Thread by @pavel23

Habe heute mit einem Bürgeramt in Prag interagiert. Spontan einen Termin bekommen, war dann zu früh da, bin trotzdem sofort drangekommen. Für einen Berliner immer wieder eine schockierende Erfahrung, dass Interaktion mit der Verwaltung anderswo funktioniert.

So sieht es seit Jahren bei der berlinweiten Online-Terminvereinbarung aus: Anmeldung nur max. 2 Monate im Voraus, alle Termine ausgebucht. Ab und zu gibt es wohl freie Termine, aber das alles ist echt kafkaesk.

Es ist in der Tat einfacher, einen Termin für eine Generalaudienz beim Papst zu bekommen als einen Termin beim Berliner Bürgeramt - wirklich.

Dass es unter Schwarz-Rot zu diesem Zustand gekommen ist, ist zum Teil verständlich, weil Berlin zuvor nur knapp an einer Pleite vorbeigeschlittert ist und eine aufgeblähte Verwaltung hatte, die pro Einwohner doppelt so viel Leute beschäftigte wie anderswo und nicht tragbar war.

Das alles ist aber seit langem Geschichte; seit 7, 8 Jahren hat Berlin genug Geld, und die Zusammenlegung von Ost- und Westverwaltung ist jetzt drei Jahrzehnte her. Der aktuelle Senat hat also NULL Rechtfertigung, dass die Situation in den Bürgerämtern so desaströs ist.

Ich kenne die meisten der politisch Verantwortlichen persönlich, eigentlich alles ganz nette Leute, die sich sogar Mühe zu geben scheinen, aber das ist mir mittlerweile egal. Ich habe die Schnauze gestrichen voll von eurem Nichtstun und eurem dummen Gequatsche.

Was sich in der Berliner Landespolitik tummelt, sind überwiegend inkompetente Politikdarsteller, von denen die meisten nicht richtig lesen, rechnen oder denken können. Ich könnte ein halbes Buch über unglaubliche Fehler machen, die ich aus erster Hand beobachten konnte.

Beim Formulieren von Anträgen und Gesetzen, aber vor allem beim Controlling der landeseigenen Betriebe und dem Prüfen der Bilanzen kam ich mir oft vor wie ein Einäugiger unter Blinden, aber immerhin gab es da vom Finanzsenat eine Staatssekretärin, die Denken konnte.

Es ist in praktisch allen Organisation, insbesondere Konzernen so, dass 20% der Mitarbeiter für 80% des Unternehmenserfolgs verantwortlich sind, aber in der Berliner Landespolitik haben meiner Meinung nach 95% der aktuellen "Politiker" nichts zu suchen und stören nur.

Im Abgeordnetenhaus kursierte der Witz: "Warum tun sich eigentlich nicht die fähigen Leute aus allen Fraktionen zusammen und bilden eine kompetente Regierung?" - "Weil sie in der Minderheit sind."

Ich halte die Bilanz von fünf Jahren Rot-Rot-Grün im Ergebnis für genauso katastrophal wie die fünf Jahre Rot-Schwarz davor, nur, dass Rot-Rot-Grün die letzten fünf Jahre das Geld und Spielraum hatte, um etwas zu bewegen.

Die "Mietpreisbremse" war sicher das herausragendste und kontroverseste Projekt von Rot-Rot-Grün, aber egal, wie man politisch dazu stehen mag, am End war es auch mal wieder ein klarer Fall von "gewollt und nicht gekonnt". Diese Leute sind einfach zu blöd zum Gesetze machen.

Ich werde jedenfalls niemandem meine Stimme geben, der in den letzten zehn Jahren in Berlin mitregiert hat und dafür mitverantwortlich ist, dass selbst elementare Verwaltungsfunktionen wie das Meldewesen völlig kaputt sind und jedem Berliner das Leben unnötig schwer machen.

Wen soll man wählen in Berlin? Wen kann man wählen, in Berlin? Es treten immerhin 34 Parteien an, die meisten davon ziemlicher Schrott, aber unter den "aussichtslosen" Kleinparteien gibt schon einige, die man mit gutem Gewissen wählen kann.

Mein Favorit ist derzeit die Bergpartei, allein wegen Pastor Leumund () Ein Haufen cooler, menschenfreundlicher Leute, die zum vierten Mal antreten und es verdient hätten. Die Bergpartei im AGH wäre auch mehr als unterhaltsam.

Des weiteren halte ich Team Todenhöfer, Volt, die Partei und die Klimaliste Berlin für wählbar, jeweils aus unterschiedlichen Gründen, wobei ich den ersten drei sogar Chancen einräume, in Parlamente einzuziehen.

Abraten würde ich davon, Zombieparteien wie die Grauen, Piraten oder ÖDP etc. zu wählen, die mal ihre Zeit hatten und es nicht geschafft haben, sich zu halten, wobei die Piraten in Tschechien gerade gute Chancen haben, national stärkste Partei zu werden.

Wie auch immer, ich habe die Schnauze gestrichen voll von SPD, CDU, den Grünen und der Linken, die Berlin in Zeiten voller Kassen so gegen die Wand gefahren haben in den letzten zehn Jahren. Kaputte Verwaltung, Wohnungsbau, Straßenbau, ÖPNV, Schulen, Polizei - alles desaströs.

Wie seht ihr das? Bin ich zu undifferenziert und oberflächlich in meiner Einschätzung der Berliner Politiklandlandschaft? Wen haltet ihr für wählbar oder unwählbar?

Und liebe ehemalige Kollegen und Senatsmitglieder, die hier vielleicht mitlesen: Was habt ihr zu eurer Verteidigung zu sagen? Und kommt mir jetzt nicht mit Corona, das gab und gibt es in Prag und anderen Bundesländern auch. Warum sollte euch jemand wiederwählen?