Corona wirft immer wieder ethische Fragen auf. Sollen Promis sich jetzt öffentlich impfen lassen, um mit gutem Beispiel Impfunwillige zu überzeugen, oder sich wie jeder andere hinten anstellen bzw. anhand ihrer Risikogruppenzugehörigkeit eingereiht werden?
Ob man nun einige Tausend Promis impft, macht bei ~10 Millionen Personen in der Kategorie "höchstes Risiko" jetzt zahlenmäßig nicht viel aus, und es gibt noch immer zu viele Leute, die sich nicht impfen lassen wollen.
Andererseits ist irgendwie nicht einzusehen, warum Leute, die ohnehin privilegiert sind, jetzt auch noch bei der Impfung bevorzugt werden sollten, und es könnte auch der eine oder andere Risikofall sterben, selbst, wenn man nur einige Tausend jüngere Promis vorzieht.
Umgekehrt hilft eine hohe Impfquote auch diejenigen zu schützen, die nicht geimpft werden können oder die keine Immunität aufbauen können. Den Schaden durch "Promibevorzugung" können wir halbwegs errechnen, den Nutzen allerdings nur erahnen.
Wenn man einen klaren Schaden einem unklaren Nutzen gegenüberstellt, kann man aus ethischer Sicht nicht den unklaren Nutzen wählen, und dazu kommt noch der Gerechtigkeitsaspekt. Eigentlich eine klare Sache. Oder?
Warum fühlt es sich trotzdem unbefriedigend an? Können wir nicht beides haben oder einen Kompromiss finden? Nur ganz wenige Promis nehmen? Oder nur Promis nehmen, die Risikogruppe oder aus anderen Gründen akzeptabel sind, wie etwa die Kanzlerin?
Darauf scheint es mir hinauszulaufen, in Verbindung mit öffentlichen Angriffen auf diejenigen, die als Amtträger in den vorzeitigen Genuß einer Impfung kommen, etwa, weil sie anwesend waren, als im Impfzentrum oder Heim Restdosen angefallen sind. Oder so.
Ich warte auch noch auf die Kampagne gegen Vermögende und Prominente, die sich im Ausland ihre Impfungen erkaufen sowie gegen Impftouristen allgemein. In den USA läuft das alles schon, und in einigen Bundesländern hatten wir das Impftourismusthema ja bereits.
Wie auch immer, für mich verblasst das Problem vor dem Hintergrund der drittklassigen Performance der EU bei der Impfstoffbeschaffung, alles unter deutscher Ratspräsidentschaft wohlgemerkt, mit @vonderleyen an der Spitze.
Die Entscheidung, dass die EU gemeinsam beschafft, war grundsätzlich richtig und es ist auch epidemiologisch sinnvoll, wenn einzelne EU-Länder nicht hinten runterfallen, aber hier hätte Deutschland einfach mal Führungstärke beweisen und das Scheckbuch zücken können.
Wir hätten es uns problemlos leisten können, der ganzen EU den Impfstoff zu bezahlen *und* jeden einzelnen Hersteller so zu beauftragen, dass er die EU allein bis zum Sommer komplett versorgen kann. Wären so 20 Mrd. gewesen, schätze ich, aber man wollte wohl keinen Präzedenzfall.
So hat man der EU und uns allen einen Bärendienst erwiesen, und dass die Performance von Großbritannien mit seiner inkompententen Clowntruppe von der EU deutlich unterboten werden konnte, ist vor dem Brexit-Hintergrund besonders schmerzhaft.
Als EU wiederum hätte man eigentlich Geld zusammenwerfen und der halben Welt den Impfstoff mitfinanzieren und sich ziemlich beliebt machen können. Wäre epidemiologisch auch sinnvoll, und eine Pandemie braucht eine globale Antwort. Da geht auch noch mehr, liebe EU.
Mal sehen, mittlerweile sind Einige aufgewacht und die Fehler bei der Impfstoffbeschaffung offenbar geworden, und bis zum Sommer sollte eigentlich noch einiges machbar sein an zusätzlichem Impfstoffproduktionsaufbau. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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Fünf Millionen Dosen Impfstoff erwartet Minister Spahn im Februar. Das ist ein Witz. In dem Tempo würde es sechs Jahre dauern, bis alle geimpft sind. Ja, ich habe nie erwartet, dass es vor April richtig losgeht, aber so brauchen wir allein 4 Monate für die höchste Risikogruppe.
Der Skandal ist, dass Israel seine komplette Bevölkerung durchgeimpft haben wird, lange bevor wir auch nur den 10-15% höchstgefährdeten Mitgliedern unserer Gesellschaft Impfungen anbieten können.
Ich vermisse auch jeden Ansatz mittelfristiger Planung bei den Impfungen, wenn es plötzlich genug Impfstoff gibt. Dann müsste nämlich 20-50 mal soviel pro Tag verimpft werden, und das geben die Impfzentren nicht her. Die niedergelassen Ärzte könnten aber täglich Millionen impfen.
Corona-Update 29.1.2021: 7-Tage-Schnitt bei Neuinfektionen (~12400/Tag) und jetzt auch Toten (730/Tag) rückläufig, 7-Tage-Inzidenz 114/100.000, 94 laut RKI. 7-Tage-R-Wert 0,89.
Zahl der Tests (1,07 Mio., -8,1%) sowie Positivrate (9,97%, -4,51%) leicht rückläufig. Bedeutet, dass der Rückgang der Zahlen auch einen Rückgang des Infektionsgeschehens wiederspiegelt, wobei die Zahlen geringfügig stärker zurückgingen als das reale Infektionsgeschehen.
Immer wieder Spaß mit den RKI-Daten. Heute neu der "LK Saarpfalz-Kreis", hieß bisher "LK Saar-Pfalz-Kreis". Aber das ist eine Petitesse. Was mir mehr Sorgen macht sind die "Stornos" von Fällen, die es zuvor nicht gab.
Täglich finden sich zig bis hunderte Fälle, die man abziehen muss, weil vermutlich eine Korrektur im Datenbestand durchgeführt wurde, aber zu rund einem Viertel dieser Fälle gibt es keinen passenden Fall, der "storniert" werden könnte.
Konkret: Es gibt -1 Fallanzahl in einem Landkreis mit Geschlecht und Altergruppe und Meldedatum, aber es gab zuvor kein +1 mit den entsprechenden Daten. Das ist etwa so, als würden Rechnungen für Artikel storniert, die nie in Rechnung gestellt wurden, weil es sie nie gab.
Beeindruckend, mit welcher Geschwindigkeit der Regierungswechsel in den USA vonstattengeht. Und wohltuuend, dass jetzt wieder eine funktionierende Politikmaschine die USA antreibt.
Durch die vier Jahre Donald Trump hat sich unser Maßstab so sehr gewandelt, dass Normalität und erwartbare Professionalität als großartige Überraschung erscheinen, so bewegend, dass einem hier und da die Augen feucht werden.
Tatsächlich verdient gute Politik mehr Respekt, als sie oft genießt, und gute Politik zu machen ist verdammt schwer, oft ist gute Politik nicht einmal zu erkennen, denn Politik ist keine Wissenschaft, und es gibt keinen objektiven Maßstab. Gesellschaft setzt Maßstäbe.
Hörte gerade, dass nicht wenige Professoren an Berliner Hochschulen derzeit auf Präsenzprüfungen bestehen, so lange es erlaubt ist, und weil nicht richtig gezählt wird, bleibt es erst mal auch erlaubt. Ist nur ein kleines Beispiel dafür, warum sich trotz Lockdown Leute anstecken.
Wir müssen länger im Lockdown bleiben, weil manchen Professoren Online-Prüfungen zu umständlich sind. Die im Übrigen so funktionieren, dass die Studenten die Klausur zu Hause ausdrucken, auf Papier schreiben, einscannen, hochladen und das Original per Post an den Prof schicken.
Ich hatte bei Online-Prüfungen ja an irgendein Online-System gedacht, aber in Wirklichkeit würde als technische Voraussetzung ein Faxgerät ausreichen. Können wir vielleicht mit der Lüge aufhören, wir wären exzellenter Forschungs-, Wissenschafts- und Technologiestandort?
Armin Laschet hat in meinen Augen im Umgang mit der Corona-Pandemie schwere Schuld auf sich geladen, und ich halte ihn für den Tod zigtausender Menschen persönlich mitverantwortlich. Dieser Mann gehört eigentlich in Schimpf und Schande aus der Politik gejagt.
Angela Merkel ist trotz ihres Doktortitels keine Intellektuelle, und sie ist wenig inspirierend und mitreißend, aber sie ist solide, pragmatisch und friedfertig, und kein Vergleich mit dem Halbjuristen und Ex-Journalisten Laschet, der sich laufend selbst überschätzt.
Laschet halte ich für gefährlicher als Merkel, weil bereits in seiner Rolle als Ministerpräsident sein Wirkungsvermögen sein Erkenntnisvermögen zu sehr übersteigt, er zu impulsiven Reaktionen neigt und charakterlich eher befleckte B-Ware ist.