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Zwei Threads zum Thema „Prüfungen“ und „Leistung“ greifen ein für mich hoch relevantes Thema auf - und bieten nur stark verkürzte oder polarisierende Aussagen, die dem Thema m.M.n. häufig nicht gerecht werden. Ein Thread in der Hoffnung auf konstruktiven Austausch!
Aussage von @blume_bob: „Kennt jemand einen Bereich außerhalb der Schule, bei dem man sich nicht anstrengend muss? Nicht schwitzen und Schmerz ertragen?“
Ich hoffe, nicht nur mir fallen VIELE Bereiche außerhalb der Schule ein, bei denen ich mich NICHT anstrengen muss und bei dem ich WEDER schwitzen NOCH Schmerz ertragen muss - in denen ich aber trotzdem Leistung erbringe.
Ich gehe aber davon aus, dass die Uneindeutigkeit des Tweets auf Verkürzung zurückzuführen ist. Gehen wir davon aus, dass @blume_bob deutlich machen wollte, dass das Leben kein Ponyhof ist und einem Erfolge (auch im Lernen) nicht nur „zufliegen“.
Dem kann ich absolut zustimmen! Allerdings suggeriert seine Aussage auch, dass Leistung ausschließlich durch Anstrengung, Schweiß und Schmerz zu erzielen sei.
Und das ist schlicht falsch! Wie @MAlpoguz geschrieben hat: „Alles, was ich gut mache, wird nicht abgeprüft. Ich mache es trotzdem gut. Schockierend, ganz ohne Druck und extrinsischer Motivation.“ Hier kommt ein zweiter Thread von @phwampfler ins Spiel.
Aussage von @phwampfler: „Aber der Fokus ist das Lernen. Klar ist Lernen eine Leistung. Aber Leistung nicht Lernen.“ Und genau ist hier m.M.n. der Hund in vielen Lehrerzimmern oft begraben!
Wir unterwerfen uns allzu oft der Vorgabe, dass Schüler Leistung erbringen sollen, anstatt wirklich zu hinterfragen, ob und was sie LERNEN. Wir alle kennen die Zahlen, wie wenig Schüler kurz nach Prüfungen noch von den abgeprüften Inhalten wissen.
Und dennoch machen wir „immer weiter so“. WARUM?
These 1: „Prüfungen dienen der Schulstruktur und Administration, nicht dem Lernen!“ WICHTIG: mit „Prüfungen“ meine ich solche, wie wir sie seit langem an unseren Schulen kennen: 25 SuS schreiben zur gl. Zeit die gl. Prüfung und werden an einem fiktiven Durchschnitt „gemessen“.
Nur wenn wir mit Prüfungen Druck aufbauen, können wir hunderte Individuen in Klassen organisieren und „ruhig halten“. Ich weiss, das ist sehr provokativ formuliert. Aber es ist doch Fakt, dass kein Elternteil auf die Idee kommen würde, seine Kinder daheim ständig zu prüfen.
Warum also in der Schule?
Das mit den preu. Kasernen kennen wir alle - warum schütteln wir das nicht ab? Wegen dem ach so harten Leben, in dem man später auch „schwitzen“ und „Schmerz ertragen“ muss? Sollten wir unseren Schülern vielleicht auch jeden Tag eine Ohrfeige als Prophylaxe für später mitgeben?
Frage: gibt es wiss. Erkenntnisse die belegen, dass Prüfungen (im oben genannten Setting) dem LERNEN des Einzelnen zuträglich sind? Und wenn ja: in welchem Verhältnis steht der Lernzuwachs zu verschwendeten Ressourcen, also zu Prüfungen, wo kein Lernzuwachs stattfand?
These 2: „Prüfungen sind die letzte Bastion, die die Sonderstellung von Lehrern absichern und ihnen Macht verleihen.“ Wieder sehr provokativ, ich weiss, aber ich glaube, dass dies ein wirklich wichtiger Punkt ist.
Ob als Schutz vor undisziplinierten Kindern und klagewütigen Eltern oder als Absicherung in Hinsicht auf die rechtlichen Vorgaben durch den Dienstherren - mit Prüfungen können wir all dies steuern. ABER: Es hat wieder nichts mit dem Lernen des Einzelnen zu tun!
These 3: „Wir werden uns so lange nicht von Prüfungen (im o.g. Setting) trennen, solange wir nicht akzeptieren, dass nicht jeder Lerner zum gleichen Zeitpunkt das Gleiche lernt, und solange wir Individuen miteinander vergleichen und an einem fiktiven Durchschnitt messen!“
Alle mir bekannten Ansätze, Bildung wirklich „neu“ zu denken, bzw. „zeitgemäße Bildung“ zu realisieren scheitern letztendlich daran, dass wir uns nicht von dem Vergleich im Prüfungsformat trennen.
Würden wir diesen Schritt schaffen, könnten Prüfungen prozessorientiert und individualisiert sein, und so den Lernprozess des EINZELNEN in den Blick nehmen.
Und was würde passieren, wenn wir das alte Prüfungsformat aufgeben?
1. Es lernen nicht alle das Gleiche! Das ist jetzt auch schon so - mit dem Unterschied dass unendlich viele Ressourcen von Schülern und Lehrern verschwendet werden, um dem Irrglauben zu erliegen „ich hab es ja mit meiner Klasse durchgenommen, also wissen sie es auch!“
2. Wir müssen Individuen nicht mehr sinnbefreit miteinander vergleichen, sondern können mit der prozessorientierten Begleitung und der hierauf bezogenen Feedbackschleife beginnen.
3. Da sich Schüler nicht mehr ungerecht behandelt fühlen, haben wir MASSIV weniger Disziplinprobleme. Welchen Lehrer würde das nicht freuen?
4. wir vergleichen Schüler nicht mehr mit einem Durchschnitt, sondern nur mit sich selbst. Der Gedankengang „Ein guter Hürdenläufer springt nur so hoch, wie er muss“ entfällt und führt zu besseren Leistungen des Einzelnen.
5. GG Art. 1.1 und 2.1 würden gewahrt werden.
Und jetzt bin ich gespannt! Auch ich habe verkürzt, provoziert und polarisierend formuliert - ja! Das bringt Twitter wohl ein Stück weit mit sich. Trotzdem hoffe ich auf offenen Austausch, in dem Meinungen erklärt werden, anstatt rants rauszuhauen. DANKE!
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