Ein großes Thema rund um #notenade: Selektion.
Wie kann man Schüler*innen ohne Noten bestimmten Schultypen zuteilen?
Hierzu ein kurzer Rückblick auf das Aufnahmeverfahren an Gymnasien im Kanton Zürich.
Die Selektion beim Übertritt nach dem 6. SJ erfolgt leicht vereinfacht über drei Benotungsverfahren:
Noten in der Grundschule (Vorschlagsnoten), Mathe und Deutsch.
Noten in der Aufnahmeprüfung, Mathe und Deutsch.
Noten im ersten Semester des Gymnasiums (alle zählenden Noten).
Vor etwas mehr als 10 Jahren hat man getestet, ob ein zusätzlicher IQ-Test fairer wäre. Das passt zur Vorstellung von Elsbeth Stern, die immer wieder fordert, dass das Gymnasium den intelligentesten 20% der Schüler*innen vorbehalten bleiben müsse.
Das Ergebnis: Zusätzlich zu diesen 3 Benotungssystemen leistet ein Intelligenztest nichts. Wer dank des Tests aufgenommen wird, besteht dann die Probezeit oft nicht etc.
zh.ch/de/bildungsdir…
Das Problem ist hier, dass Noten zirkulär eingesetzt werden: Die einen Noten werden daran gemessen, wie die anderen Noten ausfallen. Außerhalb von Noten gibt es gar keine Vorstellung davon, was erfolgreiche Schüler*innen auszeichnet.
Ihr Wohlergehen, ihre Berufswahl etc. werden aussen vor gelassen, wenn solche Verfahren evaluiert werden. Selektion und Noten werden zu einer Art Selbstzweck.
Was auch wegfällt, sind Kompetenzen: Die Aufnahmeverfahren legen absurderweise nicht fest, was jemand können muss.
Somit wäre die einfache Antwort auf die Frage nach #notenade und Selektion:
Selektion kann entweder durch die Schüler*innen selbst erfolgen (sie wählen die Schule, an der sie sich wohl fühlen) – oder über Qualifikationen erfolgen: Zugelassen wird, wer die nötigen Kompetenzen hat.
Ich würde das Tauchschul-Selektion nennen: Kund*innen wählen eine Tauchschule aus, diese lässt sie aber nicht einen Kurs absolvieren, für den sie nicht qualifiziert sind. Noten braucht sie aber keine.
Noch zwei Ergänzungen:
Der Test der »Allgemeinen kognitiven Grundfähigkeit« war, wie @wisniewski1005 angemerkt hat, kein Intelligenztest, sondern wurde von Urs Moser als »Prüfung zwischen einem sprachfreien Intelligenztest und einem Pisa-Test« konzipiert.
news.uzh.ch/de/articles/20…
Grundsätzlich ging es darum, einen Test zu finden, auf den Schüler*innen nicht von privaten Anbietern trainiert werden konnten. Dieser Test war aber auch am Schulstoff orientiert.
Die Aufnahmeprüfung enthält Aufgaben, die nicht zum Curriculum der Grundschule gehören. Das Training für diese Aufgaben erfolgt in Zusatzkursen, die teilweise kostenlos, oft aber von Privaten kostenpflichtig erbracht werden.
Dagegen gibt es immer wieder Vorstöße, letztlich hat sich das System von privaten Kursen aber etabliert, weil die tiefe Gymnasialquote in Zürich auch ein gutes Umfeld für private Gymnasien darstellt.
(Die Position von Elsbeth Stern, dass genau 20% der Kinder in ein Gymnasium gehören, wird als wissenschaftliche Legitimation für eine Selektion genommen, welche die Zürcher Bevölkerung im schweizerischen Vergleich benachteiligt.)

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Philippe Wampfler

Philippe Wampfler Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @phwampfler

2 Aug
Die Pandemie und Fragen zum Umgang mit Digitalität in der Bildung haben bei mir eine doppelte politische Ernüchterung und Frustration ausgelöst: Einfluss auf Entscheidungen haben zu selten Menschen mit Expertise und zu häufig Lobbys.
Viele Prozesse sind auch in demokratischen Ländern nicht demokratisch strukturiert, sondern im Kern korrupt. Für mich steckt darin die zentrale Herausforderung: Wie schaffen es Demokratien, Expertise Legitimation und politischen Einfluss zu geben?
Viele Bestrebungen von Lobbys sind nichts anderes als eine Diskreditierung von Wissenschaft und Fachpersonen. Das ist aus meiner Sicht sehr gefährlich. Ja, es gibt Bereiche, in denen es eine Aushandlung braucht, auch politische Konflikte.
Read 6 tweets
13 Apr
Nichts ist unmöglich: Diese Firma verkauft Youtube-Filme von @DanielJungEDU an deutsche Schulen und Landesmedienzentren.
OER, anyone?
filmsortiment.de/suche.php?adds… Image
Die brennen ernsthaft Youtube-Filme auf DVDs. Digitale Medien und Deutschland, 2021. #twlz.
Und hier die YT-Version vom Video von @DanielJungEDU:
Read 4 tweets
29 Mar
Schulen können zu toxischen Umgebungen werden. Warum – und wie geschieht das?

(Eine toxische Umgebung ist eine, bei der Menschen systematisch verletzt werden, diese Verletzung aber normalisiert wird. So gibt es kaum eine Möglichkeit, sich gegen die Verletzung zu wehren.)
Grundsätzlich geht es darum, dass vorausgesetzt wird, dass zentrale Bedürfnisse von Lehrenden und Lernenden zurückgestellt werden müssen, weil Schule sonst nicht funktioniert. Bedürfnisse werden gegen höhere Ziele ausgespielt.
Wer sich für die eigenen Bedürfnisse einsetzt, wendet sich gegen das System und diese höheren Ziele. Gleichzeitig stellt dieser Einsatz die Opfer aller anderen an.
Read 9 tweets
10 Dec 20
Die Schweizer Covid-Krise hat für mich drei Ursachen:
(1) fehlendes Bewusstsein für Daten
(2) verfehlte Austeritätspolitik
(3) Sachzwang-Politik
Zwei Tweets zu jedem Punkt:
(1)
Auch nach 10 Monaten Pandemie weiß niemand genau, wo sich Menschen anstecken. Warum? Weil keine Flächentests durchgeführt wurden und Backward-Tracing nie richtig stattfand. (Und weil die Covid-App falsch konzipiert wurde.)
Konsequenz: Jede Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie wird mit dem Argument kritisiert, dass sie einen Bereich betreffe, der »kein Treiber« der Pandemie sei; dass sie Wirtschaftszweige einschränke, aus denen gar keine Ansteckungen hervorgehen – obwohl das niemand weiß.
Read 9 tweets
9 Dec 20
Was bedeutet #hybridunterricht?
Weil das immer wieder zur Diskussion steht, habe ich vier Bedeutungen unterschieden.
(#digifernunterricht-Video coming up.)
Ich hätte mir gewünscht, dass C die einzige Bedeutung bleibt. Ist aber leider nicht so.
(Und bei C fehlt der Bindestrich, fml.)
Read 4 tweets
1 Nov 20
Danke für diesen Gedankengang, formuliere meinen Ansatz auch einmal in einem Thread. Vor ca. vier oder fünf Jahren habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass die Digitale Transformation der Schlüssel für eine nachhaltige Schulentwicklung darstelle.
(Mittlerweile bin ich überzeugt, dass harter politischer Kampf gegen Abschluss- und Aufnahmeprüfungen am wirksamsten wäre. Schulen verändern sich, wenn sie nicht mehr prüfen müssen.)
Zurück zur Digitalen Transformation oder Bedeutung der Digitalität. Aus meiner Sicht lassen sich grob zwei Richtungen einer Bildung im Kontext der Digitalität unterscheiden:
Eine persönliche, reformpädagogisch orientierte, die Beziehungen und Gesellschaft priorisiert.
Read 9 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(