Rezension: Ich habe es dann doch gemacht: mir gestern das Corona Quartett bei Servus TV angeschaut. Es sollte ja um Wirtschaft gehen, da will man doch den Professor aus Hannover nicht verpassen. Er hatte sich Ulrike Herrmann als sparrings partner eingeladen, der uebliche Sucharit
Bhakdi und eine Infektiologin und Klinikerin aus Oesterreich. Die Sendung war ein Desaster. Und dabei waren vorangegange Folgen durchaus nicht schlecht, vor allem die mit dem Epidemiologen Prof. Richard Greil, der Homburg und Bhakdi damals ziemlich auseinandergenommen hat.
Erstens war die Sendung ganz erbaermlich gemanagt, denn es ging erst Mal gar nicht um Wirtschaft, sondern wieder nur um Epi (interessant, klar, aber war nicht Thema). Frau Herrmann hat sich redlich bemueht, Herrn Homburg Paroli zu bieten, aber letztlich fehlte ihr dann doch die
Fachkompetenz, wirksam gegen Homburg zu sein. Nur drei Punkte: 1) Herr Homburg zitiert gerne das NBER ("Elite") und tut dabei so, als ob NBER WP irgendwie besondere Studien seien. Nein, NBER WP sind lediglich eine Plattform fuer die Mitglieder,
dort WP zu veroeffentlichen, ohne Auftrag und ohne Peer Review. Ich habe in meiner Zeit als NBER Mitglieder auch gut ein Duzend WP dort veroeffentlicht und ich bezweifle sehr, dass Herr Homburg diese als Spitzenwirtschaftswissenschaft bezeichnen wuerde🤣(NB: sind sie auch nicht).
Was er auch gerne verschweigt ist, dass es andere WP als das von Atkinson et al. gibt, die seine Meinung re Lockdowns nicht bestaetigen. Ich kann jedenfalls kein NBER WP von Herrn Homburg finden, man fragt sich, warum er ueber NBER schwadroniert, wenn er anscheinend keine Ahnung
davon hat. Oder wird das bewusst gemacht? Hinzukommt, dass er immer noch nicht genau unterscheidet zwischen ex ante sinnvoll re politische Massnahmen und ex post sinnvoll. Zumal die Diskussion jetzt nirgendwo ueber flaechendeckende Lockdowns zu gehen scheint, soweit ich das sehe.
2) Er scheint empirisches oekonomisches Arbeiten nicht zu verstehen, wenn er argumentiert, dass man sich zu Schweden nicht einfach irgendwelche anderen Laender zum Vergleich heranziehen koenne. Nun, irgendwelche Laender nicht, aber natuerlich sinnvolle Laender.
Genau darum geht es in empirischen Counterfactuals. Frau Herrmann war ihm da gut auf der Spur, konnte aber den Punch nicht landen. Insofern macht der Vergleich Schwedens mit Norwegen und Daenemark eminent mehr Sinn als der Vergleich mit Frankreich und Italien.
Zumal ja hinzukommt, dass der epidemiologische Zustand einer Gesellschaft beim Einsetzen der Massnahmen als wichtige Determinante der Massnahmenwirkungen hinzukommt und man deshalb nur Laender miteinander vergleichen kann, die auch in dieser Hinsicht aehnlich sind.
3) Interessanterweise hat Stefan Homburg dann bei der Staatsschuldendiskussion keine Probleme damit, sich einzelne Laender herauszupicken und zu sagen: seht, Griechenland. Gut, dann sage ich: Japan. Nein, eine solide Diskussion ueber Staatsschulden auf der Hoehe der
wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion (die irgendwo zwischen Homburg und Herrmann herausgekommen waere) konnte der Professor fuer oeffentliche Finanzen an diesem Sonntag Abend jedenfalls nicht leisten. Eine verpasste Chance. /End
Add on: diese Arroganz und, ehrlich gesagt, Verachtung von Herrn Bhakdi fuer adipöse Deutsche und Amerikaner ist auch schwer erträglich. Und das zustimmende Lächeln von Homburg dazu. Die sterben halt. Diese Maenner will man nicht mal in der Nähe der Wohlfahrtsfunktion.

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Man haette vom Netzwerk @SDullien auch so reagieren koennen: "Nein, Peter Bofinger, die Makroökonomik ist nicht krank, sondern ein verbesserungsbedürftiges Denkgebaeude / Instrumentenkasten, zu deren Verbesserung viele Ansätze und Perspektiven beitragen können.
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16 Sep
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Das eigentliche Thema Staatsschulden kommt irgendwann in der Mitte. Da besprechen vor allem zwei Dinge: warum Staatsschulden und nicht
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