Ein Batch Biontech-Impstoff brauchte bisher 110 Tage zur Herstellung, nunmehr „nur“ noch 60 Tage. Das ist noch immer ziemlich lange und bedeutet, dass man in 2 Monaten nur so viel fertig hat, wie heute zu produzieren begonnen wurde.
eu.usatoday.com/story/news/hea…
Es lässt zudem den „Produktionsausfall“ in Belgien noch dubioser aussehen als bisher. Bei derart langer Produktionsdauer kann ein Maschinenupgrade nicht die Art von Lieferengpass erklären, den wir sahen. Ich glaube noch immer, dass da etwas verheimlicht wird.
Vermute, dass in Wahrheit entweder „halbfertiger“ Impfstoff umgeleitet wurde oder größere Mengen kaputt gegangen sind, denn bei 2-3 Monaten pro Batch dürfte ein Upgrade der „Reinigungs- und Abfüllanlage“ Lieferungen nur etwas verzögern, aber den Gesamtoutput kaum beeinflussen.
Das ist, wie ich betonen möchte, eine reine Vermutung, ein Verdacht, der auf nicht mehr basiert als Bauchgefühl und völlig falsch sein kann, aber je mehr ich über den Produktionsprozess erfahre, umso unbefriedigender die bisherigen offiziellen Erklärungen zum Produktionsausfall.
Wie auch immer, die mRNA-Impstoffproduktion scheint ein langwierigerer Prozess zu sein, als ich gedacht hätte. Bei 2 Monaten pro Batch kann es jederzeit zu nicht kompensierbaren Ausfällen kommen, wenn es am Ende der Kette Probleme gibt, die Batches verderben.
Generell kann jeder der zugelieferten Rohstoffe oder Reagenzien verunreinigt oder leicht anders zusammengesetzt angeliefert werden und die Ausbeute unvorhersagbar reduzieren, und erst mit der Zeit lernt man all die Probleme kennen.
Sogar völlig unerwartete Faktoren können krasse Auswirkungen auf die Ausbeute haben, etwa, weil ein Bauer Gülle auf die Felder neben der Fabrik kippt und minimal mehr CO2, Methan, Ammoniak oder Schwefelwasserstoff in der Luft Reaktionen beeinflussen können.
Oder einfach das Wetter. Jeder kennt den Effekt, wenn nach einem Wetterumschwung Suppe plötzlich sauer wird oder Milch „umkippt“. Temperatur ist dabei der Hauptfaktor, aber nicht nur die Höhe, sondern auch die Schwankungen beeinflussen, welche Keime sich wie stark vermehren.
Selbst vergleichsweise einfache chemische Reaktionen funktionieren in der Realität nicht wie auf dem Papier. Oft reagiert nur ein Teil der Ausgangsstoffe, es entstehen unerwünschte Nebenprodukte, und die Trennverfahren sind nicht perfekt.
Es gibt Leute, die sich ihr gesamtes Berufsleben, jahrzehntelang, damit beschäftigen, eine einzige chemische Reaktion produktionstechnisch zu optimieren, und die mRNA-Vakzin-Produktion in großem Maßstab scheint noch eher am Anfang der Optimierung zu stehen.
Erwarte daher weitere Fortschritte bei der Produktion, aber auch neue Probleme in einem Umfeld, wo jahreszeitliche Schwankungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre, schwangeres Laborpersonal oder zu lautes Reden Einfluss auf die Ausbeute von chemischen Reaktionen haben können.
All die Faktoren zu erfassen, zu verstehen und zu kontrollieren dürfte ein langer Weg sein. Eigentlich fast ein Wunder, dass die Produktion überhaupt in etwa im Rahmen des Erwarteten funktioniert. Dahinter dürfte unglaublich viel Arbeit und Know-How stecken.
Ein Dank von mir daher an alle, die gerade unter unglaublich viel Druck die Impfstoffproduktion auf- und ausbauen und betreuen und rund um die Uhr die Anlagen am Laufen halten, wo ein kleinster Fehler tausende oder millionen Dosen zerstören kann und die ganze Welt hinschaut.
Gibt bestimmt entspanntere Jobs, aber es ist sicher auch sehr sinnstiftend, wenn die eigene Arbeit dazu beiträgt, Millionen Menschenleben zu retten. Hat man auch nicht alle Tage.

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6 Feb
Corona-Update 5.2.2021: 7-Tage-Schnitt bei Neuinfektionen (~10.500/Tag, -15%/Woche) und Toten (~700/Tag, -5%/Woche) sinkt, aber beides noch auf hohem Niveau. 7-Tage-R-Wert bei 0,91, leicht steigende Tendenz in den letzten Tagen.
Bremen (+23%), Saarland (+7%) und Hamburg (+1%) mit steigenden Neuinfektionen, alle anderen Länder mit sinkenden Zahlen, stärkste Rückgänge in Sachsen-Anhalt (-36%) und Brandenburg (-33%). Inzidenzen zwischen 71 (Baden-Württemberg)und 161/100.000 (Thüringen).
In den Top-30 Landkreisen auf pavelmayer.de/covid/risks auf den ersten 6 Plätzen nur bayrische Landkreise, danach 3 x Thüringen. Insgesamt 11 x Bayern. Die "neuen" Länder sind mit 14 Kreisen in den Top 30 noch immer überrepräsentiert, aber nicht so stark wie in den Vorwochen.
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2 Feb
Das ist mehr, als ich gedacht hätte, aber plausibel. Es bedeutet, dass in ca. 6 Wochen die neuen Varianten dominieren werden und in ca. 3 Wochen der R-Wert über 1 gehen wird, wenn wir nicht weiter Kontakte reduzieren.
Hier ist zu sehen, wie sich #B117 in England durchgesetzt hat; ähnliches können wir auch bei uns erwarten. Es waren zwei Monate, in denen der Anteil von 2% auf 70% gestiegen ist.
Wenn wir sofort *alles* dicht machen, was nicht absolut lebensnotwendig ist, können wir in den nächsten 2-3 Wochen noch richtig was reißen; wenn nicht, geht es Ende März richtig ab, und wir verbringen April und Mai in einem härteren Lockdown, als es das Land bisher gesehen hat.
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2 Feb
Die britische #B117-Variante ist wohl mehrfach unabhängig in etwas mutiert, das dieselbe E484K-Mutation aufweist wie die brasiiianischen und südafrikanischen Varianten, die existierende Impstoffe weniger effektiv machen und Reinfektion derer ermöglichen, die Covid-Classic hatten.
Außerdem besagen 6 von 10 Studien, dass #B117 tödlicher ist, und die besten Studien deuten auf 30% höhere Sterblichlichkeit bei #B117-Infektionen hin.
#B117 ist auch bei uns heimisch, und wird sich wahrscheinlich auch bei uns die E484K-Mutation zulegen, wenn es sich ausbreitet. Das bedeutet, dass Herdenimmunität in weite Ferne rückt und vielleicht nie erreicht werden wird.
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31 Jan
Ok, das macht Sinn. Israel hat quasi seine Bevölkerung als Massenversuchsobjekt mitverkauft. Israel bekommt daher mehr Impfstoff, als sie verimpfen können, und zwar, bis alle durchgeimpft sind. Aus heutiger Sicht wohl ein guter Deal, aus damaliger Sicht vielleicht etwas verwegen.
So können wir Israel auch dankbar sein dafür, dass wir so früher wissen werden, wie der Impfstoff wirkt und wie sicher er in großem Maßstab ist und wirkt. Israel impft im Übrigen bereits auch Kinder, so dass wenn unsere Kinder an der Reihe sind, es hinreichend sicher sein wird.
Klingt etwas zynisch, aber in einer Pandemie ist man nun mal mit Entscheidungen konfrontiert, bei denen schwierige Risikoabwägungen vorgenommen werden müssen, die Leben und Gesundheit kosten oder bewahren können. Bisher sieht es so aus, dass es sich für Israel auszahlen könnte.
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31 Jan
Fünf Millionen Dosen Impfstoff erwartet Minister Spahn im Februar. Das ist ein Witz. In dem Tempo würde es sechs Jahre dauern, bis alle geimpft sind. Ja, ich habe nie erwartet, dass es vor April richtig losgeht, aber so brauchen wir allein 4 Monate für die höchste Risikogruppe.
Der Skandal ist, dass Israel seine komplette Bevölkerung durchgeimpft haben wird, lange bevor wir auch nur den 10-15% höchstgefährdeten Mitgliedern unserer Gesellschaft Impfungen anbieten können.
Ich vermisse auch jeden Ansatz mittelfristiger Planung bei den Impfungen, wenn es plötzlich genug Impfstoff gibt. Dann müsste nämlich 20-50 mal soviel pro Tag verimpft werden, und das geben die Impfzentren nicht her. Die niedergelassen Ärzte könnten aber täglich Millionen impfen.
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30 Jan
Corona wirft immer wieder ethische Fragen auf. Sollen Promis sich jetzt öffentlich impfen lassen, um mit gutem Beispiel Impfunwillige zu überzeugen, oder sich wie jeder andere hinten anstellen bzw. anhand ihrer Risikogruppenzugehörigkeit eingereiht werden?
Ob man nun einige Tausend Promis impft, macht bei ~10 Millionen Personen in der Kategorie "höchstes Risiko" jetzt zahlenmäßig nicht viel aus, und es gibt noch immer zu viele Leute, die sich nicht impfen lassen wollen.
Andererseits ist irgendwie nicht einzusehen, warum Leute, die ohnehin privilegiert sind, jetzt auch noch bei der Impfung bevorzugt werden sollten, und es könnte auch der eine oder andere Risikofall sterben, selbst, wenn man nur einige Tausend jüngere Promis vorzieht.
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