Was Kinder wirklich brauchen, was wir lassen können und was schädigend sein kann.
Sätze, die ich von Eltern in meiner Praxis und in meinem Umfeld höre, eingeordnet von mir als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Mutter.
"Ich bin nicht die Mutter/Vater, die gerne Rollenspiele mit ihren Kindern spielt".
Das ist kein Problem. Wirklich! Manche Eltern tauchen gerne in Phantasiewelten ein und dann kann es ganz wunderbar sein für Eltern und Kinder. Wenn es aber einem Part keinen Spaß macht, lasst es!
Kinder merken genau, wenn Ihr keinen Spaß an dem Spiel habt und es eher aus Pflichtgefühl heraus macht. Vielleicht gibt es etwas anderes? Buch vorlesen, Brettspiel spielen. Ihr seid dann die Eltern, die ihr Kinder und sich selbst ernst nehmen.
Ihr vermittelt dem Kind zusätzlich die Haltung: "Ich darf auch Nein sagen" "Ich darf meine Bedürfnisse ernst nehmen". Und das ist wirklich wichtig!
Außerdem sind Kinder für Kinder wirklich die allerbesten Spielpartner:innen (und die müssen auch nicht gleich alt sein).
"Ich bin die Mutter/Vater, die in den Ferien arbeiten geht".
Ja, genau und das kann genau richtig sein. Wichtig ist als Familie Lösungen zu finden. Oft geht es den Kindern gar nicht schlecht, wenn sie zur Ferienbetreuung gehen oder bei Oma und Opa sind.
Ihr könnt euer Kind fragen, was es sich wünscht in der Zeit, wo ihr nicht arbeiten geht, vielleicht gibt es eine Kleinigkeit, die Ihr nach der Arbeit schafft und wenn nicht, kuschelt ihr euch zusammen in das Kindertipi oder lest ein Buch.
Es geht nicht unbedingt darum, wie viel gemeinsame Zeit ihr miteinander verbringt, sondern wie. Wenn es am Ende nur Stress und Hektik gibt, ist ein Schwimmbadbesuch vielleicht nicht so schön, wie ein selbstgepresster Orangensaft mit viel Liebe und kuscheln.
Es gibt tausende von diesen Sätzen. Ihr könnt die Schuldgefühle gerne in den Urlaub schicken (brauchen die nicht auch mal Ferien?!). Es geht nicht darum alle Wünsche von den Kindern zu erfüllen, sondern überhaupt zu verstehen, was eure Kinder brauchen.
Was Kinder brauchen ist: Zuneigung, Verständnis und vor allem Begleitung ihres Kummers. Wenn sie wütend sind, traurig, sich weh getan haben: da sein, Körperkontakt anbieten, Gefühle ansprechen. Das ist wirklich wichtig.
In meiner Praxis erlebe ich viele Patient:innen mit Bindungstraumatisierungen. Oft haben sie Reitunterricht, selbst gekochtes Bioessen, Eltern als Spielpartner:innen erlebt. Nie, nie haben sie Eltern erlebt, die Interesse an ihren Bedürfnissen und Emotionen hatten.
Sie haben als Antwort ihrer Bedürfnisse "ich bin traurig, kann es aber gerade noch nicht so sagen, deswegen schreie ich", Entwertung, körperliche und emotionale Gewalt erlebt.
Und das ist wirklich schädlich!
Bindung entsteht daraus, wie Eltern die Emotionen ihrer Kinder beantworten. Kinder baden, mit ihnen essen, sie ins Bett begleiten. Es sind die alltäglichen Dinge, die die Bindung fördern und letztlich vor psychischen Krankheiten schützen.
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"Das Baby als ein Quälgeist, dessen Wille es zu brechen gilt – so sah Johanna Haarer Kinder. Die Folgen dieser Sichtweise könnten auch heute noch spürbar sein."
"Um sie zu guten Soldaten und Mitläufern zu machen, forderte das NS-Regime Mütter dazu auf, die Bedürfnisse ihrer Babys gezielt zu ignorieren. Sie sollten emotions- und bindungsarm werden"
"Sie dürften das Kind ja nicht verwöhnen. Sprichwörter wie "Ein Indianer kennt keinen Schmerz" sind bis heute verbreitet. Selbst der Bestseller Jedes Kind kann schlafen lernen von Annette Kast-Zahn und Hartmut Morgenroth deutet in eine ähnliche Richtung".
#Bindungstrauma bedeutet, dass Kinder Gewalt, Vernachlässigung oder mehrfachen Abbruch von engen Bezugspersonen erlebt haben. Sie erleben dies als außergewöhnliche Bedrohung mit tiefer Verzweiflung. Sie reagieren u.a. mit Angst, Abschalten, Wutausbrüchen, Konzentrationsstörungen.
Was brauchen die Kinder? Erstmal eine sichere Umgebung, d.h. die Gewalt darf nicht weiter stattfinden. Weiterhin sensible Menschen um sie herum, die verstehen, dass Beziehung Angst machen kann. Sie benötigen eine zugewandte Anleitung, sich auf neue Beziehungen einzulassen.
Wut kann ein Schutzgefühl sein "das macht niemand mehr mit mir". Dazu braucht es Bezugspersonen, die die Kinder aushalten. Wut sollte nicht bestraft werden. Evt. können die Kinder zum Schutz der anderen mit einer Bezugsperson den Raum wechseln und dort zur Ruhe kommen.
#Kinder und #Corona. Viele Kinder sind belastet, Eltern machen sich Sorgen. #Depressionen, Angst, aber auch Missbrauch und Gewalt bei Kindern sind ein häufig übersehender Teil dieser Pandemie. Doch woran erkenne ich, dass mein Kind pschisch erkrankt ist? Was sind Alarmsignale?
1. Emotionen: Vor allem wenn Kinder sich plötzlich verändern, sich z.B. zurückziehen, nicht mehr ansprechbar oder auch wütend, reizbar sind, können dies Alarmsignale für eine psychische Erkrankung sein.
2. Medien: ein erhöhter Medienkonsum ist in dieser Pandemie normal. Kinder und Jugendliche nutzen Medien um mit ihren Freunden in Kontakt zu sein. Wenn Jugendliche nicht mehr "davon lassen können", aggressiv werden oder sogar Schlafstörungen entwickeln, ist dies ein Warnsignal.
"Kinder sollen gehorchen". Das höre ich häufig. In der Therapie sehe ich Kinder und Jugendlichen, die vordergründig "gut in das System passen", die jedoch leiden und Symptome entwickeln. Warum ist das so?
Eine gute Eltern-Kind-Bindung im Sinne von "deine Bedürfnisse sind wichtig, meine Bedürfnisse sind wichtig", fördert ganz "automatisch" die Empathie und dementsprechend später auch die Integration in Verbände wie Klassen, Freunde, Vereine etc.
Wenn Kinder oft "hören" müssen, besteht die Gefahr, dass ihre Gefühle "übersehen" werden. Wenn es mehr um die anderen geht und nicht um das Zusammenspiel, kann dies Einstellungen hervorrufen, wie "ich bin unwichtig" und langfristig das Selbstwertgefühl beeinträchtigen.
Schweigepflicht und #Kinderschutz wie passt das zusammen? Alle Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen, Pastor:innen etc. stehen unter Schweigepflicht. Wichtig ist, dass wir uns über Kinderschutz beraten lassen können. In jeder Region gibt es Kinderschutzbeauftrage für Fachkräfte.
Diese beraten und informieren zu Themen im Kinderschutz und helfen z.B. bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung. Sie Unterstützen bei Vorgehen, Handlungsabläufen, Kooperationsmöglichkeiten und Datenschutz.
Wir Psychotherapeut:innen fallen demnach nicht unter den §8a, sondern können die Beratung nutzen nach §8b KJHG. Das ist ein wichtiger Unterschied. Manchmal macht es Sinn, eine Kindeswohlgefährdung sofort anzuzeigen, manchmal braucht es Zeit.
#Kinder und #Corona
Ich höre als Kinderpsychotherapeutin und Traumatherapeutin immer wieder, dass Corona traumatisch sei für die Kinder. Außerdem sei es nicht mehr aufzuholen, was die Kinder jetzt verpassen. Ich möchte das gerne einordnen. Ein Thread 1/8
Wir wissen von anderen Naturkatastrophen, dass diese für Menschen weniger traumatisch sind, als die so genannten "Man-made-disaster", also von Menschen verursachtes Leid. Dies lässt sich aus meiner Erfahrung heraus bestätigen. 2/8
Für unsere Situation bezüglich Corona und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen bedeutet dies, dass vor allem Kinder leiden, dessen Eltern wenig Ressourcen haben. Je überforderter die Eltern, desto höher das Risiko, dass sie gewalttätig werden gegenüber Kindern. 3/8