1: Heute vor einem Jahr starteten Christiane Stenger @stengiwitzki und ich #maskeauf maskeauf.de @maskeauf. Wir waren so privilegiert, genug Unterstützung, Zeit, Geld zu haben, um 8 Wochen nichts anderes zu tun. Ein Thread, wie das so lief. Und wie ich heute denke. 😷
2: Anfangs sind wir mit Selfmade-Masken in Supermärkte, um zu testen, wie schief man angeschaut wird. Ergebnis: sehr schief. Masken bedeuteten Krankheit. Aber Studien&ExpertInnen sahen Nutzen, @drosten empfahl sie, ganz Asien trug sie. Im Westen blieb man arrogant-misstrauisch.
3: Also: Videos, in dem Prominente wie Lena Meyer-Landrut, Charlotte Roche, @officiallyjoko @joydenalane @janboehm @koeppenjan @rezomusik @TommiSchmitt und viele mehr sich trauten, für die Maske zu werben. instagram.com/tv/B-F3RxXob9_/ & instagram.com/tv/B-P5Ybko0_C/.
4: Fast wichtiger, auf jeden Fall anstrengender war die kleinteilige Social-Aufklärung gegen die massiven Zweifel: Tausende Kommentare und Tweets. Immer wieder die gleichen Argumente. Bringt nichts, geht nicht, schadet nur. Überraschung: Deutschland kann sehr, sehr zäh sein.
4: Schnell fanden sich dutzende freiwillige HelferInnen, Freunde, Kolleginnen, Fremde. Wir haben wirklich Tag und Nacht gearbeitet, ohne Pause. Aber als @officiallyjoko tatsächlich einen Gruß von Cro aus Bali schickte, als @samelou mir ein Video von @janboehmermann mit Maske und
5: Klopapier auf dem Kopf weiterleitete, als @saschalobo #maskeauf bei Lanz erwähnte und der sich nachhaltig in das Thema verbiss, schien einiges möglich. Endlich drehte sich das Narrativ in Richtung Solidarität: Masken, auch selbstgemachte, schützen andere vor dir.
6: Wir fingen an, alles zu übersetzen in 20+ Sprachen (völlig größenwahnsinnig, tbh). Wir sprachen mit Menschen aus aller Welt, die ähnliche Ideen hatten. Die TschechInnen waren am schnellsten mit einer internationalen Kampagne. Dann änderte die CDC in den USA ihre Empfehlung.
7: Ich wollte nie Aktivist oder so etwas sein, wollte immer nur schreiben. Aber zu sehen, was geht, wenn viele Leute miteinander etwas erreichen wollen, war fantastisch. Eine superfordernde Parallelwelt mitten im ersten Lockdown. Simpel, aber: Selbstwirksamkeit ist eine Droge.
8: Und Ende April dann endlich die Maskenpflicht in ganz Deutschland. Sie wäre auch ohne uns gekommen, da bin ich mir sicher. Die Maske war zu logisch, als dass sie sich nicht früher oder später durchgesetzt hätte, mit oder ohne #maskeauf.
9: Was wir also wirklich erreicht haben: keine Ahnung. Vermutlich macht man so etwas immer zuerst für sich selbst.
Dass man Engagement nicht verpflichtend in der Schule lernt, ist ein Fehler. Dass es vielen von uns (inkl. mir) erstmal fern liegt, für etwas zu kämpfen, ist falsch
10: Aber: das alles war aber überhaupt erst nötig, weil Jens Spahn und das RKI viel zu lange gezögert haben, ihre falsche Einschätzung gegen Masken zu korrigieren (wie die WHO). Hinter den Kulissen sprach man uns gut zu. Vorne herum spielte man so lange wie möglich auf Zeit.
11: In der größten Krise der BRD verzögerte man eine sinnvolle Maßnahme, weil man zurecht Angst hatte, für die Maskenknappheit verantwortlich gemacht zu werden (die Pandemiepläne sahen Vorräte vor). Die dubiosen Maskendeals in der Union sind für mich deshalb doppelt zynisch.
(11,5: Kurze Pause zur Freude: Immerhin dieser eine sture Maskenverweigerer ist inzwischen weg.)
12: Auch dafür bewundere ich AktivistInnen heute noch mehr: viele "neins", wenige "jas", immer wieder gegen die Trägheit&Ignoranz der Systeme arbeiten – und andere bereichern sich. Wenn mich heute jemand um etwas bittet, denke ich daran, der wievielte ich wäre, der "nein" sagt.
13: Das Gefühl, aus dem heraus ich mich überhaupt für die Masken interessiert habe, ist geblieben: es muss doch möglich sein, sich als Wissensgesellschaft besser zu schützen? Heute bin ich ratloser denn je. In diesem Jahr passten Information und Aktion so verdammt selten zusammen
14: Impfen, testen, lüften, nachverfolgen: nichts funktioniert bei uns wirklich. "Versagen" ist die einzige mögliche Vokabel dafür. Wie optimistisch wir damals waren, dass wir es schon hinkriegen würden! Wie groß die Erschöpfung heute ist. Wie wenig wir dazugelernt haben.
13: Und so gerne ich an #maskeauf zurückdenke, so unbedingt großartig es mit Christiane und all den anderen war, so bitter ist leider mein Fazit: Wenn man mir damals gesagt hätte, dass wir nach einem Jahr auf vielen Dimensionen schlechter dastehen als zu Beginn, trotz...
14: ...Impfstoff und Milliarden Euros und großen Opfern; sich dafür Politiker an der Versorgung mit lebenswichtigen, unnötig knappen Produkten persönlich bereichern – ich glaube, ohne jeden Pathos: ich hätte einfach nur geweint.
15: Etwas positives zum Abschluss: Dieses Twitter hier war und ist eine unschätzbare Ressource an Wissen, Hilfe und Austausch. Danke für all die Unterstützung und sorry fürs viele Besserwissen damals.
Wünschen wir uns, dass wir die Maske bald nie wieder brauchen. #maskeauf 😷✌️
(PS: Die Klimakrise überleben wir nur mit einer komplett anderer Politik. Hoffentlich ist das genügend Menschen klar geworden.)

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25 Mar
Olaf Scholz findet hier ausdrücklich auch, dass wir testen und impfen sollen und dann wird es, spätestens im Juni. Stärkere Maßnahmen jetzt will er nicht. Immerhin gab es keine Öffnungen. MPK findet er okay. Schulden sind machbar.
(Ich dachte kurz, er spricht an der Stelle unten von Opfern, Infizierten, medizinischem Personal, all den Schäden der Krankheit, wegen derer man jetzt mutiges tun muss. Aber es ging um Schulden, die man machen sollte, um die Wirtschaft zu retten. Er ist ja auch Finanzminister.)
Ich meine das nicht bösartig, ich finde es nur wichtig für ein komplettes Bild: nach der MPK und der gescheiterten Osterruhe hat sich die Regierung offiziell der dritten Welle ergeben. Die jetzt geltenden Maßnahmen müssen reichen. Bis genug Impfungen da sind, halten wir eben aus.
Read 4 tweets
24 Mar
Weil ich gestern die Widersprüchlichkeiten der MPs kritisiert habe, was hat Merkel heute so gesagt (Ostern mal beiseite)? „Die dritte Welle mit der tödlicheren und ansteckenderen Mutation" ist da. Was also tun wir?
Keine Osterruhe, weil organisatorisch nicht machbar, fair enough. Andere Maßnahmen gg. exponentielles Wachstum? Wird irgendwann im April besprochen. Aber Merkel: Mit „allen Maßnahmen setzen wir weiter alles daran, dass unser Gesundheitysystem der immensen Belastung standhält".
Das ist wieder der bekannte  Selbstwiderspruch: man nimmt eine (sehr begrenzte) Maßnahme zurück, schafft keine neuen - aber setzt dennoch "alles" daran? Und "zugleich" sollen die "überaus großen Folgen für Wirtschaft, Bildung, Kultur (...) aufgefangen werden“? Waschen ohne nass?
Read 5 tweets
23 Mar
Habe heute Morgen drei längere Ministerpräsidenten-Interviews im Wortlaut gehört, um nicht Verkürzungen und Schlagzeilen auf den Leim zu gehen. Bin jetzt aber wirklich nur noch ratlos, wie wir es mit diesem Personal schaffen sollen. Sie bewegen sich längst jenseits der Realität.
Gespenstisch ist die Ruine ihrer Sprache. Abgesehen von all den entleerten Vokabeln ("Strategie, Konzept") widersprechen sie sich oft im selben Satz, meist im Übergang von abstraktem zum konkretem, von Norm zu Handlung, etwa: "Wir müssen unbedingt schützen, XY lassen wir offen."
Ihre Einstellung zum Souverän klingt wie ein eingebildetes Stockholm Syndrom: "Die Menschen" infizieren sich und wollen Öffnungen, sind Opfer und Täter, dienen als Begründung für den fahrlässigsten Unsinn und gleichzeitig als Sündenböcke, wenn der Unsinn scheitert.
Read 10 tweets
22 Mar
Diese ganze unselige Mallorca-Nummer zeigt mir nochmal, wieso mich unterlassene Hilfeleistung bei technischen Maßnahmen (Masken, Lüfter, Tests etc.) so übertrieben triggert: Weil sie früher oder später in eine kaputte, aufgeheizte Debatte von Menschen gegen Menschen führt.
Hätte man, wie es manche asiatische Staaten schon in den ersten Monaten 2020 zum Standard machten, früh die Kapazitäten aufgebaut, an Flughäfen massenhaft zu testen, wenigstens Einreisende aus Risikogebieten (das vielleicht sogar europäisch koordiniert), hätte man ein Mittel...
...gehabt gegen Infektionen&Varianten, die zwangsläufig eingeschleppt wurde&werden – spätestens seit B117 muss das doch klar sein. Stattdessen diskutiert man mit enormer Energie immer neue juristisch drastische Maßnahmen und soziale Konfliktlinien (alt vs. jung, arm vs. reich...
Read 7 tweets
5 Feb
Dieses Narrativ der Überraschung und des Nichtwissenkönnens, welches uns Politik mometan für die vergangenen 12 Monate Pandemie erzählen will, ist natürlich von vorne bis hinten fiktiv. Es gab seit Jahren Planspiele, Warnungen, Pandemiepläne auf genau so einen Sars-Ernstfall hin.
Als die Pandemie hier war, gab es neben den Entwicklungen aus dem Ausland von Anfang an eine dominante, gutbelegte Empfehlung aus der weltweit renommierten hiesigen Virologie/Epidemiologie: ernst nehmen. Lieber eher viel und länger als zu wenig. Zweite Welle einrechnen.
Als die zweite Welle in vielen Ländern aufkam und auch hier absehbar wurde, wurden diese Empfehlungen erneuert, mit zunehmendem Nachdruck. Wieder warnte man vor Unterschätzung, während im Ausland deren Folgen schon sichtbar wurden. Und wurde nicht mehr, sondern weniger gehört.
Read 4 tweets
5 Feb
(Thread:) Diese Stellen des @derspiegel-Interview von M. Brinkmann @BrinkmannLab machen sprachlos. Diese fahrlässige Ignoranz, nochmal und nochmal auf die heiße Herdplatte zu fassen, Opfer und Risiken egal, egal was Zahlen und Expert*innen sagen? spiegel.de/wissenschaft/m… (€)
"Am Ende haben dann aber wohl viele Ministerpräsidenten nicht mitgespielt. (...) Allein diese zwei Wochen Verzögerung bis Anfang November haben uns in den letzten drei Monaten etwa 30.000 Menschenleben gekostet. Jetzt, mit den neuen Varianten, passiert wieder das Gleiche."
"Aber dann hörte ich aus dem Kanzleramt, dass die Ministerpräsidenten selbst die 35 nicht geschluckt haben, heraus kam dann die 50. Es muss ein Basar gewesen sein, ein Geschacher, unglaublich."
Read 8 tweets

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