Also doch keine Aliens auf der Venus! Die angeblich verräterischen Moleküle, die kürzlich entdeckt worden sein sollten, waren wohl doch etwas anderes. Wir lernen daraus etwas Wichtiges über Medien & Wissenschaft (Thread): spektrum.de/news/kein-lebe…
Erstens: Die modernen Medienmechanismen, die von Aktualität und Sensation leben, werden der Wissenschaft nicht gerecht. In der Politik mag es einschneidende Ereignisse geben, die ganz plötzlich alles ändern: Eine Wahl, ein Gipfeltreffen, eine Vertragsunterzeichnung.
In der Wissenschaft ist das anders. Sie schreitet nicht voran, indem jemand eine zündende Idee hat und "heureka!" ruft, sondern indem man sich in vielen kleinen Schritten immer sicherer wird, dass eine vage Vermutung stimmt. Für die Medien ist das schwierig.
Und oft stellt sich dann eben heraus, dass die Vermutung doch falsch war - gerade bei besonders spektakulären Behauptungen wie "Hinweise auf Leben auf der Venus" passiert das leicht. Man hätte also von vornherein nicht so reißerisch darüber berichten sollen.
Zweitens lernen wir aber auch etwas Wichtiges über die Wissenschaft selbst: Man darf auch mal falsch liegen, und die Wissenschaft schreitet trotzdem voran. Wir sehen wieder einmal, welche bemerkenswerte Selbstkorrekturkraft die Wissenschaft hat.
Falsche Annahmen sind ok, sie gehören zum wissenschaftlichen Prozess dazu. Und dann sehen sich andere Leute das noch einmal genauer an, haben zusätzliche Ideen, widerlegen die Annahme, und am Ende sind alle gemeinsam ein bisschen klüger geworden. Gut so!
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Offenbar gibt es Verwirrung um Begriffe wie "überexponentiell" - daher ein kurzer Thread dazu. Zunächst: Was ist eigentlich exponentielles Wachstum?
Manche Leute glauben, exponentielles Wachstum heißt, eine Zahl wächst immer schneller. Das stimmt nicht. Nur weil etwas immer schneller wächst, muss es noch lange nicht exponentiell wachsen.
Exponentiell wächst etwas, wenn es in gleichen Zeiteinheiten immer um denselben Prozentsatz anwächst - z.B. täglich plus 10%, oder eine Verdopplung jede Woche. Die Rate dieses Wachstums kann natürlich sehr unterschiedlich sein.
Bhakdi & co erklären die Pandemie für beendet. Eine gewagte These - aber lebt die Wissenschaft nicht genau von solchen gewagten Thesen, vom Aufbrechen der bisher gültigen Lehrmeinung? Manchmal schon - aber sicher nicht so. (Thread)
Bhakdi vertritt eine Meinug, die dem breiten Konsens der Wissenschaft widerspricht: In der Forschung ist man sich einig, dass die Corona-Epidemie eine gefährliche Sache ist, die noch lange andauern wird. Bhakdi sieht das anders, das ist natürlich sein gutes Recht.
Schließlich kann es sein, dass die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung falsch ist. Man dachte lange, dass Planeten sich auf Kreisen bewegen - es sind aber Ellipsen. Und viele Leute dachten, dass Spinat wahnsinnig gesund ist, weil er besonders viel Eisen enthält- tut er aber nicht.
Ministerin Köstinger meldet ihr zweijähriges Kind als Mitglied der Jungen Volkspartei an. Warum ich das problematisch finde. (Thread)
Auf den ersten Blick könnte man sagen: Kinder sollten generell nicht kategorisiert werden. Sie sollten sich selbst entscheiden, zu welchen Gemeinschaften sie gehören wollen - von Religion über Parteien bis zum Schachclub. Doch ich glaube, ganz so einfach ist es auch nicht.
Wir alle werden in eine bestimmte Umgebung hineingeboren, die wir uns nicht ausgesucht haben. In eine bestimmte Stadt, in eine Familie, die besonders Wert auf Bildung legt, oder auf Marschmusik. Das prägt unsere Identität, lange bevor wir uns dessen bewusst sind - und das ist ok.
Ich stelle immer wieder fest, dass sich Leute mit Begriffen wie "Corona-Leugner" angegriffen fühlen, die damit überhaupt nicht gemeint waren. Das ist ein Problem. (Thread)
Wie bei jedem aktuellen Thema gibt es über die Corona-Pandemie verschiedene akzeptable Meinungen. Unter welchen Umständen ist ein Lockdown das kleinere Übel? Wo sollte man Masken tragen? Wann wird es eine Impfung geben? Darauf gibt es keine eindeutige bekannte Antwort.
Wer bei solchen Fragen eine Meinung vertritt, die nicht dem politischen Mainstream entspricht, darf natürlich nicht als "Esoteriker" oder "Corona-Leugner" angegriffen werden. Ich habe aber den Eindruck, dass viele Menschen genau solche Begriffe zu Unrecht auf sich beziehen.
Interessante Frage von @xion_dunkelbunt: Wie viele Stimmen braucht man mindestens, um US-Präsident zu werden? Das hat mir jetzt keine Ruhe gelassen, ich habe nachgerechnet. Es gibt verschiedene sinnvolle Antworten: Eine davon ist 22% der Stimmen. Eine andere ist 0%. (Thread)
Gedankenspiel: Wie erreicht man die Mehrheit der electoral votes ("Wahlmänner"), obwohl man nur einen relativ kleinen Stimmenanteil bekommt? Am besten, indem man die Staaten mit geringer Bevölkerungszahl gewinnt. Dort genügen nämlich relativ weniger Stimmen pro electoral vote.
Wyoming hat mit gut 0.5 Mio. Einwohnern 3 electoral votes - auf weniger als 200.000 Menschen kommt 1 electoral vote. In Kalifornien hingegen kommen über 670.000 Einwohner auf 1 electoral vote.
Daraus kann man viel darüber lernen, wie Wissenschaft funktioniert: @hendrikstreeck hat keine Scheu, sich gegen die Meinung von Kollegen zu stellen. Das heißt aber noch lange nicht, dass er jeden Unsinn glaubt. (Thread) n-tv.de/wissen/Virolog…
Streeck ist dafür bekannt, einen eher entspannten Umgang mit COVID empfohlen zu haben. Lockdowns sah er kritisch. Für manche seiner Aussagen wurde er von anderen Experten kritisiert. Aber: Das ist in der Wissenschaft ganz normal - ja, sogar notwendig.
Man muss alles immer anzweifeln, und es gibt schwierige Fragen, bei denen innerhalb der wissenschaftlichen Community nicht alle einer Meinung sind. Wenn es zwei verschiedene Ansichten gibt, heißt das nicht, dass eine davon dumm ist.