Bildungsstätte Anne Frank befragte #Documenta-Besucher zur Kunst & den antisemitischen Bildern. Die Antworten waren bestürzend & entlarvend. Ein wichtiges Gespräch mit Julia Alfandari & Meron Mendel.
Zitate👇1/8 faz.net/aktuell/feuill…#fplus
JA:"Ich bin mit Antisemitismus aufgewachsen, in einer Schicht, die sich durchaus als Mittelschicht bezeichnen würde od. noch höher. Da war Antisemitismus gang & gäbe. Überrascht [hat es mich] nicht, dass Juden zum Sündenbock gemacht wurden für eine in Verruf geratene Documenta."2
JA: "Dass dabei so viele unfassbar verkorkste Annahmen & Anschuldigungen dabei waren. Die ganze Situation hinterlässt eine derart verhärtete Gemengelage, dabei müssten wir uns miteinander auseinandersetzen. Das hätte die Aufgabe dieser Documenta sein können." 3