Ich glaube eine der wichtigsten Lektionen für mich aus meiner eigenen Forschung ist, wie sehr man daneben liegt. Mit eigentlich allem. Eigentlich immer.
Man weiß den ganzen Kram aus dem Lehrbüchern, die aktuellsten Konzepte aus der wiss. Literatur, denkt, man hätte den Durchblick
Die Lösung für ein aktuelles Problem fällt einem dann wie Schuppen von den Augen. "Dasunddas kann nur soundso sein! Alles macht Sinn!"
Man designt ein megaschlaues, elegant einfaches Experiment, um das zu beweisen. Ein Experiment, das zweifelsfrei klärt, ob A oder B wahr ist.
Das Ergebnis ist dann C.
C war gar keine Option. Es macht gar keinen Sinn, dass C rauskommt. C dürfte es gar nicht geben.
Man muss wieder neu drüber nachdenken. Das geile "ich weiß jetzt, wie das alles zusammenhängt" von letzter Woche wirkt jetzt unfassbar naiv.
Wenn man es gut macht, hat man ab und zu wenigstens teilweise richtig gelegen. Mit viel Durchhaltevermögen muss man klären, was C soll.
Irgendwann kommt man bei einer Erklärung an, die irgendwie zu allem passt, was man jetzt hat. Manchmal steckt noch was vom ersten Geistesblitz drin. Aber viel weniger klar und elegant. Man weiß, dass da noch irgendwo komplizierende Faktoren sein müssen, die noch Klärung brauchen.
Aber oft lag man halt auch ganz einfach falsch. Obwohl es doch alles so toll Sinn gemacht hat.
Da gewohnt man sich dran. Man hört auf zu denken, jetzt hätte man die Lösung. Man denkt stattdessen: hm, vielleicht auch in die Richtung.
Vor allem ist man kein bisschen mehr beeindruckt, wenn einem jemand eine superschlüssige Hypothese darlegt. "Was, keine empirischen Belege? Jaja, schlüssig-popüssig. Ich habe ne Mülltonne voll schlüssiger Erklärungen, die alle falsch waren".
Ich komme darauf, weil ich gerade über diese "Wissenschafts"Bücher nachdenke, die die Auslagen der Buchläden füllen. Die wenigsten davon beschreiben leicht verständlich den Stand der Wissenschaft zu einem Thema (gibt's natürlich, ein paar sehr gute darunter).
Die meisten sind von irgendwelchen Typen, die selbst nie oder kaum geforscht haben. Haben gerade ihren undergrad-Abschluss und auf dem Klo einen Geistesblitz bekommen. Schreiben ein ganzes Buch drüber.
Jetzt gerade gibt's natürlich viel in der Richtung zu Corona. War in meiner Wahrnehmung aber schon vorher das Gleiche. Da legt einer dar, wie Vitamin D in Wirklichkeit wirke, was in Wirklichkeit Krebs erzeuge, was die Wahrheit (TM) über Cholesterin sei. Alles total schlüssig.
Am besten noch "ich habe versucht, das zu erforschen, aber im angestaubten Establishment ist für derart geniale Ansätze kein Geld da".
Vielleicht weil dein aufgeblähtes Hypothesenkonstrukt kaum empirisch gestützt ist? Weil alles wie ein Kartenhaus zusammenfällt, wenn...
...auch nur eine deiner ungestützten Annahmen nicht zutrifft? Vielleicht, weil du noch nie in deinem Leben gezeigt hast, dass du auch nur ein viel kleineres Forschungsprojekt eigenständig leiten könntest?
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boah ey @SPIEGELTV. Was soll denn der Beitrag über Stöcker, der "mit einem Antigen möglicherweise DIE LÖSUNG gefunden" hat? Ist es denn eine so crazy Idee, wenigstens mal jemanden um Einschätzung zu bitten, der sich mit Impfstoffen auskennt?
Ihr übernehmt völlig unkritisch das selbstherrliche Narrativ dieses Typen, der diese "ganz simple Idee" gehabt haben will, auf die ja außer ihm niemand komme, weil alle zu borniert seien. Ist das ernsthaft Euer journalistischer Anspruch? Das ist alles, was Ihr drauf habt?
Was er vorschlägt, ist ein rekombinanter Subunit-Impfstoff mit Adjuvans. Freunde. Das ist nicht outside-the-box oder "so simpel, dass da bisher niemand drauf gekommen ist". Das ist unter den 269 in Entwicklung befindlichen Coronaimpfstoffen mit ca 40% DER HÄUFIGSTE ANSATZ!
Vielen Dank für das Angebot. Wichtiges Thema, schön dass Sie es aufgreifen. Leider bin ich pessimistisch, dass Sie in diesem Gespräch brauchbare Antworten erhalten werden. Ich kenne Frau Radzwill zwar nicht, aber der Verein, den sie vertritt, (1/x)
ist mir bisher weniger durch Expertise, dafür mehr durch Aktivismus und verzerrte Darstellungen der Sachverhalte aufgefallen. Ich möchte Ihnen trotzdem ein paar Fragen an ihren Gast vorschlagen, die vielleicht hilfreich sind. (2/x)
1.Frage
2014 brach das tödliche Ebola in mehreren westafrikanischen Staaten aus. Inmitten des Ausbruchs veröffentlichte „Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ eine Pressemitteilung, in der der Verein behauptete, zu Ebola würde „in die falsche Richtung geforscht“ - einzig aus (3/x)
Erstmal gucken, wen man dazu bringen will. Individuelle Wissenschaftler:n oder Institute? (Oder beides?) Unterschiedliche Mechanismen. Karliczek zielt wohl auf ersteres. Damit habe ich persönliche Erfahrung. (2/x)
Wer in Wissenschaft bleiben will, muss ständig Lebenslauf voran bringen. Mich für etwas engagieren, das nicht auf dem akademischen CV punktet, hält mich von meinem großen Ziel ab: Prof.
Kann ich mir nicht leisten. All meine Energie muss da rein, sonst kann ich es gleich lassen
Hey Physiker und Sci-Fi-Fans!
Habe gestern Sohn Geschichte erzählt, in dem ein Kind ein megaschnelles Auto baut, dann wegen Relativität durch die Zeit reist. Dabei kamen mir Fragen auf.
Je schneller er fährt, desto langsamer vergeht die Zeit für ihn im Vergleich mit zuhause (1/x)
Wenn er also fast so schnell ist wie das Licht, reist er weit in die Zukunft. Wenn er schneller ist als das Licht (wenn es ginge) würde die Zeit für ihn rückwärts laufen. In mir bekannten Sci-Fi stories war das immer eine Reise in die Vergangenheit (in meiner jetzt auch) (2/x)
Aber beim Erzählen ist mir aufgefallen, dass Reise in die Vergangenheit ja sein müsste, dass seine subjektive Zeit vorwärts läuft, die Zeit "draußen" rückwärts. Das ist aber nicht die lineare extrapolation von fast Lichtgeschwindigkeit auf über Lichtgeschwindigkeit. (3/x)
Ich möchte mal für Hendrik Streeck in die Bresche springen. In Artikeln wird er gerade als "umstrittener Virologe" mit einer "umstrittenen Studie" bezeichnet. Streeck ist ein renommierter Wissenschaftler, und seine Heinsbergstudie ist enorm wichtige Forschung. (1/x)
Ich habe Kritik an seiner Kommunikation. Genau wie Mai im letzten Video ausgeführt hat. Tl;dw: In der Gangelt-Pressekonferenz präsentierten die Forscher ihre Ergebnisse zu Letalität und Dunkelziffer. Dann verwiesen sie auf Plan der DGKH,... (2/x)
... nach dem könne jetzt zu "Phase 2", also Lockerungen übergegangen werden. Das musste so wirken, als sei das eine Konsequenz aus der ermittelten Letalität, also 'Daten zeigen: nicht so schlimm, wir können lockern'. Ähnliches in anderen Auftritten. (3/x)
Die Pressekonferenz zu den Heinsberg-Daten lässt mich verwirrt zurück. Es wird der Eindruck erweckt, die Daten würden für eine baldige Lockerung der social distancing Maßnahmen sprechen. Aber die konkrete Begründung ist dann: (1/x)
"Die Bürger sind jetzt so gut im Hygieneverhalten, dass sie das auch in Geschäften und Schulen hinkriegen" - zum Hygieneverhalten haben sie doch gar keine Daten vorgestellt? Mein Bauchgefühl geht in die gleiche Richtung, aber das ist doch keine Schlussfolgerung aus den Daten(2/x)
Das interessanteste Ergebnis fand ich, dass die Letalität bei 0.37% liegt. Wenn man extrapoliert, ergibt sich aus den bundesweiten Todeszahlen, dass die Gesamtzahl der Infizierten ca 5-fach über der bekannten liegt. Das entspricht bisherigen Schätzungen (3/x)