Am 27.04.21 verkündete der #BGH ein Urteil gegen die #Postbank, dass in der Bankenbranche für erhebliche Aufruhr sorgte. In meinen Augen ist der Jubel auf Seiten von Verbraucherschützern verfrüht.

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Worum geht es in diesem Urteil?

juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…

Die #Postbank hatte Regelungen in den AGB, wonach sie Preise von Hauptleistungen an Privatkunden (!) durch einseitiges Ankündigen dann erhöhen darf, wenn der Kunde nicht aktiv dagegen Widerspruch einlegt.

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Hauptleistungen sind Leistungen, die im Rahmen des Vertragsverhältnisses typischerweise dauerhaft nachgefragt werden, beispielsweise Kontogebühren für die Kontoführung.

In diesem Vorgehen sieht der BGH (stark verkürzt) u.a. eine unangemessene Benachteiligung der Kunden,

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da dem einseitigen Recht der Bank auf Gebührenerhöhung kein adäquates Gegenrecht des Kunden gegenübersteht. Das kostenfreie Sonderkündigungsrecht wird als nicht hinreichender Ersatz bewertet.

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Grundsätzlich gehe ich als juristischer Laie mit dem BGH insofern konform, als dass unbegrenzte Gebührenerhöhungsrechte mit der Erlaubnisfiktion durch schweigende Zustimmung als konkludentes Handeln gelinde gesagt fragwürdig sind.

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Jedoch wären eingeschränkte Gebührenerhöhungsrechte m.E. angemessen, sofern sie hinreichend begründet werden. Wenn beispielsweise die Kontoführungsgebühren um Inflation und ggf. nachzuweisende Umrechnungspauschalen, die die Kontoführung durch neue

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aufsichtsrechtliche Anforderungen teurer wird, steigen, wäre dies m.E. nur angemessen. Ich ziehe hier den Vergleich zur Erhöhung der Miete, die auch in begrenztem Umfang einseitig geschehen kann. Hierüber hatte der BGH jedoch nicht zu befinden.

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Rein aus betriebswirtschaftlicher Sicht heraus gehe ich weitgehend konform mit der Sichtweise der Institute. Kontoführung zum Nulltarif entspricht heutzutage schlicht nicht mehr den kostenseitigen Realitäten. Gerade, wenn man sich die irren Umsetzungskosten vor Augen führt,

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die regulatorische Neuerungen wie PSD II etc. bedeutet haben. Der völlig realitätsferne Gesetzgeber hat hierfür Kosten der Umsetzung für die Gesamtbranche geschätzt, die nicht mal den Aufwand einer mittelgroßen Bank gedeckt hätten. Auch aktuelle regulatorische Vorhaben

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erwecken in mir den Eindruck, dass es sowohl Gesetzgeber wie auch der Aufsicht am Grundverständnis technischer Zusammenhänge, technischen Möglichkeiten und den Kosten für die Umsetzung fehlt.

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Zum Neujahrespresseempfang sagte Felix Hufeld schon 2016: „Wir schauen uns flächendeckend an, was die Banken unternehmen, um das Steuer herumzureißen. […] Stellen sie ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand und schauen sie zum Beispiel, wie sie ihr nichtzinstragendes

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Geschäft ausbauen können (wahrlich keine einfache Übung)? Verlangen sie also etwa adäquate Preise für ihre Dienstleistungen? […] Die Banken haben Möglichkeiten gegenzusteuern, und sie sollten sie nutzen.“ bafin.de/SharedDocs/Ver…

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Die BaFin hat die Banken aufgefordert, ihre Gebührenmodelle zu hinterfragen und Gebühren zu erhöhen. Doch in Folge des BGH-Urteils werde angeblich Druck gemacht, sogar eine Allgemeinverfügung gegen Kreditinstitute wegen der Gebührenfrage erwogen.

msn.com/de-de/finanzen…

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Damit drückt sich die #BaFin m.E. vor ihrer Verantwortung. Es ist der Finanzmarktstabilität nicht geholfen, wenn Institute den nachdrücklichen Empfehlungen der Aufsicht folgen, Gebühren zu erhöhen & die BaFin im Nachgang vorgeht, als hätte sie dies nicht so gemeint.

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Welche Möglichkeiten haben die Institute nun? Finanz-Szene.de zeigt mit ihrem Artikel in genau die Richtung, die ich seit Mai erwartet habe.

finanz-szene.de/banking/bgh-ur…

Künftig werden Kunden vor die Wahl gestellt, entweder zuzustimmen oder rausgeworfen zu werden.

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@kirchnerchris stellt die Frage, was Sparkassen machen könnten. Schließlich hätten sie einen öffentlichen Auftrag. Ich sehe diesen Widerspruch nicht. Der öffentliche Auftrag lautet, dass Jedem ein Konto anzubieten ist. Das kann allerdings auch bedeuten, dass das

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aktuelle Girokonto durch die Sparkasse gekündigt & im Anschluss m.E. zulässigerweise nur ein Jedermannkonto angeboten wird.

de.wikipedia.org/wiki/Jedermann…

Das kann aber auch dazu führen, dass innerhalb von 2 Monaten eine etwaige Inanspruchnahme des Dispo zurückzuführen ist.

/16
Ist dies nicht möglich, könnte dies ggf. je nach Einzelfall ein Sachverhalt sein, der der #SCHUFA mitzuteilen ist. Damit würde der Kunde woanders auch nur noch ein Jedermannkonto bekommen. Dies sollte eigentlich auch nicht im Interesse von Verbraucherschützern sein.

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Was bedeutet das für unterschiedliche Institute / Kundengruppen? Zunächst zu den Instituten. Insbesondere Institute mit hochgradig automatisierten Prozessen & Institute unter erheblichem Ertragsdruck werden m.E. Kunden vor die Wahl stellen.

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Ich gehe auch davon aus, dass viele Banken in Lauerstellung gehen, um die Höhe der Wellen abzuwarten.Sind die Wellen nicht übermäßig hoch, dürfte daraus ein Markttrend werden. Sind die Wellen hoch, wird eine Schamfrist abgewartet & dann der Markttrend folgen.

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Sollte es keine exogenen Faktoren geben (z.B. entsprechende Gesetze), ist für mich langfristig das Vorgehen der Institute nahezu unausweichlich, d.h. der weit überwiegende Teil der Institute wird so vorgehen.

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Mal aus Sicht der Banken gedacht: wenn Kunden je noch so absurde Sonderregelung nutzen, um z.B. nach zig Jahren eine Baufi zu kündigen, um günstigere Konditionen in Anspruch nehmen zu können, werden Institute sicherlich auch immer weiter rückläufige Bedenken haben,

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ihre Rechte mit weniger Rücksicht auf Kunden umzusetzen. Mit dem Großteil der Kunden verdienen die Banken kaum oder kein Geld. Der Kostendruck wird die Bereitschaft von Banken, unprofitable Produkte anzubieten, sicherlich weiterhin spürbar reduzieren.

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Von diesem Vorgehen werden primär jene Kunden betroffen sein, die keine oder nur wenige Alternativen zu ihrer Hausbank haben. Ob das ein Grund sein wird, aus Sicht des Verbraucherschutzes zu jubeln, soll jeder für sich selbst bewerten. Wie seht Ihr das? Let's discuss.

/23

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