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Sep 16, 2020 ‱ 47 tweets ‱ 24 min read ‱ Read on X
Morgen wird im Rahmen eines Live-Streams đŸŽ„ die Studie “Zwischen Tabu und Toleranz” đŸłïžâ€đŸŒˆ vorgestellt. Es geht um den Umgang mit #homosexuellen #Soldat|en in der #Bundeswehr. Dazu haben wir ein paar Eckdaten der #Vergangenheit zusammengetragen.
@akk @bmvg_bundeswehr @BundeswehrGI
Die Studie findet ihr hier: zmsbw.de/html/aktuelles

Unzucht zwischen MĂ€nnern
1955 wurde die Bundeswehr gegrĂŒndet. HomosexualitĂ€t war eine Straftat. §175 bestrafte Homosexuelle mit GefĂ€ngnis. Die Bundeswehr verfolgt Schwule strikt und entlĂ€sst betroffene Soldaten.
1969: Strafrechtsreform
@BMVg_Bundeswehr fordert indirekt eine “Lex Bundeswehr”. Homosexuelle Handlungen sollen in der #Bundeswehr strafbar bleiben. Der Antrag wird vom Ausschuss abgelehnt.
Aufatmen können schwule Soldaten trotzdem nicht. Im Alter zwischen 18 und 21 Jahren bleibt HomosexualitÀt eine Straftat. Die meisten Wehrpflichtigen fallen in dieses Alter. Sie werden weiterhin verfolgt.
Psychatrische Gutachten
Auch Bundeswehr-Psychologen beschĂ€ftigen sich mit HomosexualitĂ€t. Vor allem, da Schwule zu teils menschenunwĂŒrdigen Untersuchungen gezwungen werden. “Experte” auf dem Gebiet ist OFA Dr. Brickenstein.
1966 schreibt er: »Homosexuell pervertierte MĂ€nner sind fĂŒr den Wehrdienst [...] untauglich. Werden solche MĂ€nner [...] zu Unrecht als Soldat eingestellt, so mĂŒssen sie nach Offenbarwerden ihrer Perversion [...] als verwendungsunfĂ€hig beurteilt und [...] entlassen [...] werden.«
1969-1980 wurden homosexuelle Soldaten auf Grund “gesundheitlicher GrĂŒnde” aus der Bundeswehr entlassen
Es galt “HomosexualitĂ€t ist eine Krankheit”.

#SanitÀtsdienst @SanDstBw @InspekteurSan
Zwar wurden nach 1980 homosexuelle Soldaten nicht mehr aus medizinischen GrĂŒnden entlassen, aber sie sind trotzdem nicht in dieser ErwĂŒnscht.
Bis 1982 war HomosexualitÀt ein Ausmusterungsgrund.
Die #Kießling-#AffĂ€re
1983 kommt das GerĂŒcht auf, dass General Kießling, Stv. Oberbefehlshaber der @NATO, #schwul ist. #MAD und Kölner Polizei bemĂŒhen sich um Beweise. Sie befragen Homosexuelle in Köln.
“GĂŒnther oder JĂŒrgen”
So identifizierten zwei Personen ein Bild vom General. FĂŒr den MAD Beweis genug. Kießling wird vom ehemaligen @BundeswehrGI Wolfgang Altenburg ins @BMVg_Bundeswehr einbestellt. Seine “sofortige Krankmeldung” wird vereinbart.
Eigentlich wurde die Zurruhesetzung zum MĂ€rz ’84 vereinbart. Ein StaatssekretĂ€r drĂ€ngt auf ein frĂŒheres Datum. Am 23.12.83 nimmt Kießling seine Entlassungsurkunde entgegen. Kurz zuvor beantragt er ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst - zur KlĂ€rung der VorwĂŒrfe.
Der Fall Kießling wird zur #AffĂ€re. Medien und Bundestag schalten sich ein. Die AffĂ€re wurde schließlich vom #Bundeskanzler Kohl beendet. Kießling wurde zum 01. Februar 1984 wieder eingestellt und anschließend mit großem Zapfenstreich verabschiedet.
Der Schaden blieb. 1985, zum 30. Geburtstag der #Bundeswehr, war Kießling der einzige 4-Sterne-General, der nicht eingeladen wurde. Von anderen Generalen wird er gemieden. Die HomosexualitĂ€t des Generals hat sich nie bewiesen. Das GerĂŒcht reichte zur Zerstörung der Karriere.
Mit dem Fall Kießling 1983/84 und der öffentlichen Debatte dazu begann sich jedoch etwas zu Ă€ndern.
Dem kam das @BMVg_Bundeswehr voraus. 1984 wird ein Erlass veröffentlicht.
“Er muß eine Verwendung erhalten, in der er nicht mehr unmittelbarer Vorgesetzter von vorwiegend jĂŒngeren Soldaten ist.”
Der Erlass zeigt die damaligen #Vorurteile gegenĂŒber #Homosexuellen. Bis hin zum indirekten Vorwurf einer möglichen Misshandlung.
Offiziere & Unteroffiziere wurden nicht befördert. Auch eine dienstliche Förderung, die Übernahme als Berufssoldat oder DienstzeitverlĂ€ngerungen wurden ausgeschlossen. Homosexuelle durften weder Ausbilder, noch Vorgesetzter sein. De facto ein BerufsverbotđŸš« bis ins Jahr 2000.
In den 90er Jahren wurde „BASS“, der Bundesweite Arbeitskreis Schwuler SoldatenđŸłïžâ€đŸŒˆ, aktiv. Er setzte sich fĂŒr die Aufhebung der staatlichen Diskriminierung einđŸ’ȘđŸŒ. Soldaten sollen aufgrund ihrer Eignung und nicht aufgrund der sexuellen Orientierung beurteilt werden.
Ein “Jawohl” zerstört eine Karriere.
1998 fragt der Staffelchef seinen ZugfĂŒhrer des @Team_Luftwaffe ob er homosexuell sei. Seine Antwort: “Jawohl!”. Sie bezeichnet den Beginn eines jahrelangen Kampfes um #Anerkennung und #Respekt.
Der ZugfĂŒhrer, Leutnant Stecher, wird vom Batallionskommandeur befragt und er bestĂ€tigt erneut seine sexuelle OrientierungđŸłïžâ€đŸŒˆ. Der #Offizier, geschĂ€tzt von seinen Untergebenen, erhĂ€lt von selbigen RĂŒckendeckung. Sie schreiben einen Brief und attestieren ihrem Chef ihre Akzeptanz.
Ohne Erfolg. Nach Meldung an die Personalstelle wird Leutnant Stecher zwangsversetzt. UnterstĂŒtzt vom @DBwV klagt der Betroffene gegen @BMVg_Bundeswehr. Die Aussagen aus seiner Einheit wĂŒrden seine Eignung als Vorgesetzten bestĂ€tigen. Die Erwiderung des #BMVg:
»Homosexuelle eigneten sich nicht uneingeschrÀnkt als militÀrische Vorgesetzte, da das Bekanntwerden ihrer HomosexualitÀt die Minderung der dienstlichen AutoritÀt in der Vorgesetztenposition zur Folge haben könne.«...
...»Eine sich daraus ergebende mögliche GefĂ€hrdung der Einsatzbereitschaft der StreitkrĂ€fte mĂŒsse der BMVg nicht hinnehmen.«
Die Richter am Bundesverwaltungsgericht geben dem @BMVg_Bundeswehr recht. Homosexuelle dĂŒrfen von der Bundeswehr diskriminiert werden. Wieder unterstĂŒtzt der @DBwV und reicht mit Stecher Klage beim @BVerfG ein.
Personalabteilung im Jan 2000: »Trotz Wandels der gesellschaftlichen Anschauungen zur HomosexualitÀt [...] stellen die mit einer gleichgeschlechtlichen Veranlagung von Soldaten verbundenen VerwendungseinschrÀnkungen nach wie vor einen grundsÀtzlichen Eignungsmangel dar.«.
Das @BVerfG erwartete eine Stellungnahme aus dem @BMVg_Bundeswehr. Das #BMVg war sich sicher: Homosexuelle können nicht uneingeschrĂ€nkt Vorgesetzte sein. “TSK-Haltung betonhart - Beibehaltung bisheriger Policy”
@InspekteurSan @Inspekteur_Heer @chiefdeunavy @Team_Luftwaffe @cirbw
Die Causa #Stecher erreichte die politische Dimension. Am 23. MĂ€rz 2000 fragt GĂŒnter Nolting der @fdpbt den Verteidigungsminister nach der #Diskriminierung homosexueller Soldaten. Dieser kĂŒndigte eine streitfreie Beilegung des Falls an.
“Über den Einzelfall hinaus” beabsichtige Scharping, “einen Verhaltenskodex zu erlassen, der jeden Automatismus aufgrund der bloßen Tatsache einer sexuellen Orientierung ausschließt, der jede Form von #Diskriminierung wegen einer sexuellen Orientierung sanktioniert.”
27. MĂ€rz 2000
In der Leitungsrunde sprechen sich alle Inspekteure gg. die ZurĂŒckversetzung von Stecher aus. Die Frist des @BVerfG lĂ€uft 3 Tage spĂ€ter ab. Der Minister ĂŒbergeht die MilitĂ€rs. Er weist die Klaglosstellung an. Die Angst vor einer Niederlage in Karlsruhe war zu groß.
3 anhĂ€ngige Verfahren wurden „klaglos gestellt“. Eine höchstrichterliche Entscheidung des @BVerfG wurde abgewendet. Trotzdem war klar: der Erlass von 1984 kann keinen Bestand mehr haben. Am 03. Juli 2000 hob das #BMVg den Erlass auf. Die staatliche Diskriminierung war beendet.
Wenige Wochen spĂ€ter stimmte der #Bundestag einer GrundgesetzĂ€nderung zu. Nach Klage von Tanja Kreil (unterstĂŒtzt vom @DBwV), war der Bundestag gezwungen Frauen in die Bundeswehr einzustellen. Am 02. Januar 2001 öffnete sich die Bundeswehr, diesmal auf Druck des #EuGH fĂŒr Frauen.
Im Dezember 2000 erlĂ€sst General Kujat, damaliger @BundeswehrGI, die „FĂŒhrungshilfe fĂŒr Vorgesetzte - Umgang mit SexualitĂ€t“. Sie verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung.
Im August 2001 wird die Lebenspartnerschaft eingefĂŒhrt. Es soll drei weitere Jahre dauern bis eine eingetragene Lebenspartnerschaft auch in das Personalsystem der Bundeswehr eingetragen werden kann.
2002 wird der “Arbeitskreis Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr” gegrĂŒndet. Der AHsAB setzte sich seitdem fĂŒr die Rechte queerer Angehöriger der Bundeswehr ein. Er ersetzt den zuvor aufgelösten BASS. Dieser hatte sein Ziel der Öffnung der Bundeswehr fĂŒr Homosexuelle erreicht
Im August 2006 tritt neben dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auch das Soldatinnen und Soldaten Gleichbehandlungsgesetz (SoldGG) in Kraft. Es verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund der sexuellen IdentitÀt im Dienst.
Die Charta der Vielfalt (@ChartaVielfalt) wird 2012 vom StaatssekretĂ€r Kossendey unterzeichnet. Die #Bundeswehr verpflichtet sich damit zu Offenheit und #Toleranz gegenĂŒber Menschen mit anderer sexuellen Orientierung oder IdentitĂ€t.
Nach dem Outing von @ThomasHitz wird HomosexualitÀt in der #Bundeswehr medial aufgegriffen. Nach Berichten von Zeitungen, greift auch das Y-Magazin das Thema auf. Ein sechs-seitiger Bericht entsteht.
Am 31.1.2017 wird die Studie “Tabu und Toleranz” von Ursula @vonderLeyen, wĂ€hrend der Tagung “Sexuelle Orientierung und IdentitĂ€t in der Bundeswehr”, in Auftrag gegeben. Die Tagung war das erste klare Bekenntnis der FĂŒhrung zu queeren Rechten in der #Bundeswehr.
Der #AHsAB unterstĂŒtzt mit seinem damaligen Vorsitzenden Marcus Otto die Veranstaltung im Workshop & auf dem Podium. In den folgenden GesprĂ€chen nimmt der Verein dauerhafte Arbeitsbeziehungen mit Dienststellen, dem Ministerium & der*m Wehrbeauftragten auf. @EvaHoegl @BundeswehrGI
Immer wieder stellt sich die Forderung nach einer Rehabilitierung homosexueller Soldaten. Auch nach dem #StrRehaHomG wird dieser Wunsch abgelehnt. Mit Verweis auf das @BMI_Bund kann dem Antrag auf Rehabilitierung nicht entsprochen werden.
Ein betroffener Soldat, der 1962 aus der #Marine aufgrund seiner #HomosexualitÀt entlassen wurde, schreibt an @vonderleyen. Sie lehnt die Rehabilitierung des diskriminierten Mannes ab. Auch eine Intervention seines Bundestagsabgeordneten @MetinHakverdi bringt keinen Erfolg.
Mehrfach gibt es Anfragen der Opposition im Bundestag zur Rehabilitierung homosexueller Soldaten. Immer wieder lehnt das #BMVg die Forderung ab. Eine Aufarbeitung sei nicht Teil des Regierungsprogramms.
Am 02. MĂ€rz 2020 wiederholt der AHsAB seine Forderung nach Rehabilitierung bei einem Termin mit @akk. Diese verkĂŒndet die Kehrtwende. Das @BMVg_Bundeswehr wird ein Gesetz zur #Rehabilitierung erarbeiten. Das vergangene Unrecht soll fast 20 Jahre spĂ€ter aufgearbeitet werden.
@AnaBiefang leitet die Arbeit unseres Vereins mit der Abteilung Recht. Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des Vorstands werden in mehreren Arbeitstreffen die Eckpunkte des Gesetzesentwurfes erarbeitet. @QueerBw blickt dabei auf eine positive und konstruktive Zusammenarbeit zurĂŒck
20 Jahre nach der Abschaffung des diskriminierenden Erlasses entschuldigt sich @akk öffentlich. Zudem wird die heutige Veranstaltung angekĂŒndigt.
„Es ist eine große Genugtuung, dass sich die @BMVg_Bundeswehr jetzt noch bei den #Soldat|en, die diskriminiert wurden, entschuldigt.“, sagt Dierk Koch, der 1962 unehrenhaft entlassen und degradiert wurde.
Seit 2020 heißt der AHsAB nun QueerBw. Wir werden weiter mit dem @BMVg_Bundeswehr gegen Diskriminierung innerhalb der StreitkrĂ€fte zusammenarbeiten. Dazu freuen wir uns ĂŒber die gute Zusammenarbeit mit @BundeswehrGI, @EvaHoegl, @akk und vielen Weiteren.
VIELFALT MACHT UNS STARK!

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More from @QueerBw

May 26, 2022
Stellungnahme zum Urteil des @BVerwG_de

Das BVerwG entschied, dass ein Datingprofil, dass die Suche nach Sexualkontakten andeutet, auch ohne Bw-bezug disziplinar geahndet werden kann.
In dem Fall wird aufgrund der Dienststellung von einer „reprĂ€sentativen Stellung“ gesprochen.
Wir sind davon ĂŒberzeugt, dass es verschiedene LebensentwĂŒfe in unserer Gesellschaft gibt, die individuell zu achten und zu respektieren sind. Bei einem Dating-Profil, welches keinerlei Hinweis auf die #Bundeswehr gibt, muss die PrivatsphĂ€re von Soldat:innen respektiert werden.
Offene Beziehungen sind in Deutschland legal und unterliegen keinerlei BeschrÀnkungen. Insofern hat der Staat nicht das Recht, Soldat:innen ungerechtfertigt in ihrem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung einzuschrÀnken. Er hat die persönliche #Freiheit zu achten.
@freiheitsrechte
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