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Sep 10, 2020 17 tweets 3 min read Read on X
An Orten, an denen ich es nicht erwartet und für möglich gehalten habe, wurde mir besagter FAZ-Beitrag als 'diskussionswürdig' empfohlen. Das ist er aber nicht. Ein (langer) Thread 1/x

FAZ erfindet "Transgenderpropaganda" in Kitas queer.de/detail.php?art…
Der Artikel verbindet anhand von eklektischen Beispielen über Transgeschlechtlichkeit die Frage nach einer diversitäts- und geschlechtersensiblen Bildung in deutschen/berliner Kitas. Dies für sich genommen ist schon höchst fragwürdig. 2/x
Aufreger ist ein Medienkoffer „Familien und vielfältige Lebensweisen“, der die Vielfalt von Familien darstellen möchte und hierzu Kinderbücher bereitstellt. Ich frage mich ernsthaft: Was ist hierbei das Problem? 3/x
Im Text wird suggeriert, dass Kinder – auch hier macht der Beitrag wieder einen Sprung und schwenkt über zur Sexualerziehung von älteren Schüler_innen – mit Themen konfrontiert werden, die sie überfordern. Dies ist der Kern dieser – grundfalschen! – Argumentation... 4/x
..., denn Kinder werden ständig mit normativen Vorstellungen über Geschlecht, Familie und Sexualität konfrontiert. Denn ob sie dies wollen oder nicht, wird Heteronormativität durch Alltagspraxen auch in Bildungseinrichtungen wie Kitas verfestigt und neu hergestellt. 5/x
Die FAZ-Autor_innen beklagen ein vermeintliches ‚Zuviel‘ an Geschlecht, Diversität und Sexualität in Kitas und ich frage mich, über welche Erfahrung sie verfügen. Denn Alltag in Kitas, aber auch der Mainstream von Vorschul- und Kindergartenbüchern sieht heteronormativ aus. 6/x
Es ist FÜR ALLE KINDER wünschenswert, wenn in deutschsprachigen Bücher und Fernsehserien mehr Diversität einziehen würde. Jedes zweite Kind in den Büchern heißt Ben oder Laura, kein einziges aber Canan oder Selim... 7/x
...die Familien sind alle heterosexuell, die Mütter kümmern sich um alles, dargestellt werden nur weiße Mittelschichtsfamilien für die Geld kein Problem ist. (Wer sich selbst über die Misere ein Bild machen möchte, dem empfehle ich eine Folge „Meine Freundin Conny“. 8/x
Die Lebensrealität von so vielen Kindern findet sich im Mainstream der Bücher nicht wieder. Und *spoileralert* es geht auch munter so weiter. Das betrifft Geschichten und Sachbücher, in denen es z.B. einfach keine Naturwissenschaftlerinnen gibt. Wissenschaft ist männlich. 9/X
Deshalb ist es uneingeschränkt begrüßenswert, dass es zumindest EINEN! Koffer mit Büchern in Kitas gibt, in denen andere Lebensentwürfe die Hauptrolle spielen. Zumal in den Kitas, oft keinerlei Sensibilität für die Themen Geschlecht und Bildung/Sozialisation existiert... 10/x
...und ich es schon oft erlebt habe, dass Erzieherinnen Geschlechterstereotype verstärken (z.B. in Projektthemen, die „Ritter- und Burgfräuleinzeit“ genannt werden, anstatt „Leben auf der Burg“ oder in Aussagen wie: „Endlich haben wir wieder mehr Mädchen in der Gruppe,... 11/x
... dann ist die Atmosphäre gleich viel sozialer!“).
Der Artikel so tut, als würden sich Kinder jenseits einer vermeintlich „schlimmen und überfordernden Konfrontation mit Diversität“ in einer Blase der Unschuld befinden und das ist a) einfach falsch... 12/x
... und b) auch anschlussfähig an rechtspopulistische Diskurse über Geschlecht. Dabei ist es ein geradezu paradigmatischer Topos, zu argumentieren, Gleichstellungsbemühungen hätten vollkommen das Maß verloren, sich vom „eigentlichen“ Ziel entfernt und würden „übertrieben“. 13/X
Hierfür wird dann trans* Identität ins Feld geführt und/oder behauptet die Anliegen würden einfach nicht freundlich/neutral/‘objektiv‘ genug vorgetragen. Solche Vorwürfe sind nichts neus, sondern stellen sich in eine Tradition, Frauen* zu diffamieren, u.a. als hysterisch... 14/x
Ich halte es für falsch, Fragen von Repräsentation und Vielfalt, wie dies der Artikel suggeriert, als ‚Minderheitenthemen‘ oder ‚Identitätspolitiken‘ zu labeln, die zum ‚großen Ganzen‘ nichts beizutragen haben. 15/x
Damit geht man rechtspopulistischen Ideologien auf den Leim, und man verkennt zugleich die Bedeutung einer Politik der Anerkennung, die dem Kampf gegen soziale Ungleichheit nicht entgegensteht, sondern parallel geführt werden muss. 16/x
Um in einer pluralen Gesellschaft partizipieren zu können, ist Sichtbarkeit – und die Anerkennung und Repräsentation eigener Lebensentwürfe ‚jenseits des Mainstreams‘ unerlässlich. 17/17

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