Familienministerin Franziska #Giffey (SPD) will künftig nicht mehr auf Plagiate in ihrer Doktorarbeit angesprochen werden und hat dazu eine bemerkenswerte Erklärung voller Finten, Opfersprech und Pathos abgegeben. Wir schauen uns das mal an. 1/17
Um es vorwegzunehmen: Giffeys Text ist eine Mischung aus uneinsichtiger “Nonpology” (Nicht-Entschuldigung ohne Reue), halbherziger Rückgabe von Diebesgut in der Hoffnung auf Straferlass und Vergesslichkeit, allerlei Opfer- und Märtyrer-Getue und Wahlkampf-Geklingel. 2/17
Ihre Intro soll nüchtern, objektiv und protokollarisch klingen. Das nachträgliche Prüfverfahren wegen Plagiatsverdacht stellt sie als “Entscheidung über mein Promotionsverfahren” dar. Die Metabotschaft: Eigentlich nur ein Verwaltungsakt wie viele andere. 3/17
Das Präsidium revidiert seine Entscheidung. Und was macht man, wenn man seine Verachtung über etwas kommunizieren, aber keine Schimpfwörter verwenden will? Man reagiert mit einem effektheischenden "Das nehme ich zur Kenntnis." 4/17
Die konkret vorliegenden Täuschungsvorwürfe beantwortet Giffey mit einem Allgemeinplatz, der nichts zur Aufklärung beiträgt. Es ist schließlich eine Selbstverständlichkeit, dass eine Promotionsschrift “nach bestem Wissen und Gewissen” verfasst wird. 5/17
Dieser lange Passus lässt außer Acht, dass die Universität eine Rüge ausgesprochen hat, dass die Prüfer womöglich befangen waren (Verbindungen zu Giffeys Doktormutter) und immerhin eine „objektive Täuschung“ an 27 Stellen festgestellt wurde. 6/17
Giffey inszeniert sich als Justiz-Opfer, denn eigentlich sei sie die Getäuschte. Interessant: Sie geht bereits von einer “anderen Einschätzung” der Universität über die Entziehung des Doktortitels aus. Anscheinend ahnt sie den Ausgang. 7/17
Deshalb geht sie direkt in den Angriff über: Das Verfahren ist nicht Herr über sie - sie ist die Herrin über das Verfahren! Bei der Gelegenheit wird die Diskussion um möglicherweise persönliches Fehlverhalten in eine “politische Auseinandersetzung” umgedeutet. 8/17
Wir rekapitulieren ihre Botschaft:

1. Der “Vorgang” ist verjährt bzw. längst entschieden
2. Giffey sieht sich als Opfer eines Justiz- bzw. Behörden-Irrtums und politischer Intrigen.
3. Die Arbeit war allererste Sahne. (“summa cum laude”)

9/17
Was sie weiter kommunizieren will: Es geht gar nicht um die Promotion. Finstere Kräfte wollen sie beschädigen und alles, was ihr nahe steht (Familie, politische Arbeit, Partei). Es ist das Narrativ von der Märtyrerin, die selbstlos Leid auf sich nimmt, um andere zu erlösen. 10/17
Dieser kurze Abschnitt klingt zunächst harmlos, hat es aber in sich. Die Eigenlob-getränkte Poesie-Albums-Soße kommt mit einer populistischen und fast wissenschaftsfeindlichen Huckepack-Botschaft daher: “Ach kommt, wer braucht schon einen Doktortitel? Hauptsache Mensch!” 11/17
Die vielfach vorhandene Titelverachtung liegt ja oft daran, dass manche Leute sich den Titel erschleichen, ohne die Mühen einer echten akademischen Auseinandersetzung auf sich zu nehmen. 12/17
Das langjährige Führen eines Doktortitels ist karrierefördernd. Das, was Giffey “ist und kann”, hat sie evtl. auch der Nutzung des Titels in der Vergangenheit zu verdanken.
Zusatzfrage: In wieviel Bewerbungsverfahren hatte sie dadurch einen ggf. ungerechten Vorteil? 13/17
Nun gleitet Giffey vollends in Pathos, Größenwahn und Selbstüberschätzung ab: Ohne sie werden wir die Jahrhundertkrise nicht meistern können! Das verlangt jedoch “ihren vollen Einsatz und ihre ganze Kraft”. (Metabotschaft: Lasst mich endlich in Ruhe meine Arbeit machen!) 14/17
Selbst will sie das Wort “Rücktritt” nicht ins Spiel bringen, aber genau darum geht es in diesem Absatz: dem Rücktritt zu entgehen.

Und darum, auszudrücken, dass sie sich für den ganzen Planeten, das Universum und die SPD aufreibt.15/17
Das Wahlkampfgeklingel am Ende richtet sich vor allem an die eigene Gefolgschaft und soll die Reihen geschlossen halten.

(Giffey will Bürgermeisterin von Berlin werden. Einer ihrer Wahlkampfschwerpunkte: “Schulen und Wissenschaft”... Hier passendes Emoji denken.)

16/17
Fazit: Giffey verhält sich wie eine ertappte Autodiebin, die sagt: “Die Karre habe ich jetzt viele Jahre benutzt. In der nächsten Zeit fahre ich sie eh nicht, aber sie bleibt schön hier stehen. Und jetzt hört auf rumzunerven, ich muss die Welt retten.” 17/17

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