#longcovid war wohl zu keinem Zeitpunkt der Pandemie emotional so aufgeladen wie es aktuell ist. Je mehr das Thema in die öffentliche Wahrnehmung gerät, desto lauter werden kritische Stimmen. Desto mehr wird gestritten. Zwischen Ärzten, Wissenschaftlern, Verbänden u Institutionen
Immer weniger geht es um Inhalte sondern darum, Recht zu behalten. Die Deutungshoheit zu erlangen. Selten geschieht das zum Wohle derer, um die es eigentlich geht. Betroffene sehen sich zunehmend in einer Verteidigungsposition, in der sie sich mühsam positionieren müssen.
Wie wichtig in dieser Debatte die Art und Weise der Kommunikation ist, erleben wir aktuell. Faktenbasierte seriöse Aussagen sind überlebenswichtig. Alles andere polarisiert die Diskussion in unnötiger Weise.
Beispiel 1 ist für mich die Bundespressekonferenz der vergangenen Woche, für deren inhaltliche Gestaltung der BGM verantwortlich ist. Natürlich ist es richtig, mit einer persönlichen Schilderung einer #postcovid Betroffenen emotionale Nähe zum Thema zu schaffen.
Aus dieser Emotionalität muss allerdings eine Argumentation auf Sachebene erfolgen. Ich habe in den 60 Minuten nichts zu Konzepten für Long COVID Betroffene gehört. Hätte Hr. Lauterbach Nähe zu Betroffenen demonstrieren wollen, wären die von den Initiativen seit Wochen
vorliegenden Konzepte zu Forschung, Versorgung und Kompetenzzentren eine gute Möglichkeit gewesen. Zu diesen hüllt man sich in Schweigen. Stattdessen soll ein individuelles Schicksal einer Kampagne dienen, welches zu dieser dann irgendwie doch nicht so richtig zu passen scheint.
Die nachfolgende Debatte dreht sich nur noch um den Auftritt von M. Stokowski. Es geht in keiner Weise darum, was es bräuchte, um das Problem zu bewältigen. Das ist einerseits sehr schade. Andererseits absolut vorhersehbar. Insbesondere für Macher einer (professionellen) Kampagne
Zu dem, was in der Folge insbesondere hier passiert, bleibt mir nur zu sagen, jede Verteidigung und Positionierung schadet dem Thema nachhaltig, weil es Kritikern eine Bühne bietet, die sie ansonsten niemals bekämen.
Das Spiel zwischen Anklage und Verteidigung erstickt jede inhaltliche Debatte.
Beispiel 2 ist die Debatte um die Positionierung von Hr. Hirschhausen. Auch hier geht es nur noch um seine Person und seine Positionierung, die in meinen Augen berechtigterweise kritisiert wird.
Anstatt das zugrundeliegende Problem konstruktiv aufzugreifen, was abseits einer kritischen Betrachtung seiner Vorgehensweise durchaus möglich wäre, kommt man über die persönliche Kritik nicht hinaus. Man könnte ihn als die Personalisation der Situation sehen,
der sich viele Betroffene ausgesetzt fühlen. Keine Expertise, fehlende Evidenz, mangelnde Versorgung sind Alltag für LC und MECFS Betroffene. Öffentliche Investitionen sind mit 6,5 Mio aus 2021 und 10 Mio für 2022/23 (die in Formalien der Bereitstellung hängen) knapp bemessen.
Sie sollen genügen, um die Folgen von #covid19 zu bewältigen. Wo bleibt die Kritik an der Bemessung der Finanzmittel? Wo bleiben die Zusagen zu Unterstützung aus der Wirtschaft? Wo das Interesse der Kostenträger an evidenten Therapien?
Mir fehlen die konstruktiven Stimmen, die Ideen, die Unterstützung ausserhalb der Betroffenencommunity. Das mittlerweile verzweifelte u immer lauter werdende Anrennen von Betroffenen führt in meiner Wahrnehmung zunehmend zu einer Stigmatisierung dieser Gruppe.
Filme, wie der von @eckivh können helfen, mit Vorurteilen aufzuräumen. Sie können Nähe schaffen und Verständnis erzeugen für eine Erkrankung, für die den meisten glücklicherweise eine eigene Erfahrung fehlt.
Betroffene können dazu beitragen, Aufklärungskampagnen glaubwürdig und erfolgreich zu gestalten. Dazu müssen sich Ziele der Kampagne an Bedarfen orientieren und konkrete Hilfestellungen und Maßnahmen aufzeigen. Dies fehlt nach wie vor an vielen Stellen.

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Oct 19
Kongress Bewegung und Gesundheit des Württembergischen Leichtathletik Verbandes e.V. am vergangenen Wochenende in Ludwigsburg

Unter dem Titel „Genesen, aber nicht gesund“ durfte ich vor Trainern des Verbandes über #covid19 und #longcovid sprechen.

wlv-sport.de/home/details-w…
Es ging um erfolgreiche Konzepte zur Rückkehr in den gewohnten Trainingsalltag nach COVID-19. Besonderes Augenmerk: Erkennen und Respektieren der gestörten Belastungstoleranz #PEM.
Ich glaube, Sportvereine und -verbände sind eine gut geeignete Zielgruppe für die Problematik. Image
Sportler und Trainer sind es gewohnt, mit Parametern der Leistungsfähigkeit umzugehen und diese neben dem subjektivem Befinden des Sportlers in die Trainingssteuerung einzubeziehen. Diese Denkweise kann für Betroffene einer postviralen Fatigue/PEM extrem wertvoll sein.
Read 7 tweets
Sep 13
Die typische Beschreibung des chronischen Verlaufes #LongCovid an der einige Dinge sehr schön klar werden. Die Beschreibung der Beschwerden ist nahezu klassisch. Konstellation aus Luftnot bei Belastung, körperlicher Leistungsknick, Herz“Probleme“ und
Kognitive Probleme, die erst verzögert einsetzen. Standarduntersuchungen unauffällig. Wird schon weggehen. Wegen fehlender Befunde und „wird schon weggehen“ erfolgen keine ärztlichen Konsultationen mehr. Somit auch keine Diagnose U09.9 (#postcovid)
Eine Einschränkung der Berufsfähigkeit besteht, ist aber unsichtbar. Somit ist dies einer der viele Fälle, die unter dem Radar laufen. Es ist aber auch ein Betroffener, der mögliche symptomatische Therapien nicht erhält, weil die Expertise in der Versorgung fehlt.
Read 4 tweets
Sep 8
Ich kann es mittlerweile nachvollziehen, dass der „mündige“ Bürger keinen Anlass mehr sieht, sich und andere vor COVID zu schützen.
Kommunikation auf Bundesebene:
Masken in Schulen helfen ab einer bestimmten Zahl an erkrankten Lehrern. Getragen von Lehrern, nicht von Schülern.
In Flugzeugen gibts keine Übertragung, in Bus und Bahn schon.
Angestellte in Arztpraxen besitzen einen natürlichen Schutz, sie brauchen keine Maske. Patienten sind vulnerabel. Daher benötigen sie die Maske.
Wer soll bittesehr die zugrundeliegenden Gedankengänge nachvollziehen?
Wo liegen die Logik und wissenschaftliche Basis der Maßnahmen? Man kann nicht viel offensichtlicher darstellen, dass es sich um ein Geschachere parteipolitischer Interessen jenseits von Inhalten handelt. Das Ergebnis ist, dass der Kontakt zu den Menschen völlig verloren geht.
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Sep 6
Heute erscheint mein Buch.
Damit verbunden sind für mich eine gewisse Aufregung, aber auch Stolz nach knapp 2 Jahren des eigenen Weges mit Long COVID ein wenig von dem zurückgeben zu können, was ich hier und an anderen Stellen tagtäglich mitnehme.

claudia-ellert.de/longcovid-buch/
Das Buch vereint meine eigenen Erfahrungen und die einer Vielzahl von Betroffenen. Der Twitter- Austausch spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Egal ob mit Betroffenen oder Kollegen trägt er dazu bei, offen zu sein, eigene Denkstrukturen zu verlassen und diese immer wieder
auch zu überprüfen. Das Netzwerk, welches aus dem Austausch hier entstanden ist, ist sensationell und es ist tragfähig. Es geschieht vieles in die richtige Richtung. Auch wenn das in der Öffentlichkeit nicht immer so wahrzunehmen ist.
Read 9 tweets
Aug 31
Im Grunde ist man geneigt, der Art und Weise wie mit dieser Studie mediale Präsenz gesucht wird, nicht noch zusätzlichen Raum zu geben.
Nichtsdestotrotz erfordern die Ergebnisse eine etwas breitere Diskussion als sie innerhalb der Auswertungen vorgenommen wurden.
Ein Teil der Antworten, warum die Ergebnisse relativ wenig aussagekräftig sind, liegt bereits im Titel: Veränderungen des Nervensystems. Wobei zunächst anzumerken ist, dass es sich bei der Betrachtung um das zentrale und das periphere NS handelt.
Diagnostisch hat man sich des neurologischen Standard-Repertoires bedient. Nichts besonderes also. Störungen des vegetativen NS wie sie bei #PostCovid im Vordergrund stehen, wurden diagnost. ignoriert. In der Einleitung erwähnt man kurz Sympathikusaktivierung und belässt es dabei
Read 8 tweets
Aug 12
Danke für Ihre ausführliche Antwort Herr @haake_daniel ,
zunächst würde ich dem Recht auf Freiheit gern das Recht auf Gesundheit/körperliche Unversehrtheit gegenüber stellen. Um dies in der Abwägung beantworten zu können, muss man sich, wie von Ihnen richtig angemerkt,
mit der Krankheitslast auseinandersetzen, die im konkreten Fall durch SARS-CoV-2 ausgelöst wird.
An dieser Stelle hängt sich die Kontroverse dann ja im Grunde auf. Da können wir jetzt wieder über ungenügende Evidenzen, Daten u.ä. sprechen. Das hilft uns aktuell wenig weiter,
weil diese Debatte in meinen Augen verhindert, inhaltlich zu diskutieren. Ihre Argumentation beruht als Kriterium für die Krankheitslast auf Fällen durch schwere Verläufe (Hospitalisierung, Tod). Das ist meines Erachtens ein grundlegender Fehler in der Betrachtung
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