„Wann schlagt ihr zurück?“, „Macht ihr Kampfsport?“ oder „Was hältst du von #LinaE?“ sind wohl die am häufigsten gestellten Fragen nach meinen Lesungen von „Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen Rechts“. Hier der Versuch einer Antwort. (1/x)
Als ich mit meinen Mitstreiter*innen in #Sachsen aktiv wurde für Klimagerechtigkeit, Antifaschismus und Menschenrechte dachte ich nicht daran eines Tages mit diesen Fragen konfrontiert zu sein. Heute sind diese Fragen dauerpräsent. (2/x)
Sie werden von Renter*innen, Linken, Schüler*innen oder Familienmitgliedern gestellt. Von allen. Der Grundtenor dieser Fragen: „Deine Schilderungen von rechter Gewalt geben mir kein Gefühl von Sicherheit. Habt ihr schonmal daran gedacht euch selbst zu verteidigen?“ (3/x)
Hier fällt die Antwort leicht. Nach Angriffen, Bedrohungen, Beleidigungen oder einem Nazi-Mob vor einer deiner Lesungen wächst das Wissen darum, dass man als Antifaschist*in nicht sicher ist. Ganz zu schweigen von dem was Geflüchtete oder queere Menschen vor Ort erleben. (4/x)
Verstehe ich also Aktionen von militanten Antifaschist*innen? Kann ich nachvollziehen, was sie dazu bringt militante Mittel zu wählen? Von NeoNazis bedroht zu werden, macht etwas mit einem & was wäre ich nur für ein Lügner, wenn ich diese Frage mit „nein“ beantworten würde. (5/x)
Wo die AfD in Umfragen bei 30% steht, wo NeoNazis Andersdenkende terrorisieren oder wo ein Staat und Behörden sichtbar werden, die rechten Terror relativieren oder selbst Teil der Netzwerke sind, da bleibt mir nichts anderes übrig als militanten Antifaschismus zu verstehen. (6/x)
Vielleicht trauen sich die wenigsten das auszusprechen. Doch ich denke, dass man nichtmal selbst von dieser Gewalt betroffen sein muss, um Menschen zu verstehen, die sich auch mit anderen Mitteln dem #Rechtsruck entgegenstellen wollen. Es als ihre Pflicht sehen. (7/x)
Historisch gilt militanter Antifaschismus ja sogar häufig als Konsens, mit dem Slogan der wehrhaften Demokratie wird sogar oft umsich geworfen, wie mit Konfetti auf einem Kindergeburtstag. Doch was steht dahinter? (8/x)
Sich z.B. im #Erzgebirge gegen NeoNazis zu engagieren, hat fast zwangsläufig zur Folge, dass man von Bedrohungen betroffen ist. Benennt man das oder zweifelt man gar an, dass der Staat dieser Gewalt vielleicht nicht gewachsen ist, gilt man schnell als linksextrem. (9/x)
Wer auch nur über Militanz sprechen möchte, wird beinahe sofort gecancelt und verliert primär durch die Verbreitung der Hufeisentheorie häufig sofort jegliche politische Daseinsberechtigung im Milieu derer, die zuvor noch oft die wehrhafte Demokratie hochhielten. (10/x)
Dieses Vorgehen halte ich aus historischen Gründen für falsch. Denn wenn es demokratischer Konsens ist, dass die Nationalsozialist*innen in Deutschland nur mit Gewalt gestoppt werden konnten, was folgern wir dann daraus? Ich erkenne zwei Antwortmuster: (11/x)
1. Der Nationalsozialismus ist besiegt, wir leben in einem Rechtsstaat und jede Form der antifaschistischen Selbstorganisierung ist antidemokratisch. 2. Die Gefahr des Nationalsozialismus war niemals gebannt, auf Staat und Behörden sollten wir uns nie blind verlassen. (12/x)
Gehen wir von der zweiten, für mich schlüssigeren Logik aus, dann frage ich mich, wann der Punkt erreicht ist, an dem wir historisch begründet über militanten Antifaschismus nachdenken sollten? Im Finden einer Antwort bin ich hin- und hergerissen. (13/x)
Doch durch angegriffene Geflüchtetenunterkünfte, bedrohte Kommunalpolitiker*innen und vieles mehr kommen wir diesem Punkt näher. Demokratievereine, Geflüchtete, Antifaschist*innen, queere Menschen - alle denken darüber nach, doch die Antworten sind oft tabuisiert. (14/x)
Es ist es schon interessant, dass auf militante Angriffskriege von bürgerlichen Kräften im Konsens mit Gegengewalt reagiert wird, während auf militanten Neonazismus häufig Relativierung, Wegsehen oder die Gleichsetzung von Gegengewalt mit rechter Gewalt folgt. (15/x)
Ich frage mich ernsthaft, wie lange wir diese Debatten noch tabuisieren sollten und wie man reinen Gewissens weiter und weiter ein Bild von einem vermeintlich nazifreien Deutschland zeichnen kann, dass tagtäglich mit einer gewaltvollen Realität widerlegt wird? (16/x)
Verstehen wir uns nicht falsch: Nichts wünsche ich mir mehr als eine gewaltfreie Gesellschaft. Doch diese Gesellschaft ist schon jetzt nicht gewaltfrei. NeoNazis morden, fossile Konzerne sorgen mit ihrer Profitgier für Klimageflüchtete, Hunger und Vertreibung. (17/x)
Währenddessen wird Antifaschsimus kriminalisiert und Gewalt gegen militante NeoNazis mit rassistischer und ausbeuterischer Gewalt gleichgesetzt. Mir widerstrebt das aus vielen Gründen, doch primär aus den historischen. (18/x)
Natürlich ist all das keine allumfängliche Wahrheit aber ich habe Angst. Angst vor dem Rechtsruck. Angst vor dieser faschistischen Normalisierung und Angst vor der Klimakrise und das sind meine ehrlichen Gedanken und Gefühle. (19/x)
Ich finde, dass die Kriminalisierung von Antifaschismus in dieser abstrusen Form zu weit geht. Würden NeoNazis friedliche Dinge tun, würden sie keine Gefahr darstellen, könnten wir neu verhandeln aber das ist nunmal nicht die Realität. (20/x)
Also ja, wenn ich an rechte Gewalt denke, dachte ich auch schon manchmal darüber nach wie es wäre zurückzuschlagen. Auch an Kampfsporttraining habe ich schon gedacht. Spätestens wenn man vergleicht, wie weit NeoNazis gehen können, wird das heutige #Urteil zum Fehler. (21/x)
Wer uns deswegen plump als linksextrem diffamieren möchte - bitteschön, aber dann lebst du hinterm Mond, hast dich in #Sachsen noch nie gegen Faschos positioniert, bist privilegiert und hast auch sonst keine Ahnung bzw. in Geschichte nicht aufgepasst. (22/x)
Denn wie Team Scheisse schon sagte: „Bist du Anti-Antifa, bist du Fa!“ Und dabei sollte klar sein, dass ich es tragisch finde über Gewalt nachdenken zu müssen und dass ich es unsäglich falsch finde, wenn Gewalt fetischisiert wird. (23/x)
Doch aus antifaschistischer Perspektive, aus einer Perspektive ausgehend von wehrhafter Demokratie und Menschenrechten sollten wir zumindest über all das sprechen und nicht den historischen Fehler begehen Antifaschist*innen mit Faschist*innen gleichzusetzen. (24/x)
Das als kleiner Kommentar oder Diskussionsanstoß. Weitere Informationen zum Urteil, der Verhandlung und dem Demonstrationsgeschehen am Wochenende in #Leipzig unter anderem bei @KatharinaKoenig, @JKasek oder @tazAntifa. (25/x)
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Noch am 28.03.2023 schrieb die @freie_presse nach einem extrem-rechten Protest vor der Unterkunft in #Zwickau: „Man werde so lange wiederkommen, bis das Projekt Asylbewerberheim beendet sei, kündigt ein Redner an.“ (1/4)
Ich will deren Drohungen eigentlich absolut nicht reproduzieren, fühle mich aber verpflichtet aufzuzeigen, wie Ernst die Extreme-Rechte es damit scheinbar meint. Jetzt hat zum Glück noch niemand in diesem Block gewohnt. (2/4)
Doch was passiert, wenn’s nicht mehr um kaputte Heizungssysteme sondern um Menschen geht? Wo bleibt der Plan, um diesen unsäglichen #Rassismus künftig zu verhindern? Wie kann es sein, dass es vor Ort noch nichtmal geschafft wurde ein verurteilendes Statement abzugeben? (3/4)
Das Statement der Städtischen Verkehrsbetriebe #Zwickau. Es ist voll von Relativierung oder dem Verweis auf‘s Private und endet mit leerer Phrase: „Auch wir möchten, dass Zwickau als weltoffene und friedvolle Stadt wahrgenommen wird.“ Meine Antwort in den folgenden Tweets. (1/6)
Wenn Ihnen wirklich am Herzen liegt, dass Zwickau als weltoffene und friedvolle Stadt wahrgenommen wird, dann müssen sie Ihren Worten Konsequenzen folgen lassen. Es geht hier übrigens auch nicht um das „private Handeln von Herrn Uhlmann“, sondern um das, was er… (2/6)
…öffentlich auf seiner Website, auf Instagram und auf Facebook geteilt hat und das sind nunmal Dinge, die dem Zwickau als einer „weltoffenen und friedvollen Stadt“ widersprechen, für jeden einsehbar. Worüber ich schreibe, ist nicht geheim. (3/6)
Runenschrift und ein rotes eisernes Kreuz - nicht irgendwo, sondern auf Bussen der Städtischen Verkehrsbetriebe #Zwickau. Seit Jahren fahren diese Busse hier und der Inhaber des beworbenen Tatoo-Studios zeigt sich währenddessen mit Kriegswaffen in Tschechien. (1/5)
Heiko Uhlmann ist Besitzer eines Tattoo-Studios, postet auf Facebook fleißig AfD-Beiträge und propagiert neonazistische Slogans, wie „white lives matter“. (2/5)
Er tätowiert eine schwarze Sonne, einen Messermann mit Reichsadler-Mütze oder Manfred von Richthofens, deutscher Pilot im ersten Weltkrieg: „Der rote Baron“. All das ist für Zwickau anscheinend wenig bedenklich. Denn die Busse fahren bis heute. Stand 18.03.2023. (3/5)
#Zwickau. Polenzstraße. Fast sieben Jahre lebte das NSU-Kerntrio hier. Gestern fand das vierte Dialogforum der Stadt zur „Aufarbeitung“ statt. Heute sah ich vor dem ehemaligen Wohnort wieder Sticker des III. Wegs. Die NeoNazis sind noch da. Sie feiern den NSU. Ein Thread. (1/10)
Das gestrige Dialogforum im Rathaus stand unter folgender Fragestellung: „Wie sollte Erinnerungskultur in Zwickau aussehen?“ So wurde gestern eine Machbarkeitsstudie zu einem möglichen Dokumentationszentrum vom @RAASachsen und dem @ASA_FF_eV vorgestellt. (2/10)
Viele Anwesende reagierten mit Stirnrunzeln. Eine Mehrheit im Zwickauer Stadtrat ist für ein solches Zentrum aktuell wohl kaum vorstellbar. Ängste über Image, dass an den Bürger*innen vorbei entschieden würde oder die Haltung des Wegwischens bestimmen den Diskurs. (3/10)
In #Afghanistan verschärfen die Machthaber die Scharia:
„Mit ihrer Anordnung, nun Scharia-Körper- und -Amputationsstrafen anzuwenden sowie auch bei Protest Hinrichtungen zu ermöglichen, setzt die Taliban-Führung einen neuen Tiefpunkt.“ @thruttig (1/7)
Doch die Entrüstung darüber sollte nicht über die Rolle des „Westens“ hinwegtäuschen:
„Entrüstung über diese schrecklichen Bestrafungen ist mehr als angebracht, allerdings keine allzu leichte Erhebung darüber. (2/7)
Im Westen sollte man daran denken, dass man über Gräueltaten nicht erhaben ist. Gerade musste die britische Armee zugeben, dass sie bei Operationen im Afghanistankrieg mehr Kinder getötet hat als bisher bekannt.“ @thruttig (3/7)
Gestern Abend fand die zweite Veranstaltung der Dialogreihe zur Aufarbeitung des NSU-Komplexes in #Zwickau statt. Ein Thread mit ein paar Gedanken dazu. #keinschlussstrich (1/15)
Diskutiert werden sollte darüber welche bzw. wessen Perspektiven auf den NSU-Komplex wichtig sind und wie unterschiedliche Sichtweisen zusammengebracht werden können, um eine gemeinsame Erinnerung und Aufarbeitung zu ermöglichen. (2/15)
Die Veranstaltung begann mit einem Input von Barbara John, Ombudsfrau der Bundesregierung für die Angehörigen der Ermordeten im NSU-Komplex. John bemängelte u.a., dass NSU-Unterstützer wie André Eminger mittlerweile wieder in Zwickau leben… (3/15)