Liebe @SenBJF, ich hab die letzten Stunden damit verbracht, mir Ihr Schreiben zu den Testungen ab kommender Woche (berlin.de/sen/bjf/corona…) durchzulesen und das mit der schulischen und familiären Realität abzugleichen...

Ich habe ein paar Fragen.... 1/x
Sie schreiben auf Seite 1, dass die Schüler*innen sich "im Klassenraum, oder [...] anderen Räumlichkeiten" testen sollen. Die schulischen Realitäten werden die SuS mangels Räumen zu 90% in die Klassenräume bringen. Ihre Senatorin, Frau Scheeres, erklärte Mitte Februar noch, dass
Testungen in Klassenräumen das Infektionsrisiko erhöhen (in Testzentren wird bewusst einzeln getestet...).

(rbb24.de/politik/thema/…).

Wie kommt es zu dieser veränderten Lagebeurteilung insbesondere angesichts gestiegener Infektionszahlen seit Februar?
Sie schreiben, dass Schüler*innen nur an schulischen Präsenzangeboten teilnehmen dürfen, wenn ein negatives Testergebnis vorliegt. 2 Absätze weiter schreiben Sie " Eine Testung ist keine Voraussetzung für die Teilnahme an einer Prüfung [...]".

Was denn nun? Diese Frage stellt
sich umso mehr, als dass Prüfungen ohne Maske stattfinden und es durch die ausgesetzte Präsenzpflicht dazu kommen kann, dass Schüler*innen ausschließlich zu Prüfungen i.d. Schule kommen. Diese werden dann nicht getestet. Ist das so gewollt? Was ist mit der Fürsorgepflicht Ihres
Hauses gegenüber Schüler*innen und Personal? Weiterhin wüsste ich gern, auf welcher Rechtsgrundlage Sie Schüler*innen wegen eines nicht absolvierten Tests die Teilnahme am Unterricht verwehren möchten. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin für eine Testpflicht, aber bitte
so, dass der Streit nicht am Ende zwischen Eltern, Klassen- und Schulleitung zu Lasten der Kinder und aller Anderen stattfindet, weil jeder berechtigte Interessen hat, die von Ihrem Haus aber nicht priorisiert und rechtlich abgesichert
wurden. Sie begründen Ihr Recht auf Ausschluss der SuS vom Präsenzunterricht bei Nichttestung mit dem möglichen "Schulisch angeleiteten Lernen zu Hause". Das "SalzH" wird nach jetziger Lage der Dinge auch beim besten Willen aller Beteiligten den Präsenzunterricht nicht ersetzen.
Insofern wäre dies eine Versagung des gleichen Rechts auf Bildung, wie die Mitschüler*innen es wahrnehmen.

Wie ist eigentlich damit umzugehen, wenn Eltern ihr Kind in die Schule schicken in der Annahme, dort würde es am Unterricht teilnehmen, es aber dann Probleme bei der
Testdurchführung hat (beispielsweise die Jüngsten in der Schulanfangsphase)? Die Lehrkräfte dürfen schon rechtlich nicht "zur Hand gehen", das betreffende Kind würde vor der gesamten Klasse in eine unangenehme Situation gebracht werden und letztlich müsste selbiges wegen
Nichtteilnahme abgeholt werden, obwohl die Eltern davon ausgehen, dass es beschult wird. Frage: wer zahlt Arbeitgebern bzw. Arbeitnehmern den Verdienstausfall? Kinderkrankengeld kommt nicht in Frage, da keine Erkrankung vorliegt. Das Gleiche bei einem Positivtest, der
"nur" als "Verdacht", aber nicht als Erkrankung gewertet wird, aber dennoch zum sofortigen Unterrichtsausschluss führt. Gibt es hierfür eine Lösung?

Wer garantiert die richtige Durchführung der Tests? Die Lehrkräfte dürfen nicht helfen und die Kinder sind noch minderjährig.
Wer haftet bei Personenschäden durch unsachgemäße Testdurchführung? (insbesondere bei kleineren Kindern kann man manchmal gar nicht doof genug denken...).

Weiterer Aspekt: durch das Testen im Klassenverband würden positiv getestete Kinder "geoutet". Selbst bei größter
Sensibilität der Pädagog*innen gegenüber den Kindern wäre dies ein klarer Verstoß gegen den Datenschutz, wenn Kindern vor der Klasse Diagnosen ausgestellt werden. Sie schreiben weiterhin, dass
ausgeteilte Tests wieder eingesammelt werden sollen. Ist Ihnen bewusst, wie viel Zeit Schulpersonal zuletzt mit der Portionierung der Tests verbracht hat? Denken Sie, die Leute haben zu viel Zeit? Und dürfen die zurückgegebenen Tests nach dem Einsammeln überhaupt nochmal
ausgegeben werden und sind diese dann noch brauchbar? Diese Tests sind medizinische Produkte, die aus gutem Grund Verpackungs- und Transportrichtlinien unterliegen (auch eine Frage, die ich mir als Steuerzahler stelle).
Sie schreiben, dass positiv getestete Kinder von der Klasse separiert werden sollen, bis diese von den Eltern abgeholt wurden. Eine Aufsichtsperson soll bei dem Kind bleiben. Jenseits des Schreckens, den solch eine Situation bei Kindern auslöst, frage ich mich, wie
die Lehrkräfte geschützt werden, wenn sie sich mit einem potentiell infektiösen Kind separieren sollen.

Warum halten Sie es für vertretbar, bei Positivtestungen nur die positiv getesteten, aber nicht auch den restlichen Klassenverband nach Hause zu schicken? Insbesondere die
Berichterstattung der letzten Tage hat gezeigt, dass es in relevantem Maß falsch-negative Testresultate geben kann.

Sie schreiben weiterhin, dass Lehrkräfte verpflichtet seien, jedem Kind nach der Testung eine Bescheinigung auszustellen. Das sind bei 600 Schüler*innen mal eben
1200 Bescheinigungen pro Woche. Die Lehrkräfte sollen also ZUSÄTZLICH

- Die Kinder in A-/ und B-Gruppen unterrichten
- Kinder im SalzH betreuen
- Die Tests überwachen
- Bescheinigungen ausstellen
- Lernstandserhebungen durchführen
- Klausuren nachschreiben

Und nebenbei noch
dafür sorgen, dass Lernrückstände aufgeholt werden können. Ich finde das völlig unzumutbar. Für die Gesundheit der Lehrkräfte, für die Unterrichtsqualität und auch menschlich. Das ist auch Zeit, die vom Unterricht abgeht. Und Zeugnisse müssen demnächst dann auch wieder
geschrieben werden. Warum sind Priorisierungen so schwierig? Angesichts des Umstands, dass JEDE Variante zu testen, zu Unschärfen führt, möchte ich dafür plädieren, diese entweder an die Eltern zu Hause abzugeben, was auch die Linie der Senatorin Mitte Februar war, oder aber
verschiedene Testorte zu ermöglichen (Jenseits dessen, dass ich mich frage, warum bei einer Inzidenz von 140 und vollen Intensivstationen so getan wird, als wäre der Ort der Testungen derzeit unser drängendstes Problem...). Offen gesagt bin ich einigermaßen sprachlos ob der
Widersprüchlichkeiten in den Weisungen Ihres Hauses während der gesamten Pandemie, die "am Ende" den Schulfrieden in den Schulen vor Ort gefährden und die Schulen derzeit nicht zu einem Ort machen, an dem gelernt werden kann, wie es der Fall sein sollte. Mehr Rechtssicherheit
wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber Eltern, die seit Beginn der Pandemie mit erheblichen Mehrbelastungen umuzgehen haben. Sie wäre ein Signal an die Kinder, dass diese in all diesen Überlegungen eine Rolle spielen (den Eindruck hat man schon länger nicht mehr) und
es wäre auch ein dringendes Signal an eine Lehrkräfteschaft, die wo immer es möglich ist, versucht, den Laden aufrecht zu halten.

Dass das Schreiben mal wieder 2 Tage "vor Ultimo" kam, macht es auch nicht besser.

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13 Apr
Mein Favorit ist ja immer noch diese Weisung der @SenBJF...:

Wir testen verpflichtend. Also wir "sollen" testen. Vermutlich, wenn unbestimmte Gegebenheiten vorliegen. Bis zu zwei Mal pro Woche. Vielleicht aber auch nur einmal. Aber auf jedenfall wenn möglich verpflichtend. 1/6 Image
Und auf keinen Fall definieren wir, wie damit umzugehen ist, wenn schulische Akteure die Testteilnahme verweigern und erst recht denken wir nicht über Haftungsfragen und Zuständigkeiten nach. Die Schulen werden das schon irgendwie richten. Wir fangen auch erst eine Woche nach 2/6
Schulstart mit den Testungen an, weil vorher haben wir Vertrauen, dass die Eltern das zu Hause schon machen, in der Woche ab dem 19.04 aber nicht mehr. Das wissen wir jetzt schon. Nur, ob alle Schulen ihre Testkits erhalten haben, wissen wir nicht. Dafür hat jetzt aber jede 3/6
Read 6 tweets
9 Apr
Ich hab mir mal das Schreiben der @SenBJF von heute zur Schulöffnung ab kommenden Montag genauer angeschaut... Die Entscheidung ist aufgrund der Infektionszahlen und der Intensivbettenauslastung nicht nur in der Sache problematisch, sondern auch handwerklich schlecht und
widerspricht z.T. früheren Weisungslagen und z.T. sogar sich selbst. Von vorne... Hier der Link zum Originalschreiben: berlin.de/sen/bjf/corona….

Nun in Auszügen:
1. Die Rede ist von einer Testpflicht. Weshalb diese aber erst ab 19.04 gilt, während der Unterricht bereits ab 12.04 stattfindet, bleibt das ungelöste Geheimnis der SenBJF.
Read 15 tweets
8 Apr
Interview mit der Bildungssenatorin in der @Abendschau... Ich platze gleich. Ein kurzer Thrad mit Zitaten:

Scheeres: "Berlin ist in den letzten Monaten sehr vorsichtig vorgegangen".

Die Entwicklung der Zahlen seit Mitte Februar sagt was Anderes

Quelle: berlin.de/corona/lageber…
Scheeres: "Wir haben eine umfangreiche Teststrategie auch auf den Weg gebracht".

Tatsächlich: nicht alle Schulen sind mit Tests versorgt und die Testpflicht greif erst am dem 19.04.21

berlin.de/sen/bjf/corona…

Scheeres: "Wir haben Testangebote für die Lehrkräfte"
Tatsache: Diese sind aber bis dato nicht verpflichtend.

Scheeres: "Wir haben genügend Selbsttests für die Schülerinnen und Schüler."

Tatsächlich: Mag sein, aber nicht vor Ort in allen Schulen.

Read 11 tweets
8 Apr
Es ist übrigens eine bodenlose Frechheit, was der Berliner Senat seit Monaten insbesondere mit den Siebt- bis Neuntklässlern anstellt.

Erst stellt man sie ohne sachliche Gründe hinter allen anderen Jahrgängen zurück und dann wird bis heute nichts ausreichend Substanzielles
getan, um den Infektionsschutz wirklich zu verbessern, so dass eine sichere Rückkehr dieser Schüler*innen gewährleistet werden kann.

Es bleibt bei nicht gehaltenen Ankündigungen der Senatsverwaltung und nicht umsetzbaren Weisungen an die Schulen. Wie beispielsweise sollen
Schulen alle Schüler*innen vor dem Unterricht testen, ohne dass Klassenräume zu Spreaderevents werden? Wo bleibt die ausreichende Anzahl von Luftfiltern? Ein bis zwei pro Schule sind viel zu wenig. Was ist mit der "Impfkampagne"? Die Senatsverwaltung hat es einfach handwerklich
Read 5 tweets
6 Apr
"Was würdest Du am Bildungswesen ändern, wenn Du was zu entscheiden hättest"? (Immer nur meckern is ja auch doof). Ein Thread...

Ich habe heute ein paar Wahlprogramme zum Abgeordnetenhaus quergelesen, mir v.A. die Vorschläge zur Bildungspolitik angeschaut und habe ein
Deja vú gehabt:

Viele gute Gedanken, aber keine nötigen Schlüsse. Mir fehlt die konkrete administrative Umsetzung dabei, die über "Evaluation" und "Konzepte schreiben" hinausgeht. Es bleibt mal wieder der Eindruck, dass es immer dann vage wird, wenn es darum geht, dass Geld
gebraucht wird. Ich klammere bewusst pädagogische bzw. didaktische Fragestellungen aus - das ist nicht mein Spielfeld. Das wissen andere eindeutig besser. Ich denke auch, dass es sinnvoll sein könnte, die Schulen mal eine Zeit lang mit neuen Konzeptaufträgen in Ruhe zu lassen,
Read 27 tweets
6 Apr
Liebe @gruene_berlin, ich hab Fragen zu diesem Teil eures Programmentwurfs:

2.349-2.351 sind Allgemeinplätze. Wie soll das konkret erreicht werden? Bekommen Schulen und Verwaltung mehr Personal?

2.352-2.354: wie soll das gelingen? Diese Entscheidung obliegt den Image
Schulkonferenzen und Schulaufsichten. Sollen hier Anreize geschaffen werden, oder ist eine Schulgesetzänderung beabsichtigt?

2.354 - 2.356: Das ist Thema der schulinternen Curricula. Sollen hier Anreize geschaffen werden, oder ist eine Schulgesetzänderung beabsichtigt? Und wie
viel Personal soll den Schulen bereitgestellt werden, um diesen Umstieg zu organisieren und hinterher umzusetzen?

2.358-2.359 "Kompetenzbasiertes Lernfeedback": Sollen hier Anreize für die Schulen geschaffen werden, ihre Schulprogramme anzupassen, oder ist eine Schulgesetz-
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