Heute ist Tag 19 im #HalleProzess. @raeuberhose sagt als erste Zeugin aus, sie arbeitet u.a. als Journalistin, hat @hoaxmap gegründet, "Hasskrieger Der neue globale Rechtsextremismus" geschrieben, betreibt fact checking und forscht zur extremen Rechten. 1/ #HalleProzess
Die Zeugin berichtet, dass sie am Tag des Anschlags online verfolgt hat, wie sich u.a. der Link zum Livestream des Angeklagten verbreitet hat. Zunächst habe sie ihn kurz nach 13 Uhr bei "Kohlchan" gefunden und u.a. das LKA Sachsen-Anhalt informiert. 2/ #HalleProzess
"Kohlchan" erklärt die Zeugin, sei ein Imageboard wie etwa 8chan. "Imageboards" würden so genannt, da Diskussionen hier durch das Posten eines Bilds gestartet würden. Sie habe "4chan" und "Meguca" ebenso verfolgt wie Veröffentlichungen bei Telegram. 3/ #HalleProzess
Die Zeugin zeigt und erläutert Screenshots von Diskussionen bei "Kohlchan", in denen über den Anschlag in Halle spekuliert wird. Ein islamistisch motivierter Anschlag wird für möglich gehalten, ein rechter Anschlag, ebenso eine "false-flag"-Aktion. 4/ #HalleProzess
Während in englischsprachigen Imagebords Nutzer_innen als "Anonymous" veröffentlichen, wird bei deutschsprachigen als Name "Bernd" angezeigt. Es wird in Posts auch befürchtet, auf Grund der Tat würden Imageboards (durch den Staat) abgeschaltet, als Teil einer 5/ #HalleProzess
Diskussion über vermeintliche "Zensur" rechter Inhalte durch staatliche Stellen. Auch hätten Einzelne geschrieben, es sei zu befürchten alles (die Tat / Motivation) würde auf "Incels" (involuntary celibate) geschoben, die "Kultur" dieser weißen Männer würde eh 6/ #HalleProzess
unterdrückt werden (ohnehin sehen sich Incels aus div. Gründen ja benachteiligt bis hin zu im Kampf zB gegen junge muslimische Männer, die, anders als sie selbst, sexuelle Kontakte zu Frauen hätten). Die Zeugin berichtet, wie in den Threads die sie untersucht 7/ #HalleProzess
habe sowohl einschlägige rechte Begriffe / Codes verwendet wurden (etwa 14 für "Fourteen Words") und wie dort andere extreme Attentäter glorifiziert würden, etwa indem ihrem Namen ein "Saint" vorangestellt werde, wie sich positiv auf sie bezogen würde. 8/ #HalleProzess
Die Zeugin schildert ausführlicher, wie Nutzer_innen mit Spott auf den Attentäter reagieren, der habe versagt (da er nicht noch mehr Menschen getötet habe), es sei sinnlos eine Handgranate auf einen Friedhof zu werfen (dort seien ja nur schon Tote), der Anschlag 9/ #HalleProzess
sei ein "Fail" gewesen. Es sei auch spekuliert worden, auf welchen Imageboards der Attentäter (bis zu seiner Tat) aktiv gewesen sein könne, etwa anhand seiner Sprache und Ausdrücken die er im Livestream verwendete. 10/ #HalleProzess
In div. Memes hätten sich User über den Attentäter lustig gemacht, insbesondere im Vergleich zu anderen rechten und neonazistischen Attentätern, diese würden über ihn lachen. Der Attentäter von Halle wird als schwach, Versager dargestellt, mehr Tote gewünscht. 11/ #HalleProzess
Eine Reihe der Diskussionen habe sich auch darum gedreht, wo man den Stream oder später die Aufzeichnung (Video) des Attentäters sehen könne. Ebenfalls sei viel über die Waffen des Attentäters diskutiert worden, er teils auch angefeuert worden. 12/ #HalleProzess
Rund um den Anschlag würden die User von Imageboards zu Multiplikatoren des Attentäters, etwa in dem sie immer wieder das Video seiner Taten neu hochladen, teils mit leichten Veränderungen, damit es nicht automatisch gefunden & gelöscht werden kann. 13/ #HalleProzess
Die Zeugin berichtet auch von Posts, in denen bereits 2018 ein Nutzer mit den Initialen des Angeklagten einen Anschlag mit einem Livestream angekündigt habe, diese Posts habe sie auch gefunden. Dort sei der Livestream noch für eine Onion-Seite (statt Twitch) 14/ #HalleProzess
angekündigt worden. Sie stellt auch dar, dass sich immer wieder über die Getöteten lustig gemacht worden sei in Posts, Themen und Sprache sich über verschiedene Imagebords hinweg ähnelten, wiederholten. Zudem betont sie die Bedeutung des Messengers "Telegram" 15/ #HalleProzess
für die extreme Rechte. Relevante Teile der Szene nutzten diesen inzwischen (Telegram fällt nicht unter das NetzDG, Strafverfolgung ist hier teils praktisch erschwert, der Anbieter löscht / blockiert kaum Beiträge). Dort fühle sich die Szene sicher. 16/ #HalleProzess
Mit Screenshots zeigt die Zeugin, wie Videos der Tat aber auch die Dokumente des Angeklagten bei Telegram verbreitet wurden. Dort fänden sich auch Kanäle die sich für den Angeklagten aussprechen würden, er habe es "wenigstens versucht", gemeint ist der Anschlag. 17/ #HalleProzess
Was die Zeugin mit den vielen Screenshots und Beispielen auch illustriert, ist wie sich auf Imageboards eine eigene Sprache, ein eigenes Vokabular bildet und verwendet wird. Oftmals ironisiert, mit vielen Memes, Witzen – was nicht bedeutet, dass die Aussagen 18/ #HalleProzess
nicht ernst gemeint sind. Der Rassismus, der Antisemitismus, der Antifeminismus sind real (und krass), sie zeigen sich hier nur nicht in der Form etwa einer harschen Rede (wie bei einer Demo), sondern gehässig, witzelnd, sehr stark interaktiv. 19/. #HalleProzess
In ihrer Aussage verweist die Zeugin auch auf den white supremacy Podcast "Bowlcast" (USA), der u.a. glorifizierend Listen von Attentäter veröffentliche. Im Telegram-Kanal dazu sei auch auf den Mord an Dr. Lübcke hingewiesen worden, auf die "Nordkreuz"-Gruppe. 20/ #HalleProzess
Immer wieder nennt die Zeugin Beispiele, wie User sich über die bei dem Anschlag Getöteten lustig gemacht haben sollen, ihnen teils die Schuld an ihrer Tötung zuweisen, sich abwertend über sie äußern, frauenfeindlich. Strafverfolgung sei ihr dazu nicht bekannt. 21/ #HalleProzess
Rechtsanwalt Siebenhühner hält es offenbar für wichtig, nach "linksextremen" Imageboards zu fragen, Zusammenhang zum Verfahren unklar. Auf Nachfrage von RA Pietrzyk erklärt die Zeugin, dass die Imageboards frei zugänglich seien, man müsse sie lediglich kennen. 22/ #HalleProzess
Auf Nachfrage erläutert die Zeugin, dass Imageboards Unterforen haben, die thematisch sortiert sind. Schon an anderer Stelle im Prozess immer wieder erwähnt /pol/ (für "politically inkorrect") bei 4chan. Dabei zeige sich auch, wie Posts aus englischsprachigen 23/ #HalleProzess
Imageboards teils wörtlich übersetzt würden, sich auch dadurch eine eigene Sprache entwickle. In den Dokumenten des Angeklagten habe die Zeugin hier eine ganze Reihe Begriffe / Bezüge erkannt, etwa in den "Achievments" die er zu seiner Tat auflistete. 24/ #HalleProzess
Der Angeklagte fordert User auch direkt auf, sich zu beteiligen. Als er bei "Meguca" den Link zu seinem Livestream postete, schrieb er "I would appreciate seeding", also den Link zu verbreiten. So werden die User zu Multiplikatoren (teils zB über BitTorrent). 25/ #HalleProzess
.@raeuberhose empfiehlt @mick_prinz und @Matthias_Quent ebenfalls als Sachverständige/Zeugen zu hören, Prinz arbeitet u.a. zu Gaming – auch hier konnte das BKA kaum etwas sagen –, Quent erwähnt sie im Zusammenhang mit seinem Gutachten zum OEZ-Anschlag. 26/ #HalleProzess
Das Gericht vernimmt nun als Zeugen einen Ermittler des Bundeskriminalamts, er hat zwei Vermerke zu Speichermedien des Angeklagten angefertigt. Er berichtet (bisher) was schon Gegenstand der Beweisaufnahme war, in den Asservaten sind Dateien gefunden worden 27/ #HalleProzess
zu ua Waffenbau, Meme-Ordner, Animes, Musik der Hamas, Kriegslieder aus Serbien, Lieder der Wehrmacht & Waffen-SS, Hinrichtungsvideos des IS. Nach wie vor sind Teile der Dateien nicht entschlüsselt, es ist auch nicht mehr damit zu rechnen
Ob ein vorhandener Ordner mit dem Titel POL (für politically incorrect) im Detail ausgewertet wurde, kann der Zeuge nicht sagen. Es sei ein Bezug zu /meadhall/ hergestellt worden, dem Forum bei Meguca in dem der Angeklagte postete. 29/ #HalleProzess
Nachdem das Gericht eben noch ein Handyvideo in Augenschein genommen hat, beantragt RA Derin als Vertreter von RAin Friedmann für den Mandanten Aftax I, dem Angeklagten einen rechtlichen Hinweis zu erteilen. Aftax I auf der Flucht mit dem Auto anzufahren, sei 30/ #HalleProzess
als versuchter Mord zu werten, nicht als fahrlässige Körperverletzung. Der Angeklagte habe den Tod von Aftax I ausdrücklich gebilligt, er habe zudem Aftax I als schwarzen Menschen wahrgenommen, ihn aus einer rassistischen Motivation heraus angefahren. 31/ #HalleProzess
Der Angeklagte habe folglich aus niedrigen Beweggründen gehandelt, mit gemeingefährlichen Mitteln und um eine andere Straftat zu ermöglichen. Die Ausführungen des Angeklagten zur Tat seien nicht glaubhaft, er habe selbst ausgesagt, dass er anders gehandelt 32/ #HalleProzess
hätte, wenn ein Weißer betroffen gewesen wäre. Folglich habe er die Wahl gehabt und sich bewusst entschieden, Aftax I anzufahren. Der GBA lehnt den Antrag auf einen rechtlichen Hinweis ab, die Verteidigung ebenfalls. Das Gericht lässt offen, wann es entscheidet. 33/ #HalleProzess
Die Vorsitzende Richterin hat einen länglichen Vermerk des BKAs verlesen in dem das feststellt, dass man unschwer online rausfinden kann, dass die Synagoge in Halle aktiv genutzt wird. Der Angeklagte hatte mehrfach behauptet, das nicht sicher gewusst zu haben. 34/ #HalleProzess
Noch in dieser Sitzung erteilt die Vorsitzende Richterin nun dem Angeklagten den von RAin Friedmann beantragten rechtlichen Hinweis, es könne zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes zum Nachteil von Aftax I kommen. 35/ #HalleProzess
Die Verteidigung des Angeklagten beantragt, die Hauptverhandlung auszusetzen, mindestens für drei Wochen soll unterbrochen werden. Das sei nötig um sich nach dem rechtlichen Hinweis zum versuchten Mord an Aftax I zu beraten & vorzubereiten. 36/ #HalleProzess
RA Özata stellt für seinen Mandanten Ismet Tekin den Antrag, das Gericht solle dem Angeklagten einen rechtlichen Hinweis zu erteilen. Die Schüsse auf Ismet Tekin seien als versuchter Mord zu werten. 37/ #HalleProzess
Die Vorsitzende Richterin teilt mit, dass die nach vorläufiger Bewertung den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens für wenig aussichtsreich hält. RA Stolle stellt für seinen Mandanten den Antrag, dem Angeklagten einen Hinweis gem. § 265 II StPO zu erteilen, der 38/ #HalleProzess
Schuss durch die Scheibe des Kiez Döners sei als versuchter Mord zu werten. Die Verteidigung beantragt Beweis zu erheben ob bei dem Angeklagten "Migräne mit Aura" bei (Teilen) der Tat vorgelegen habe, der Angeklagte habe "rot gesehen". Damit ist Schluss heute. 39/ #HalleProzess
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Heute ist Tag 18 im #HalleProzess. Es stehen u.a. psychologische Gutachten über den Angeklagten an, zunächst jedoch ein rechtsmedizisches Gutachten. Die Vorsitzende Richterin erläutert zunächst ausführlich, dass ab jetzt alle FFP2-Masken im Gericht tragen müssen. Sie habe sich 1/
von Prof. Kekulé aus Halle beraten lassen. Offenbar hat die Vorsitzende erwogen, Zuschauer_innen- und Presseplätze im Saal zu reduzieren, sich aber erstmal dagegen entschieden. Nach dieser Woche wolle sie das erneut prüfen. 2/ #HalleProzess
Der Gerichtsmediziner berichtet, dass er den Angeklagten nach dessen Verhaftung untersucht habe. Dabei sei er zu dem Ergebnis gekommen, dass der Angeklagte auf Grund von Schussverletzungen zunächst operiert / behandelt werden müsse, das geschah noch in Halle. 3/ #HalleProzess
Heute ist Tag 17 im #HalleProzess. Als erste Zeugen werden zwei Bedienstete der JVA vernommen, in welcher der Angeklagte untergebracht ist. Zur Erinnerung, in der U-Haft in Halle unternahm er einen Fluchtversuch, konnte u.a. eine Mauer überklettern in einem unbewachten Moment. 1/
In der Folge musste der Justizstaatssekretär gehen, die komplett überforderte Justizministerin wird durch die schwarz-rot-grüne-Koalition in Magdeburg weiter gehalten. Der JVA-Bedienstete berichtet, dass der Angeklagte alleine untergebracht ist und nur zu #HalleProzess 2/
JVA-Beamten Kontakt hat im Alltag. Nach Angaben des Zeugen trifft der Angeklagte einen Seelsorger, wird durch den psychologischen Dienst der JVA betreut. Der Seelsorger sei ein Evangelischer Pfarrer, der 1-2 mal in der Woche mit dem Angeklagten spreche. #HalleProzess 3/
Heute ist Tag 16 im #HalleProzess. Es werden unter anderem die psychologischen Gutachter_innen aussagen. Vor dem Gerichtsgebäude findet auch heute wieder eine Kundgebung statt, organisiert von @kundgebung1310. Die Zuschauer_innenplätze im Saal sind voll. 1/
Der erste Zeuge ist beim Kriminaltechnischen Institut des Bundeskriminalamtes beschäftigt, er untersuchte, ob der Angeklagte mit seiner Schrotflinte auf 70 Meter Distanz tödliche Verletzungen an getroffenen Menschen hätte verursachen können. Die Frage ist #HalleProzess 2/
relevant für einen Teil der Taten des Angeklagten auf der Ludwig-Wucherer-Straße, dort schoss er u.a. mit einer Schrotflinte auf Polizeibeamte. Die Anklage geht von einem Mordversuch aus. Die Verteidigung hatte das Gutachten beantragt, zu dem der Zeuge aussagt. 3/ #HalleProzess
Noch bis 16 Uhr ist die Ausstellung “Raum der Erinnerung & Solidarität” geöffnet. Gemeinsam mit der @opferberatung zeigen wir transkribiert und gekürzt die Aussagen der Überlebenden, die im #HalleProzess bisher ausgesagt haben, dazu gibt es Audios und Videos in sieben Räumen 1/
in direkter Nähe der beiden Anschlagsorte in Halle. Mitten in der Stadt. Im Gedenken an Jana Lange und Kevin Schwarze. Keine laute Demonstration, sondern Ruhe und Raum für die Aussagen der Überlebenden, Betroffenen, Angehörigen. Die letzten beiden Tage haben mehrere hundert 2/
Menschen die Ausstellung besucht, viele haben ausführlich die vielen Texte gelesen, Videos geschaut. Damit holen wir den #HalleProzess auch weiter nach Halle. Dass auch Überlebende die Ausstellung besucht haben, ehrt uns. Diese Ausstellung, die Plakatkampagne, der Podcast 3/
Heute ist Tag 15 im #HalleProzess. Das Gericht vernimmt als ersten Zeugen einen Mann, von dem (und dessen Frau) der Angeklagte ein Auto verlangte. Zu diesem Zeitpunkt war er auf der Flucht, wollte in Landsberg-Wiedersdorf sein beschädigtes, bekanntes Auto gegen ein Neues 1/
tauschen. Der Zeuge berichtet, dass er nach einer Nachtschicht nachhause kam, noch etwas im Garten machen wollte und dort dann den Angeklagten sah, "...blickte in eine Pistole". Der Angeklagte habe den Autoschlüssel für das Auto vor dem Tor verlangt. 2/ #HalleProzess
Der Zeuge habe dem Attentäter erklärt, dass er ihm den Schlüssel nicht geben könne, da er ihn nicht habe. Der Angeklagte habe nochmals gefragt, er nochmals erklärt. Dann habe der Angeklagte an seiner Pistole gespielt, in dem Moment sei der Zeuge weggelaufen. 3/ #HalleProzess
Heute ist Tag 14 im #HalleProzess. Das Gericht vernimmt als ersten Zeugen Conrad Rößler, er hatte sich am Tag des Anschlags im Kiez-Döner in Halle etwas zu Essen gekauft. @ARamelsberger hat über ihn geschrieben, (Artikel hinter der Bezahlschranke). 1/ sueddeutsche.de/politik/anschl…
Der Zeuge berichtet wie er am Tresen gestanden habe und Essen bestellt. In dieser Situation habe er den Attentäter gesehen, "merkwürdig, dass sich jemand verkleidet" habe er gedacht, als er Helm und militärische Kleidung des Attentäters sah. 2/ #HalleProzess
Dann habe er gesehen, wie der Attentäter etwas mit einer Lunte in Richtung des Eingangs des Kiez Döners geworfen habe. In dieser Situation – laute Detonation – habe er noch an Böller gedacht. Tatsächlich war es eine Nagelbombe, die nicht traf. 3/ #HalleProzess