Die Schweizer Covid-Krise hat für mich drei Ursachen:
(1) fehlendes Bewusstsein für Daten
(2) verfehlte Austeritätspolitik
(3) Sachzwang-Politik
Zwei Tweets zu jedem Punkt:
(1)
Auch nach 10 Monaten Pandemie weiß niemand genau, wo sich Menschen anstecken. Warum? Weil keine Flächentests durchgeführt wurden und Backward-Tracing nie richtig stattfand. (Und weil die Covid-App falsch konzipiert wurde.)
Konsequenz: Jede Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie wird mit dem Argument kritisiert, dass sie einen Bereich betreffe, der »kein Treiber« der Pandemie sei; dass sie Wirtschaftszweige einschränke, aus denen gar keine Ansteckungen hervorgehen – obwohl das niemand weiß.
(2)
Eine politische Mehrheit hat sich in den letzten Jahren eingeredet, dass Schulden ein Problem seien und ihre Vermeidung absolute politisch Priorität habe (absolut = wichtiger als Menschenleben).
Das ist volkswirtschaftlich schlicht falsch: hauptstadt-bericht.eu/was-ueli-maure…
Aus der Weigerung, Geld auszugeben resultieren Maßnahmen, die keine Entschädigung Betroffener nach sich ziehen. Deshalb werden Restaurants/Gyms etc. nicht geschlossen, was wiederum zum Eindruck führt, der Besuch sei gar nicht gefährlich.
(3)
In der politischen Kultur ist stark verankert, dass niemand entscheidet, sondern nur auf Sachzwänge reagiert. Kantone schließen Abkommen, die sie nachvollziehen müssen – statt eine Entwicklung zu beschließen. Warum? Wer einen Schritt vorwärts macht, kann abgewählt werden.
In einer Krise ist das fatal: Alle warten, bis sich die anderen bewegen. Und wer sich bewegt, steht in der Kritik – zumal die Bewegung nicht mit Daten begründet werden kann (1) und nichts kosten darf (2). Image ist wichtiger als alles andere.
Will die Schweiz fitter werden, dann muss sich die politische Kultur ändern; Daten müssen seriös erhoben und verantwortungsbewusst ausgewertet werden, volkswirtschaftliche Einsichten müssen auch in der bürgerlichen Mehrheit ankommen.

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9 Dec
Was bedeutet #hybridunterricht?
Weil das immer wieder zur Diskussion steht, habe ich vier Bedeutungen unterschieden.
(#digifernunterricht-Video coming up.)
Ich hätte mir gewünscht, dass C die einzige Bedeutung bleibt. Ist aber leider nicht so.
(Und bei C fehlt der Bindestrich, fml.)
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1 Nov
Danke für diesen Gedankengang, formuliere meinen Ansatz auch einmal in einem Thread. Vor ca. vier oder fünf Jahren habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass die Digitale Transformation der Schlüssel für eine nachhaltige Schulentwicklung darstelle.
(Mittlerweile bin ich überzeugt, dass harter politischer Kampf gegen Abschluss- und Aufnahmeprüfungen am wirksamsten wäre. Schulen verändern sich, wenn sie nicht mehr prüfen müssen.)
Zurück zur Digitalen Transformation oder Bedeutung der Digitalität. Aus meiner Sicht lassen sich grob zwei Richtungen einer Bildung im Kontext der Digitalität unterscheiden:
Eine persönliche, reformpädagogisch orientierte, die Beziehungen und Gesellschaft priorisiert.
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31 Oct
Gegen meine Überzeugung, dass der Staat sich aus der Förderung des Profisports komplett zurückziehen sollte, wird primär das Arbeitsplatz-Argument stark gemacht.
Wie viele Arbeitsplätze hängen in der Schweiz von dieser Förderung ab?
Ich versuche das mal abzuschätzen.
Nehmen wir einmal an, der Profisport würde ohne staatliche Förderung nicht mehr existieren. So ergibt sich eine Obergrenze.
Eine zentrale Branche ist sicher die oberste Fußballiga. Eine Studie von Rütter Soceco geht von 3'300 Vollzeitäquivalenten aus. ruetter-soceco.ch/wp-content/upl…
Nehmen wir an, das sei die Hälfte des Fußball-Profisports, dann würde Fußball 7000 Vollzeitäquivalente generieren. Eishockey gleich viele und der Rest des Profisports noch einmal so viele wie Fußball und Eishockey zusammen: Dann sprechen wir von 30'000 Stellen.
Read 6 tweets
21 Sep
Wenn Schüler*innen erzählen, dann schreiben sie oft Geschichten über *Mobbing*.
Das irritiert mich zuweilen. Nicht weil das Thema nicht wichtig oder erzählerisch interessant wäre, sondern weil dahinter implizite Annahmen aufblitzen. #fddeutsch
Die erste Annahme betrifft Erzählungen: Sie würden dann als deep angesehen, wenn eine Leidensgeschichte in einem kulturell verankerten Frame dargestellt wird. Die Annahme betrifft besonders Lehrpersonen: Weil die Mobbing ernst nehmen, schreiben S*S darüber.
Was ich mir wünschen würde: Dass Jugendliche von ihren Wahrnehmungen erzählen, nicht von Konzepten, die Erwachsene ihnen vorlegen. Das wäre auch bei Mobbing möglich, aber so sind die Texte nicht erzählt. Der typische Verlauf:
Read 8 tweets
29 Aug
Beim Reden sind mir zwei Punkte klar geworden, die im Kontext dieser Auslegeordnung von @RicardaDreier, @szcgn, @Noelte030 und @mediendidaktik_ wichtig sein könnten: medium.com/@szcgn/zeitgem… #mbtv20 #mvedu
(1)
»Master-Or-Die« legt den Fokus aufs Meistern einer Aufgabe, die so klar beschrieben sein muss, dass kein Bullshit möglich ist. Bullshit: So tun, als ob ich etwas könnte; abschreiben; nicht erlaubte Hilfsmittel benutzen etc.
Mein Beispiel: Ich kann mir vier Bällen jonglieren. Wenn das mein Ziel ist, dann kann ich weder abgucken noch mir mit Googlen behelfen, ich kann auch niemandem vormachen, ich könnte das.

D.h.: Gute Prüfungsformate brauchen solche Definitionen von Können.
Read 10 tweets
25 Aug
Der @phv_nw fordert »Digitalisierung mit Augenmaß«: »Das #twitterlehrerzimmer, in dem quasi nie Feierabend ist, sollte nicht für alle Lehrkräfte das Maß aller Dinge sein!« 

prwahl.de/sites/default/…

Ich lese den Text mal etwas genauer. Image
»Digitale Medien sollen nur dort Anwendung finden, wo es pädagogisch und didaktisch sinnvoll und verantwortbar erscheint.« 
Diese Formulierung ist bewusst vage – sie suggeriert, es gäbe sinnlose und unverantwortliche Anwendungsformen digitaler Medien, ohne diese zu benennen.
Das wird dann in Bezug auf »Medienbildung« in Widersprüchliche gedreht: Eltern würden hier nicht dafür sorgen, dass die notwendigen Kompetenzen ausgebildet werden. Daraus könnte man schließen, das sei Aufgabe der Schule.
Read 12 tweets

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