Weil ich gestern die Widersprüchlichkeiten der MPs kritisiert habe, was hat Merkel heute so gesagt (Ostern mal beiseite)? „Die dritte Welle mit der tödlicheren und ansteckenderen Mutation" ist da. Was also tun wir?
Keine Osterruhe, weil organisatorisch nicht machbar, fair enough. Andere Maßnahmen gg. exponentielles Wachstum? Wird irgendwann im April besprochen. Aber Merkel: Mit „allen Maßnahmen setzen wir weiter alles daran, dass unser Gesundheitysystem der immensen Belastung standhält".
Das ist wieder der bekannte Selbstwiderspruch: man nimmt eine (sehr begrenzte) Maßnahme zurück, schafft keine neuen - aber setzt dennoch "alles" daran? Und "zugleich" sollen die "überaus großen Folgen für Wirtschaft, Bildung, Kultur (...) aufgefangen werden“? Waschen ohne nass?
Die Aufzählung ist schon schief, weil Kultur viel mehr auffangen muss(te) als Wirtschaft. Und weil für die Bildung aka Schulen&Unis bis heute so gut wie kein effektiver Schutz wirkt. Alle sonstigen wichtigen Maßnahmen, die sie nennt, kommen viel zu langsam.
Vor allem ist die paradoxe Vereinigung zweier gegensätzlicher Vektoren – "alles" gegen das Virus, aber möglichst wenig Folgen – nur eine Variation dessen, was uns seit Beginn der Pandemie erzählt wird. Merkel sagt wieder fast nur richtige Dinge. Aber tut kaum etwas davon.
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1: Heute vor einem Jahr starteten Christiane Stenger @stengiwitzki und ich #maskeaufmaskeauf.de@maskeauf. Wir waren so privilegiert, genug Unterstützung, Zeit, Geld zu haben, um 8 Wochen nichts anderes zu tun. Ein Thread, wie das so lief. Und wie ich heute denke. 😷
2: Anfangs sind wir mit Selfmade-Masken in Supermärkte, um zu testen, wie schief man angeschaut wird. Ergebnis: sehr schief. Masken bedeuteten Krankheit. Aber Studien&ExpertInnen sahen Nutzen, @drosten empfahl sie, ganz Asien trug sie. Im Westen blieb man arrogant-misstrauisch.
Olaf Scholz findet hier ausdrücklich auch, dass wir testen und impfen sollen und dann wird es, spätestens im Juni. Stärkere Maßnahmen jetzt will er nicht. Immerhin gab es keine Öffnungen. MPK findet er okay. Schulden sind machbar.
(Ich dachte kurz, er spricht an der Stelle unten von Opfern, Infizierten, medizinischem Personal, all den Schäden der Krankheit, wegen derer man jetzt mutiges tun muss. Aber es ging um Schulden, die man machen sollte, um die Wirtschaft zu retten. Er ist ja auch Finanzminister.)
Ich meine das nicht bösartig, ich finde es nur wichtig für ein komplettes Bild: nach der MPK und der gescheiterten Osterruhe hat sich die Regierung offiziell der dritten Welle ergeben. Die jetzt geltenden Maßnahmen müssen reichen. Bis genug Impfungen da sind, halten wir eben aus.
Habe heute Morgen drei längere Ministerpräsidenten-Interviews im Wortlaut gehört, um nicht Verkürzungen und Schlagzeilen auf den Leim zu gehen. Bin jetzt aber wirklich nur noch ratlos, wie wir es mit diesem Personal schaffen sollen. Sie bewegen sich längst jenseits der Realität.
Gespenstisch ist die Ruine ihrer Sprache. Abgesehen von all den entleerten Vokabeln ("Strategie, Konzept") widersprechen sie sich oft im selben Satz, meist im Übergang von abstraktem zum konkretem, von Norm zu Handlung, etwa: "Wir müssen unbedingt schützen, XY lassen wir offen."
Ihre Einstellung zum Souverän klingt wie ein eingebildetes Stockholm Syndrom: "Die Menschen" infizieren sich und wollen Öffnungen, sind Opfer und Täter, dienen als Begründung für den fahrlässigsten Unsinn und gleichzeitig als Sündenböcke, wenn der Unsinn scheitert.
Diese ganze unselige Mallorca-Nummer zeigt mir nochmal, wieso mich unterlassene Hilfeleistung bei technischen Maßnahmen (Masken, Lüfter, Tests etc.) so übertrieben triggert: Weil sie früher oder später in eine kaputte, aufgeheizte Debatte von Menschen gegen Menschen führt.
Hätte man, wie es manche asiatische Staaten schon in den ersten Monaten 2020 zum Standard machten, früh die Kapazitäten aufgebaut, an Flughäfen massenhaft zu testen, wenigstens Einreisende aus Risikogebieten (das vielleicht sogar europäisch koordiniert), hätte man ein Mittel...
...gehabt gegen Infektionen&Varianten, die zwangsläufig eingeschleppt wurde&werden – spätestens seit B117 muss das doch klar sein. Stattdessen diskutiert man mit enormer Energie immer neue juristisch drastische Maßnahmen und soziale Konfliktlinien (alt vs. jung, arm vs. reich...
Dieses Narrativ der Überraschung und des Nichtwissenkönnens, welches uns Politik mometan für die vergangenen 12 Monate Pandemie erzählen will, ist natürlich von vorne bis hinten fiktiv. Es gab seit Jahren Planspiele, Warnungen, Pandemiepläne auf genau so einen Sars-Ernstfall hin.
Als die Pandemie hier war, gab es neben den Entwicklungen aus dem Ausland von Anfang an eine dominante, gutbelegte Empfehlung aus der weltweit renommierten hiesigen Virologie/Epidemiologie: ernst nehmen. Lieber eher viel und länger als zu wenig. Zweite Welle einrechnen.
Als die zweite Welle in vielen Ländern aufkam und auch hier absehbar wurde, wurden diese Empfehlungen erneuert, mit zunehmendem Nachdruck. Wieder warnte man vor Unterschätzung, während im Ausland deren Folgen schon sichtbar wurden. Und wurde nicht mehr, sondern weniger gehört.
(Thread:) Diese Stellen des @derspiegel-Interview von M. Brinkmann @BrinkmannLab machen sprachlos. Diese fahrlässige Ignoranz, nochmal und nochmal auf die heiße Herdplatte zu fassen, Opfer und Risiken egal, egal was Zahlen und Expert*innen sagen? spiegel.de/wissenschaft/m… (€)
"Am Ende haben dann aber wohl viele Ministerpräsidenten nicht mitgespielt. (...) Allein diese zwei Wochen Verzögerung bis Anfang November haben uns in den letzten drei Monaten etwa 30.000 Menschenleben gekostet. Jetzt, mit den neuen Varianten, passiert wieder das Gleiche."
"Aber dann hörte ich aus dem Kanzleramt, dass die Ministerpräsidenten selbst die 35 nicht geschluckt haben, heraus kam dann die 50. Es muss ein Basar gewesen sein, ein Geschacher, unglaublich."