Österreichs Kanzler Kurz verkündet, dass man wegen der Impfung im Sommer die "Pandemie für beendet erklären" wird. Das ist möglich aber alles andere als sicher. Ich würde mir mehr Ehrlichkeit und Transparenz in der Kommunikation wünschen. (Thread)
Natürlich hoffen wir alle, dass die Pandemie durch die Impfung endet. Aber derzeit haben wir einfach nicht die nötigen Daten, um klar sagen zu können, ob das möglich sein wird. Ganz grobe Abschätzung: Ungefähr 2/3 der Bevölkerung müssen immun sein, damit die Pandemie abklingt.
Das heißt: Deutlich mehr als 2/3 der Bevölkerung müssen geimpft werden (weil keine Impfung 100% wirksam ist). In Umfragen gibt derzeit ca. die Hälfte an, sich impfen zu lassen. Das genügt nicht. Das würde bedeuten: Weiterhin Einschränkungen, weiterhin regelmäßige Lockdowns.
Und selbst, wenn wir 80% der Bevölkerung zur Impfung überreden, werden wir die Coronaviren nicht vollständig ausrotten. Das ist völlig unrealistisch - ein bleibendes Problem z.B. für Leute mit Immunschwäche. Das Problem wird vielleicht gelindert, aber es verschwindet nicht.
Wir können natürlich hoffen, dass die Impffreude im Frühling größer ist als erwartet, dass die Impfung besser wirkt als gedacht, dass alles gut wird. Das ist nicht ausgeschlossen. Aber jetzt zu sagen: "Im Sommer ist alles vorbei", das halte ich für falsch.
Es ist schön, wenn Politiker optimistisch sind. Es ist nicht schön, wenn Politiker Dinge behaupten, die von den Fakten einfach nicht gestützt werden. Damit fördert man die Geisteshaltung, die sich ohnehin schon viel zu sehr verbreitet hat:
Das Gefühl "die da oben" sagen einfach irgendwas, worauf man sich nicht verlassen kann. Wir haben seit Beginn der Pandemie ein massives Kommunikationsproblem. Lasst uns endlich ehrlich über die wissenschaftlichen Fakten reden, ohne Panikmache aber auch ohne Schönrederei!
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Wir müssen einfach für höhere Bildung sorgen, dachte ich lange Zeit. Wir müssen der breiten Bevölkerung wissenschaftliche Fakten beibringen, Mathematik und logisches Denken, dann wird alles gut!
Ich lag falsch. Was fehlt, lernt man entweder im Kindergarten - oder nie. (Thread)
Mit Schaudern sehen wir, was derzeit geschieht: Die Bevölkerung zerfällt in Gruppen, die jeweils ihr eigenes Bild von der Welt zur Wahrheit erklären: Corona gibt es nicht. Klimawandel ist harmlos. Impfen ist gefährlich, weil uns Bill Gates Computerchips implantieren will.
In den USA gibt es 2 verschiedene Ansichten darüber, wer zum Präsidenten gewählt wurde. Das Problem dabei ist nicht, dass zu wenige Fakten zur Verfügung stehen, oder dass komplizierte Zusammenhänge nicht erklärt werden. Das Problem ist, dass Lügen nicht mehr als unanständig gilt.
"Warum äußerst du dich als Physiker zu medizinischen Themen wie COVID-19? Das ist doch nicht dein Gebiet!" Das höre ich jetzt wieder besonders häufig, oft gewürzt mit üblen Beschimpfungen. Gut, ich erkläre es gerne noch einmal.
Zuallererst: Jeder darf sich immer zu allem äußern. In einer Demokratie ist es Unsinn, jemanden dafür zu kritisieren, dass er sich zu einem bestimmten Thema äußert. Kritisieren soll man ihn, wenn er zu ein Thema Unsinn erzählt.
Aber es stimmt: Nur weil man das Recht hat, seine Meinung zu verbreiten, heißt das noch lange nicht, dass es eine gute Idee ist. Manchmal ist es klüger, sich nicht zu äußern, und stattdessen lieber anderen Leuten zuzuhören, die es besser wissen.
Es scheint also, als gäbe es eine Chance auf einen erfolgreichen RNA-Impfstoff gegen Coronaviren. Da kommt wohl jetzt auch eine Verschwörungstheorie-Welle auf uns zu: "Man will unser Erbgut mit fremder RNA umprogrammieren!" Das ist natürlich Unsinn. (Thread)
Disclaimer: Das hier ist nicht mein Spezialgebiet, daher nur ein paar ganz grundlegende Dinge: RNA-Impfstoffe sind tatsächlich etwas ziemlich Neues. Es gibt bisher noch keinen, der für Menschen zugelassen ist. Aber ihre Grundidee ist weder besonders tollkühn noch spektakulär.
Während man normalerweise Viren oder Virenteile in den Körper einschleust, damit das Immunsystem lernt, dagegen vorzugehen, schleust man bei RNA-Impfstoffen RNA in den Körper ein (bzw. mRNA, für "messenger RNA").
Offenbar gibt es Verwirrung um Begriffe wie "überexponentiell" - daher ein kurzer Thread dazu. Zunächst: Was ist eigentlich exponentielles Wachstum?
Manche Leute glauben, exponentielles Wachstum heißt, eine Zahl wächst immer schneller. Das stimmt nicht. Nur weil etwas immer schneller wächst, muss es noch lange nicht exponentiell wachsen.
Exponentiell wächst etwas, wenn es in gleichen Zeiteinheiten immer um denselben Prozentsatz anwächst - z.B. täglich plus 10%, oder eine Verdopplung jede Woche. Die Rate dieses Wachstums kann natürlich sehr unterschiedlich sein.
Also doch keine Aliens auf der Venus! Die angeblich verräterischen Moleküle, die kürzlich entdeckt worden sein sollten, waren wohl doch etwas anderes. Wir lernen daraus etwas Wichtiges über Medien & Wissenschaft (Thread): spektrum.de/news/kein-lebe…
Erstens: Die modernen Medienmechanismen, die von Aktualität und Sensation leben, werden der Wissenschaft nicht gerecht. In der Politik mag es einschneidende Ereignisse geben, die ganz plötzlich alles ändern: Eine Wahl, ein Gipfeltreffen, eine Vertragsunterzeichnung.
In der Wissenschaft ist das anders. Sie schreitet nicht voran, indem jemand eine zündende Idee hat und "heureka!" ruft, sondern indem man sich in vielen kleinen Schritten immer sicherer wird, dass eine vage Vermutung stimmt. Für die Medien ist das schwierig.
Bhakdi & co erklären die Pandemie für beendet. Eine gewagte These - aber lebt die Wissenschaft nicht genau von solchen gewagten Thesen, vom Aufbrechen der bisher gültigen Lehrmeinung? Manchmal schon - aber sicher nicht so. (Thread)
Bhakdi vertritt eine Meinug, die dem breiten Konsens der Wissenschaft widerspricht: In der Forschung ist man sich einig, dass die Corona-Epidemie eine gefährliche Sache ist, die noch lange andauern wird. Bhakdi sieht das anders, das ist natürlich sein gutes Recht.
Schließlich kann es sein, dass die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung falsch ist. Man dachte lange, dass Planeten sich auf Kreisen bewegen - es sind aber Ellipsen. Und viele Leute dachten, dass Spinat wahnsinnig gesund ist, weil er besonders viel Eisen enthält- tut er aber nicht.