Die UNO kämpft nicht nur gegen Armut und Krieg, sondern neuerdings auch gegen „Manterruption“: wenn Männer Frauen ins Wort fallen.

Bevor wir zum Sondergipfel einladen, sollten wir kurz empirisch klären, ob Männer wirklich solche Sprachrüpel sind. Wollen Sie's wissen? Thread (1)
(2) Antworten finden wir auf dem Territorium der Soziolinguistik und der Sozialpsychologie.

Vermutlich ist niemand überrascht, wenn ich berichte, dass zahlreiche Studien Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Kommunikationsmustern beschreiben.
(3) Dazu gehört, dass Frauen Sprache mehr auf Beziehungsaufbau ausrichten, Männer auf Statuserhalt und Problemlösung. Entgegen dem Vorurteil sind Männer wohl etwas gesprächiger als Frauen. Diese Unterschiede sind aber klein und extrem kontextabhängig. DOI:10.1177/1088868307302221
(4) Passend zum Befund, dass Männer Sprache insgesamt etwas bestimmter einsetzen als Frauen, konstatiert eine Handvoll Studien, dass Frauen in Experimenten häufiger von Männern unterbrochen werden als Männer von Frauen, z.B. DOI:10.1007/BF00287838
(5) Solche Ergebnisse unterstützen die "Manterruption"-Idee. Spannend wird es aber erst, wenn man das Geschlecht beider Gesprächspartner separat berücksichtigt. So geschehen in einer Studie mit 80 Gesprächen in einem experimentellen Setting. DOI:10.1177/0261927X14533197
(6) Die Ergebnisse (siehe Grafik) sind deutlich. Durchschnittliche Unterbrechungen in 3 Minuten:

F/M = 1,0
M/M = 1,8
M/F = 2,1
F/F = 2,9

Es stimmt: Männer unterbrechen Frauen öfter als andere Männer und öfter als Frauen Männer. Am meisten unterbrechen aber Frauen andere Frauen.
(7) Fazit: Den Begriff "Manterruption" beerdigen wir mit gutem Gewissen auf dem Friedhof der empirisch unhaltbaren Konzepte -- wenn wir noch irgendwo Platz finden.

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7 Oct
Ein herzliches Willkommen an die neuen Mitleser.

Ich möchte Ihnen gerne eine kleine Geschichte erzählen, die ich im Beruf erlebt habe und die meine Haltung zu Themen wie Vorurteilen, sozialer Benachteiligung und Chancengerechtigkeit radikal geprägt hat. Ein Thread (1)
(2) Ich habe viele Jahre intensiv mit Jugendlichen gearbeitet, die vom Schicksal ziemlich miese Karten bekommen haben. Die Geschichte handelt von einem dieser Pechvögel. Nennen wir ihn Tom.

Tom war ein typischer Hartz IV-Junge: ca. 18, Hauptschule ohne Abschluss abgebrochen ...
(3) … dann langzeitarbeitslos. Familie ein Alptraum: Vater weg, Stiefvater gewalttätig, Mutter drogensüchtig. Dazu Depressionen, Selbstverletzungen, die falschen Freunde und immer Ärger mit der Polizei.

Tom wollte sein Leben ändern, eine Ausbildung finden. Was Kaufmännisches.
Read 12 tweets
5 Oct
Mädchen sind besser in der Schule als Jungs, liest man immer wieder. Stimmt das? Und wie soll man sich das erklären, wenn Frauen doch strukturell benachteiligt sind? Das hat mich interessiert. Ein paar interessante Ergebnisse aus der Forschung ohne Anspruch auf Ausgewogenheit (1)
(2) Vorneweg: Mädchen sind tatsächlich besser in der Schule. Eine Meta-Analyse über 369 Samples ergibt einen messbaren weiblichen Vorteil in Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften. Der Unterschied ist nicht riesig, aber konsistent und über Zeit stabil. DOI:10.1037/a0036620
(3) Warum? Der erste Verdächtige ist IQ, denn IQ korreliert mehr mit schulischem Erfolg als jeder andere Faktor. Studien zeigen aber deutlich, dass der Notenvorteil für Mädchen stabil bleibt, auch wenn man statistisch IQ als Variable miteinbezieht. DOI:10.1007/s10212-012-0127-4
Read 8 tweets
16 Aug
Interessensunterschiede zwischen Frauen und Männern. Oder: Was wir von Rhesusaffen mit Spielzeugautos über das Streben nach Geschlechterparität lernen können -- Ein Thread mit Daten

#parität #feminismus #gender #gleichberechtigung #psychologie #gesellschaft #mint (1)
(2) Parität zwischen den Geschlechtern wird zunehmend als Endziel von Gleichberechtigungspolitik gefordert. Im Bundestag, in DAX-Vorständen, in MINT-Berufen: In Schlüsselbereichen sollen Männer und Frauen 50/50 vertreten sein. Dann erst sei Gleichberechtigung wirklich erreicht.
(3) Die Logik der Parität basiert auf einer zentralen, aber meist impliziten These: dass Männer und Frauen dasselbe wollen. Wo keine Parität herrscht, muss folglich Benachteiligung im Spiel sein, die den natürlichen Zustand -- eine 50/50-Verteilung -- künstlich verzerrt.
Read 18 tweets

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