@Schmidtlepp@RobertFHofmann Das würde mich nun in der Tat einmal interessieren. Wer finanziert in den genannten Naturwissenschaften die erneuten Versuchsaufbauten und -durchführungen samt der Arbeitszeit der Forscher*innen? Das "sofort" würde ich bezweifeln. /2
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 1/ Es geht also um prinzipielle NachvollziehBARkeit. Diese hängt aber in der Geschichtswissenschaft im ebenso prinzipiellen Zugang zu den Quellen (daher die konkreten Angaben) _und_ an der Offenlegung und Reflexion von Position und Perspektive, Fragestellung, der Diskussion .../3
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 2/... dieser UND der Quellen (das Konzept "Quelle" ist durchaus selbst ein Problem), also der theoretischen Annahmen, der Relevanz- und Wertkriterien etc.
Wenn man schon Wissenschaftskonzepte gegeneinander vergleichen (oder ausspielen) will, dann könnte man auch die Behaup- .../4
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 3/... tung aufstellen, dass in der Geschichtswissenschaft dieselben Quellen(korpora) öfter und intensiver genutzt wird (unter neuen Fragestellungen, in kritischer Prüfung älterer Nutzungen, etc.) als es vielleicht einem naturwissenschaftlichen Versuch zukommen wird.
Aber .../5
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 4/... das ist letztlich müßig, weil es - abhängig von den ihrerseits ständig diskutierten und auch veränderten Erkenntnistheorie-Bedingungen -- unterschiedliche Konzepte der Plausibilisierung sowohl zwischen als auch in den Wissenschaften gibt, die ihrerseits nicht einfach .../6
Der Streit um die Wissenschaftlichkeit der Geschichtswissenschaft ist durchaus fruchtbar - aber nicht, wenn er in binarisierter Form (ob ja oder nein) geführt wird, sondern wenn es in ihm geklärt wird, _inwiefern_ und .../7
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 6/... auch welche Weise und mit welchen Reichweiten, unter welchen Bedingungen Aussagen der Geistes-, Sozial-, Kultur- und Naturwissenschaften "Geltung" beanspruchen und ihnen "Geltung" verschafft werden kann. Und nicht nur die Geschichtswissenschaft gehört keineswegs genau .../8
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 7/... einer dieser Gruppen an. Es geht also nicht um das OB, sondern das WIE der Wissenschaftlichkeit -- und auch dabei gibt es durchaus unterschiedliche Positionen. Wenn "Intersubjektivität" meint, dass zwei oder mehrere Forscher*innen bei Nutzung desselben Materials zu .../9
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 8/... exakt identischen Aussagen kommen müssen, dann kann und will/soll dies die Geschichtswissenschaft (und wohl die meisten Geisteswissenschaften) sicher nicht leisten (und auch die Sozial- und Kulturwissenschaften nicht). Das von ihr erarbeitete Wissen ist prinzipiell .../10
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 9/... perspektivisch. Das wirkt sich sowohl auf die Perspektive, die Sach- und Werturteile und somit auf die eingesetzten Kategorien und Werte aus. Die Frage der Intersubjektivität betrifft also nicht einfach die intersubjektive Gleichheit der resultierenden Beschreibungen .../11
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 10/... von Vergangenem, sondern die Plausibilisierung der Relationierungen von (komplexen) Aussagen über komplexe Aspekte/Facetten der Vergangenheit(en), der Position/Perspektive der Autor:in, wiederum in Relation zu ihrer komplexen, vielfältigen Gegenwart (und Zukunft), etc. /12
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 11/ Intersubjektivität bedeutet dann für die einzelne Aussagen die kontrollierte und plausibel gemachte Erweiterung der eigenen, persönlichen Perspektive und die plausible Präsentation des eigenen, perspektivischen Ergebnisses so, dass andere Perspektiven, Interessen etc. .../13
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 12/... nicht ausgeschlossen werden. Sie gewissermaßen vollgültig zu integrieren, ist nicht möglich. Dem steht eben die Bedingung der Perspektivität entgegen. Kriterium ist somit eher "Kompatibilität", Anschlussfähigkeit der jeweiligen Ergebnisse an andere Perspektiven und .../14
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 13/... deren potentielle Ergebnisse, nicht Identität solcher Ergebnisse.
Das wiederum bedeutet, dass Ergebnisse von (gerade auch forschender) Geschichtsschreibung keineswegs einfach "übernommen" werden können, ohne die jeweils eigene Perspektivität, das eigene Interesse .../15
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 14/... (Orientierungsbedüfnis) zu beachten. Das Lesen/Rezipieren von Historiographie bzw. Geschichtswissenschaft ist somit selbst ein sowohl Sinn-erfragender als auch Sinn-bildender Akt.
Ihre Wissenschaftlichkeit besteht somit nicht in einer von (sozialen, kulturellen, .../16
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 15/... politischen, zeitlichen, individuellen) Positionen abstrahierenden, sondern sie in Rechnung stellenden, die Triftigkeit der auf ihnen beruhenden und von ihnen mit bestimmten Konstruktionselemente. Diese Stimmigkeit ist intersubjektiv anschlussfähig zu machen bzw. .../17
Ein Beispiel um Schluss. Die Erwartung, dass ein:e europäische und ein (sagen wir) ein:e "indigene" lateinamerikanische Historiker:in aufgrund derselben Quellen zur Nachgeschichte der Landung .../18
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 17/... Kolumbus' auf Guanahani im, sagen wir, 19. Jh. zu exakt identischen Beschreibungen des Vorgangs und der folgenden Entwicklungen kommen muss, ist einigermaßen abenteuerlich. Die europäische Historiker:in wird mit einigem Recht den Erfolg betonen, ihre Kolleg:in wohl .../19
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 18/... die folgenden Unterdrückungen und Ausbeutungen als solche deutlich benennen.
"Intersubjektivität" entstünde nun nicht, indem sich beide auf eine gewissermaßen neutrale, für beide identische Darstellung einigen, in denen die Perspektiven und Positionen nicht mehr .../20
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 19/... erkennbar sind, sondern in einer Erweiterung, die sowohl die eigene als auch die jeweils anderen Perspektiven (und weitere) so integriert, dass diese darin aufgehoben werden. Wenn das in Form eines eher schematischen "für die Europäer ... aber für die autochthonen .../21
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 20/... Bewohner" geschieht, ist etwa, aber nicht viel gewonnen. Wenn aber die Einsicht in die Wahrnehmung des Ereignissen durch "die" jeweils "andere" Seite und die gleichzeitigen und späteren Bedeutungszuschreibungen durch sie so aufgegriffen werden, dass die Unbefangen- .../22
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 21/... der jeweils eigenen Position aufgelöst und die sie prägenden Weltbilder, Werte, etc. diskutierbar wird, dann entsteht eine erweiterte Orientierungsfähigkeit, die man als Facette von Wissenschaftlichkeit bezeichnen kann. Das wird auch bedeuten, dass die Operation .../23
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 22/... nicht einfach symmetrisch-formelhaft erfolgt. Gerade angesichts der Gewaltsamkeit und Asymmetrie der Machtverhältnisse in dieser Geschichte wird die Anerkennung der Unterdrückung und des Leids der Kolonisierten und seiner Folgen die europäischen Konzepte stärker .../24
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 23/... betreffen und in Frage stellen müssen als umgekehrt -- aber ohne sie ganz auflösen zu können. Man wird etwa die Ideen der Aufklärung angesichts der Erkenntnisse ihrer Bedeutung für rassistische Weltbilder und den Aufbau der auf Sklaverei usw. basierenden Weltordnung .../25
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 24/... deutlich kritisieren und in ihrem Anspruch relativieren (müssen; das ist nicht abgeschlossen), ohne sie aber deswegen gleich gänzlich aufzugeben. Ähnlich wird man bei aller berechtigten Kritik an Konzept und Terminologie der "Entdeckungen" nicht völlig ausblenden, .../26
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 25/... das es sich _für die Europäer_ durchaus um Entdeckungen, eine Erweiterung ihres Horizonts und Weltbildes gehandelt hat. Das ist Voraussetzung für die Kritik dessen, wie damit umgegangen wurde.
Wissenschaftlichkeit besteht also diesbezüglich in einer genaueren, .../27
@Schmidtlepp@RobertFHofmann 26/... sensitiveren Kritik nicht nur "der Quellen", sondern auch der wahrgenommenen und angesprochenen Perspektiven, der Reichweiten der Aussagen, ihrer Verallgemeiberbarkeit und ihres Differenzierungesbedarfs.
@Staugsaubaer Ob das wirklich "99,9%" sind, die Unterrichten konsoldiert als UnterrichtUNG begreifen, vermag ich nicht zu sagen. Mein Eindruck ist ein anderer. Bei den meisten Kolleg:innen (wie bei mir selbst) meine ich eine "Mischung"/Kombination (vielleicht besser: unterschiedliche .../2
@Staugsaubaer 1/... Konfigurationen) einer ganzen Reihe von Facetten und Aspekten von Lehrer:innenhandeln (bzw. seiner Anforderungen, Herausforderungen, Prinzipien etc.) zu erkennen, die partiell gut miteinander kombinierbar sind, teilweise zueinander in Spannung stehen.
Das ist es ja .../3
@Staugsaubaer 2/... u.a., was den Beruf zu einer Profession macht: Es gibt weder homogene, gleichartige Situationen noch einfach eine Reihe von "Orientierungen", zwischen denen man einfach wählt, sondern immer neue Lehr-Lernsituationen, in denen man auf der Basis einer ganzen Reihe von .../4
Ein paar (nicht allzu originelle) Gedanken zu den aktuellen Denkmalstürzen: 1. Es sollte nicht darum gehen, die Erinnerung an die nicht mehr verehrten Personen/Ereignisse "loszuswerden". Wir sind nicht "besser dran ohne sie", wie es heute über Bristol und Colston hieß. es .../2
1/... muss eher darum gehen, aus "Heldenverehrung" Reflexion von Ambivalenz werden zu lassen. Liegen lassen, auf den Kopf stellen, und (auch symbolisch) "gegendenkmalen" ist sicher ein wichtiger Weg dabei. Das muss aber seinerseits Platz lassen für Pluralität und Kontroverse. /3
1/ 2. "Ambivalenz" ist dabei selbst nicht einfach die dritte Lösung zwischen ja/nein, sondern muss abgestuft udn qualifiziert werden. Auch darüber muss man diskutieren und debattieren. Öffentliche Erinnerungskultur muss das ermöglichen und Räume dafür schaffen -- auch .../4
@juergenzimmerer@logge_hh@NicoNolden Nun ja. Die Frage, was Schulbücher "sind" lässt sich sicher nicht pauschal und für alle Zeiten beantworten. Dafür haben sich sowohl die Funktionen von Geschichtsunterricht als auch die Methoden und die Nutzung der Medien dabei zu sehr verändert. Aber auch dabei kann man .../2
@juergenzimmerer@logge_hh@NicoNolden 1/... natürlich nicht von einer jeweils einzigen Funktion von Schulbüchern und gleichschrittiger Veränderung in jeweils eine Richtung ausgehen. Auch über den tatsächlichen Grad und die konkreten nutzungformen weiß man nicht allzu viel. Jüngst hat Christoph Kühberger (SBG) .../3
@juergenzimmerer@logge_hh@NicoNolden 2/... dazu geforscht und publiziert. Demnach ist zumindest für Ö das Schulbuch in G immer noch "Leitmedium" - also auch durchaus oft benutzt. Was das aber konkret heißt, hängt sehr vom Buch und dem Unterricht ab. Daher mit aller Vorsicht: 1. Traditionell präsentieren .../4
@Staugsaubaer Auch das wären ja Aufgaben. Was wir brauchen, ist nicht eine Didaktik eng gestellter, von allen in möglichst gleicher Weise und mit gleichem Ergebnis zu bearbeitender Aufgaben, sondern ein Verständnis, das nicht nur der Funktion, sondern auch der Form und Pragmatik nach .../2
@Staugsaubaer 1/... unterscheidet zwischen Lern- und "Leistungs-"Aufgaben. Schon für Letztere muss gelten, dass die "Hoheit" über die Aufgabendefinition nicht allein beim Aufgabenstellenden liegt, dass also das Konkretisieren, Perspektivieren, das begründete Abwandeln (bis hin zum .../3
@Staugsaubaer 2/... begründeten Verweigern), das (ebenso zu begründende) Auswählen und Gestalten von Methode, Arbeitsweg und Format des Ergebnisses, möglich sein und als Teil der Bearbeitung anerkannt werden muss -- zumindest dort, wo es um Notengebung und Diagnostik geht. In .../4
@OliveyJacob Thanks, Jacob. From my German (outside, and not so much curriculum-focused) view, some skeptical remarks and possibly questions -- not so much against your stance, but rather as to the underlying concept of "knowledge rich" and "Future 3".
First of all to keep in with the .../2
@OliveyJacob 1/... Brecht poem as a starting point. You state that Brecht's reading worker knows a lot - and much broader than within a normal (German) curriculum. Interestingly, what he knows _about_ is (even though broad) still a very conventional curriculum. And I think this is what .../3
@OliveyJacob 2/... is central to it: It is not so much an image of that he does know so much but that he is uncomfortable with wht this knowledge is to tell him, how he feels appealed to by the knowledge presented to him not so much in school but inthe reading accessible in his culture: .../4