„Es darf nicht zu einer verlorenen Bildungsgeneration kommen!“, ist z.B. auf der Seite der @fdpbt (fdpbt.de/schulenoffenha…), aber auch in vielen (viel zu vielen!) Artikeln, Kommentaren und Meinungsäußerungen zu lesen und zu hören. (Thread 1/3)
Vorbemerkung: heute teste ich mal, wieviele Tweets man hintereinanderhängen kann (getestet: es sind "nur" 25 🙄). Deshalb jetzt drei Threads zum gleichen Thema... Die Bemühung des #threadreaderapp (o.Ä.) ist also zu empfehlen! ;) Los geht´s!
Während vordergründig die Zukunftschancen von Lernenden, die Chancengleichheit und die Bildungsgerechtigkeit ins Feld geführt werden, um generell Prüfungen, während #COVID19 aber auch die abstrusensten „neuen“ Prüfungsformate …
… und die damit zusammenhängende Diskussion um die angeblich so wichtige Struktur des PräsenzUNTERRICHTS zu legitimieren, liegt das Problem weder vor, noch während oder nach Corona an „zu wenig Unterricht“ oder „zu wenig Wissen“.
Denn während bisher die Schuld für schlechte Prüfungsergebnisse den „faulen“ Schülern in die Schuhe geschoben werden konnte, wird jetzt die Schuld im fehlenden Unterricht gesucht - nicht aber erkannt, dass „der Unterricht“ und „die Prüfung“ selbst strukturell versagen.
So attestiert z.B. der @weserkurier in einem Artikel (weser-kurier.de/bremen/bremen-…): „Vielen Bremer Schülern fehlen die Grundlagen“.
Grund hierfür sind laut Behörden „Kompetenzunterschiede aufgrund der sozialen Herkunft“. Zwar bezieht sich der Artikel nicht explizit auf die Umstände durch #COVID19 - dennoch verdeutlicht er eines ganz genau:
Es wird verglichen, getestet, ein Projekt nach dem anderen ausprobiert und die 1000. Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie im bestehenden System bessere Ergebnisse zu erzielen seien. Das System selbst scheint aber über jeden Zweifel erhaben.
Auch während #COVID19 wurden und werden viele Anstrengungen unternommen, um die bisherige Struktur (getakteter Unterricht, Prüfungen, Beschulung, …) um jeden Preis aufrecht zu erhalten und so analoge Strukturen 1:1 ins Digitale übernommen.
Dabei stellt sich doch die Frage, ob ein „mehr vom Alten“ die richtige Antwort auf die Herausforderungen von #COVID19, aber auch generell auf die Herausforderungen der Zeit ist? Können wir nicht das System selbst einmal grundlegend hinterfragen?
Beispiel: Prüfungen. Heute hörte ich einen Beitrag im @DLF mit dem Titel „Die Hochschule und die Online-Prüfungen“ von Katharina Mild (deutschlandfunk.de/dlf-audio-arch…).
Thema war der Umgang von Hochschulen mit Prüfung in Zeiten der Pandemie. Problem sei, dass Studierende bei Online-Prüfungen leichter „schummeln und betrügen“ könnten. Auch die Nachfrage nach „Ghostwritern“ sei gestiegen. Wie solle man dem begegnen?
Laut Beitrag müssen sich Hochschulen dagegen „wehren“. Denn: „Die Hochschulen sind sich dieser Problematik durchaus bewusst.“ Eine Lösung der @RWTH Aachen: Studierende werden während der Online-Prüfung überwacht. Per Kamera!
Und da das mit bestehenden Personalressourcen nicht leistbar sei, solle KI diese Aufgabe übernehmen, so der Prorektor für Lehre. Immerhin: Aus Gründen des Datenschutzes dürfen die Studierenden hierzu nicht gezwungen werden und sie können die Prüfung …
… auf Wunsch auch in Präsenz absolvieren. Wie es auch anders geht, zeigt die TU München mit sog. „Open-Book-Klausuren“, die immerhin die Nutzung von Büchern und Internet erlauben. Aber nicht alle Studierende sind davon begeistert.
Denn: aus der Multiple-Choice Klausur wird eine „anwendungsorientierte Klausur“. Und „das ist natürlich etwas ganz Anderes, Texte mit Methoden zu interpretieren, als so reines Wissen abzulassen und Multiple-Choice-Fragen zu beantworten!“, so eine Studierende.
„Dass die Prüfungen nun teilweise anspruchsvoller sind, und dass es dabei nicht nur um Auswendiglernen, sondern auch um Anwendung und Transfer geht, ist für viele Studierende eine Herausforderung“. An der RWTH Aachen sei die Durchfallquote …
… um 50% gestiegen, so heißt es im Beitrag. „Ob wegen Überforderung oder aus Faulheit - die Nachfrage an Ghostwritern für Onlineprüfungen ist in die Höhe geschossen. (…) Aber irgendwann gehören auch Online-Prüfungen der Vergangenheit an.“
Ich möchte ausdrücklich weder die Hochschule(n), noch die Studierende kritisieren. Beide sind in einem System gefangen, das auf „Überwachung“ und „Wissen ablassen“ basiert! Ich bin der Überzeugung, dass das System das Problem ist!
Das legt ja auch die Äußerung der Studierenden nahe. Wenn die „Bildungselite“ mit Anwendung und Transfer überfordert ist, dann müssen wir das Lernen als Solches neu strukturieren - nicht die Abprüfung der Inkompetenz!
Und diese Inkompetenz, oder Überforderung, ist ja kein Resultat aus #COVID19, sondern ganz offensichtlich aus einem gescheiterten Lern- und Bildungsangebot im Vorfeld! Denn „Anwendung und Transfer“ hätten schon vor Corona Teil der gesamten Bildungshistorie sein müssen!
Das aber nur als „kurzer“ Aufhänger. Denn von Hochschulbildung habe ich keine Ahnung. Beschriebenes Problem ist aber 1:1 auch in der K12 zu beobachten. Online-Unterricht nach Stundenplan, Prüfungen vor laufenden Kameras, Sanktionierung von Störungen in ViKos, …
LMSsen, die 1:1 die bisherigen, analogen Strukturen abbilden sollen, u.V.m.. Inzwischen „funktioniert“ das strukturell auch solala, aber Probleme gibt es trotzdem zu Hauf. Die Ursachen hierfür sind schnell gefunden: Von „Kompetenzunterschieden aufgrund …
… der sozialen Herkunft“ über fehlende Ausstattung bis (wiedermal) hin zu faulen Schülern, die ViKos sprengen und „schummeln und betrügen“. Ganz klar: da müssen wir nachsteuern, härter durchgreifen, mehr prüfen und vergleichen und besser überwachen!
Wirklich? Vielleicht wäre es ja auch eine Überlegung wert, den ganzen Prozess des Prüfens zu überdenken? Fangen wir an! Prüfungen sollen validieren, ob der Prüfling das vorher Gelernte/Gelehrte verstanden hat. Hierzu werden klassischerweise reproduktions- oder …

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