Thread by @pavel23

Das hier zeigt mal wieder, wie lebensfremd die Leute im Berliner Senat sind. Bezeichnend auch, dass hier ein nicht existierendes Problem gelöst werden soll, natürlich auch wieder, ohne Mittel dafür aufzuwenden. bz-berlin.de/berlin/aus-fue…

Gut, als Motorradfahrer bin ich hier alles andere als neutral, aber Motorräder und Motorroller sind auch Energie- und Verkehrsfläche sparende und günstige Mobilitätsoptionen für viele Menschen, die man eigentlich in einer Großstadt fördern sollte.

Vermutlich ist das alles wieder ein Sturm im Wasserglas und wird von der BZ gerade jetzt aufgebracht, um vor der Wahl noch etwas Stimmung gegen #rrg zu machen, und wisst ihr was? Es funktioniert bei mir. Ich bin verärgert, dass der Senat das überhaupt ernsthaft debattiert hat.

Berlin ist in den letzten Jahren für mich zunehmend weniger lebenswert geworden: Kulturelle Freiräume wurden eingeschränkt, Wohn- und Gewerbemieten werden immer mehr zum Problem, Touristen immer nerviger, ganze Straßenzüge werden mit hässlichen und gefährlichen Pollern…

…verschandelt, viele Straßen und Radwege sind in erbärmlichem Zustand, während anderswo die Fahrbahn jedes Jahr aufgerissen wird, und Straßenbahnschienen scheinen sich auch echt schnell abzunutzen, vor allem in der Invalidenstraße, wo seit zwanzig Jahren irgendwo gebuddelt wird.

Ich kann nur sagen: Das ist nicht mein Senat, und Berlin wird leider immer weniger meine Stadt, weil Freiraum verschwindet, ohne dass auf der anderen Seite durch eine funktionierende Verwaltung und Infrastruktur kompensiert würde. Trotzdem wird alles teuerer.

Das perverse ist: Persönlich profitiere ich auch noch davon, weil ich, als es noch bezahlbar war, gebaut habe, und sich der Wert in fünfzehn Jahren vervierfacht hat. Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, wenn diese Entwicklung langsamer und kontrollierter verlaufen wäre und …

…das Land Berlin früher und in viel größerem Umfang günstigen Wohnraum errichtet hätte, statt sich auch noch von Immobilien zu trennen. Ich meine, die Entwicklung und die Konsequenzen waren absehbar, für mich jedenfalls, weshalb ich das Risiko eingegangen bin und …

…rechtzeitig gebaut habe, vor allem, weil ich gesehen habe, dass sich die öffentliche Hand aus dem Wohnungsbau komplett zurückgezogen hatte und das dazu führen würde, dass ich mir irgendwann selbst nicht mehr leisten können würde, zentral zu wohnen, wenn ich nicht vorsorge.

Das alles hilft aber wenig, wenn nun der Großteil meines sozialen Umfelds massivem wirtschaftlichen Druck ausgesetzt ist, und was die Poltik jetzt tut, ist das typische „too little too late“. Berlin hätte in den letzen 15 Jahren problemlos eine Mio. neue Wohnungen bauen können…

…, und wir hätten kein Wohnungsproblem; stattdessen waren es gerade mal so um die 150.000 neue Wohnungen in 15 Jahren, die meisten davon privat. Ja, hinterher ist man immer klüger, aber ein Blick auf die fundamentalen Wirtschaftszahlen genügte, um zu wissen, wohin die Reise…

…geht. Berlin war die einzige Hauptstadt und Metropole der Welt, wo das Pro-Kopf-BIP unter dem Landesdurchschnitt und sogar unter dem des Umlands lag, und es war unausweichlich, dass das nicht so bleiben würde. Ja, in den 1990er Jahren hat man das gesehen, aber unterschätzt,…

… wie lange das dauern würde, aber es war stets klar, dass es früher oder später passieren würde, und ab 2005 zeichnete sich der Trend ab, und ab 2010 hätte man handeln müssen, aber man hat es verpennt. Man hätte das allein an der Entwicklung des Wohnungsleerstands sehen könne.

Und nun? Absurderweise ist uns die Pandemie gerade etwas zur Hilfe gekommen, um zumindest bei Gewerbeflächen für Entspannung zu sorgen, und die Pandemie könnte auch langfristig die Rolle und Entwicklung von Metropolen weltweit umkehren.

New York und vor allem Manhattan geht seit Jahren den Bach runter, weil Mieten so absurd hoch, dass mittlerweile selbst Großbanken es sich nicht mehr leisten können, dort Büros zu haben. Rund $70 pro Quadratmeter Miete im Schnitt, und $300-$3000 pro Quadratmeter für Läden…

…in Spitzenlagen, was, wie Louis Rossmann sagte, man nicht mal erwirtschaften könnte, wenn dort ziegelweise Kokain verkauft würde. Ein kleiner Laden in mäßiger Lage mit 100qm kostet rund $50.000 Miete im Monat. Wohnungsmieten liegen bei $50-$100/Quadratmeter, …

…ein 40qm Studio kostet z. B. $2.500 pro Monat Miete. Das ist der Weg, auf dem sich Berlin bewegt, so wie andere Metropolen in der Welt, wo es unmöglich ist, als Normalverdiener mit einer Familie zu Marktmieten zu wohnen.

Ballungsräume ziehen nun mal Menschen an, weil es dort mehr Möglichkeiten gibt, Arbeit, Bildung, Gastronomie, Clubs, Kultur, Unterhaltung und Einkaufsmöglichkeiten, wobei mir schon vor Jahren aufgefallen ist, dass man Shopping in New York komplett vergessen kann, wenn es etwa …

…um Technik geht. Ein einziger Saturn oder Mediamarkt in Berlin hat ein besseres Angebot als alle einschlägigen Läden in Manhattan zusammen. Vielleicht ist das Konzept, in einen Laden zu gehen und sich von einem Menschen beraten zu lassen und Ware anfassen oder an/ausprobieren…

…und gleich mitnehmen zu können einfach tot und mehr was für alte Leute wie mich, die nicht zum billigsten Angebot im Internet greifen, sondern lieber etwas mehr bezahlen und langfristige, zuverlässige Lieferanten und persönlichen Service auch im privaten Einkauf schätzen.

Wie auch immer, der Wandel ist da, und die Pandemie hat das Ladensterben weiter beschleunigt, und es ist sehr wahrscheinlich, dass Läden und Büroarbeiter nicht im vollem Umfang zurückkehren werden. Viele Firmen, die ich kenne, haben sich in der Pandemie flächenmässig verkleinert,

…und geplante Expansionen abgesagt, und ein Effekt ist, dass mehr und mehr Leute an den Stadtrand oder ins Umland ziehen, wo sie mehr Wohnraum fürs Geld bekommen und angenehmer von daheim aus arbeiten und nur gelegentlich im Büro präsent sind.

Neue Industriearbeitsplätze entstehen ohnehin nur am Stadtrand oder im Umland, siehe etwa das neue Tesla-Werk, so dass zunehmend Gründe wegfallen, zentral in der Großstadt zu leben, wobei ländliche oder abgelegene Regionen ihre eigenen Probleme haben und die Zuwanderung…

…in die Metropolregionen der Welt weiter gehen wird und die Landflucht sich vielerorts fortsetzen wird, mit Problemen für das Land wie auch für die Metropolen. Nur der Staat hat die Macht, hier ordnend einzugreifen, aber leider mangelt es unserer politischen Führung an…

…Vorausschau und Kompetenz, das effektiv und in ausreichendem Maße zu tun. Stattdessen sollen Motorräder in Berlin künftig auf der Straße parken. Habt ihr eigentlich noch alle Tassen im Schrank, liebe Senatoren?