Vor 20 J. kaperten 19 Verschwörer 4 Verkehrsflugzeuge und steuerten sie in die Türme des World Trade Center in New York und ins Pentagon bei Washington, ein 4. Angriffsziel wurde verfehlt. Zum Gedenken an die Opfer v #NineEleven gesellt sich die Frage: Warum? Thread in 14 Teilen.
Die breite mediale Aufarbeitung des Geschehens an #NineEleven, die sogar in Form eines anachronistischen Live-Blogs nachinszeniert wird, verzichtet meist auf eine Diskussion dessen, was die Attentäter zu ihrem Terror motivierte. Oft genügt hier ein Verweis auf „#Islamismus“ u auf
Usama Bin Ladin als Terrorfürst seines al-Qaida-Netzwerks. Fokussiert werden Urheberschaft, Erfolg im Kampf gg den auch home grown-Terror, geopolitische Folgen u die Gestaltung einer „Islampolitik“ va im Kontext der Migration. Was aber bedeutet(e) 9/11 eigentlich für den „Islam“?
Der Terror v 9/11 resultiert aus einer ultrareligiösen Neudeutung des Islam,die im Kontext des afghanischen Kriegs in den 1980er sinnstiftend wurde u sich über Afghanistan-Veteranen im algerischen Bürgerkrieg der 1990er in Lebens- u Vorstellungswelten sozialer Nischen einnistete.
Diese Deutung hat mit dem klassischen Islamismus nichts gemein, sie ist keine religiöse Ideologie, die eine Utopie schaffen u durchsetzen will, sie ist keine „urislamische“ Orthodoxie, sie ist eine rel. Innovation, die erstmals in den frühen 1970er Jahren angedacht wurde.
Sie verbindet Apokalypse u individuelle Heilserwartung, macht aus dem Krieg gg „Gottesfeinde“ eine Kulthandlung, durch die der Einzelne zu einem „miles dei“, einem sakralisierten Gotteskrieger, wird, der im Tod die Apokalypse seiner Bestimmung u seine Katharsis erlebt.
Das Islamische solcher ultrareligiösen Vorstellungen beruht auf einem sehr eigenwilligen islamischen Traditionsgebrauch u der reklamierten Legitimität, als „Muslime“ zu handeln. Dabei wird Muslim als Entelechie des Menschen gedacht, also die ihm innewohnende Eigenschaft von
sich selbst als Islam zu verwirklichen. Der Terror ist Vollzug dieser Bestimmung. Nur das vermag die Radikalität, mit der die Attentäter vorgegangen sind, u die rational grundierte Willkürlichkeit, mit der sie ihren Opfern begegneten, erklären.
Propagandistisch wurde als Ziel des Terrors der Krieg gegen Gottesfeinde in Gestalt von «Kreuzfahrern», also «Christen» und «Juden» genannt. Damit sind genau die beiden Gruppen bezeichnet, die in Varianten der Apokalyptik von Jesus am Ende der Zeiten besiegt werden.
U wie in Varianten der Apokalyptik ausgeführt würden die Reiter aus dem Osten (Khurasan ≈ Afghanistan) kommen, um die Gottesfeinde zum Endkampf zu zwingen, die dieser Tradition nach in Syrien stattfinden werde. Die Gottesfeinde müssten als militärisch intervenieren
u sich damit dem Gottesurteil aussetzen. Die Apokalypse aber ist nur die Rahmenerzählung, mit der die ultrareligiöse Neudeutung des Islam ausgestattet wird. Entscheidend ist die sehr spezielle, völlig der islamischen Tradition widersprechende Heilsvorstellung.
Erstmals relevant wurde diese Vorstellung im mörderischen Krieg in Algerien in den 1990ern. Bin Ladin, der in Medina mit gelehrten islamischen Deutungen dieser neuen ultrareligiösen Welten in Berührung gekommen war, formte sie zu einer schlagkräftigen Organisation
die eine Hegemonie über den neuen Ultraislamismus beanspruchte. 9/11 galt als Auftrag, den Krieg gg die Gottesfeinde im Rahmen der als bevorstehend erachteten Apokalypse einem Gottesurteil zu überlassen u gleichzeitig den Milites Dei eine Heilsgewissheit zu verschaffen.
Diese radikale Neudeutung des Islam zeigt, wie sehr sich die Koordinaten des Religiösen im späten 20. Jh. verschoben haben. Das sie eher in der islamischen Welt Resonanz fand, ist nicht durch den Islam verursacht, sondern durch die moderne Geschichte, die seine Umwelt darstellt.
Ich weiss, dass ein 14-teiliger Thread dem Sinn u Zweck v Tweets völlig entgegengesetzt ist; u doch herrschen heute besondere Bedingungen, insofern die Zäsur v 9/11 uns innehalten lässt, wodurch sich vielleicht auch Räume u Zeiten fürs Nachlesen eines längeren Thread eröffnen.
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Ein absurdes Menu aus 9/11, Migration, Islamismus, Bin Ladin, Terror und Taliban ist angerichtet: (1) Der #Islamismus sei die vorherrschende Weltanschauung, auch wenn er in der muslimischen Welt nicht überall auf Resonanz stosse, (2) die deutsche Willkommenskultur habe zahlreiche
junge Männer ins Land gebracht, die seither gewalttätig geworden sind. (3) «Messerstecher in deutschen Fussgängerzonen» beriefen sich wie Kämpfer in der malischen Wüste oder Mullahs in Pakistan auf Usama Bin Ladin. (4) Bin Ladin habe gewonnen,
weil der Islamismus als Ideologie des Terrors in der islamischen Welt dominiere.
Dieses grobe Denkmuster repräsentiert genau die Vorstellungen, weswegen adäquate Strategien zur Bewältigung und Überwindung religiösen Terrorismus in den Köpfen wie in der Praxis gescheitert sind.
Das Islamnarrativ der #Taliban kurz zusammengefasst: 1) Islam statt Westen 2) Islam ist das für die Gemeinschaft verbindliche paschtunische Sittengesetz 3) Jihad setzt dieses Sittengesetz durch u sichert Erlösung in der Gemeinschaft 4) die Gemeinschaft ist die paschtun. Nation ->
5) Paschtunen sind die wahren Afghanen, anderen Nationen im Land sind nachrangige Assoziierte 6) die Nation ist männlich, Frauen dienen allein dem Sittengesetz 7) über jede Fremdherrschaft siegt immer nur der paschtunische Islam 8) das religiöse Heil liegt in der Gemeinschaft ->
9) Die Sunna bildet die wichtigste Ressource, um paschtunische Normen zu rechtfertigen 10) die kasuistische Auslegung der Normenordnung folgt den Regeln der hanafitischen Tradition, wie sie die Schule v Deoband definiert hat 11) die Taliban sind die wahren Hüter dieser Ordnung.
Die Lage im Pandschir-Tal u im westl. angrenzenden Baghlan ist unübersichtlich. V.a. russ. Medien warten mit Erfolgsberichten zu Saleh u Massoud auf,nachdem AM Lawrow auf Distanz zu den #Taliban in Kabul gegangen ist. Diese mobilisieren Spezialeinheiten gg die Tadschiken-Truppen.
Die #Taliban haben Ahmed Massoud ein paar Stunden Zeit gegeben, um die Kontrolle über Panjshir / Pandschir zu übergeben. Der Sohn des 2001 getöteten Tadschiken-Khan bekommt wohl auch Unterstützung v dem Sohn des Usbeken-Anführers Dostum. Massoud hat das Ultimatum zurückgewiesen.
Für die Taliban ist das eine propagandistische Niederlage: gestern noch verkündete #Haqqani vollmundig, dass Massoud sich den Taliban unterworfen habe. Nun setzen beide Seiten die bevorstehenden Kämpfe im Tal als „Entscheidungsschlachr“ in Szene u warten mit Erfolgsberichten auf.
Die #Taliban müssen nun sehen, wie sie #Afghanistan wieder zum Laufen bekommen; die Staatskasse ist fast leer, bislang trugen die ausl. Hilfsgelder zu 80% des BIP bei. Ob die Zusage westl. Staaten über 12Mrd. $ für 2021/2024 eingehalten werden, ist zweifelhaft. Die alten Revenuen
der #Taliban aus Zöllen u Opiumanbau werden nicht reichen, um die Korruption auszugleichen (grosse Teile versickern in Korruption) u
weiten Teile des Landes mit sauberem Wasser, Elektrizität u minimaler Krankenversorgung auszurüsten. Aber die Taliban u die Welt wissen:
Die Taliban sitzen auf immensen Reichtümern. Afghanistan gilt als das Land des Lithium, der Wert der Bodenschätze in Afgh. wird auf >3 Bill. $ geschätzt; China will sich das sichern; der Westen wird dagegen halten, die Taliban werden über kurz o lang Geschäftspartner des Westens.
Seit bekannt wurde, dass Khalil Al-Rahmen Haqqani das Kommando über die #Taliban-Einheiten in #Kabul hat, werden zunehmende Repression u Willkür dem sog. #Haqqani-Netzwerk angelastet. Haqqani selbst liess sich durch ExRegierungschef „Dr. Abdullah“ seine Macht vor Ort bestätigen.
Er ist Onkel des derzeitigen Emirs der Haqqani-Gemeinschaft, die unter den Paschtunen in der ostafgh. Prov. Paktia u in den autonomen Staamesgebieten der NWP-Prov. in Pakistan ihre Hausmacht hat. Ursprünglich Anfang der 1980er als bewaffneter Verband gegründet hat sie sich erst
spät den #Taliban angeschlossen. Die Haqqanis gelten als Alliierte des al-Qaida-Verbands u sind berüchtigt für ihre terroristischen Kampfhandlungen. Sie sind prominent im Rat der Taliban vertreten u verfügen über eine operative u strategische Autonomie unter den Taliban. Es ist
Statt über Strategiedefizite in #Afghanistan u «mangelnden Kampfwillen» der Truppen des Rumpfstaats in Kabul zu lamentieren hatten die westl. Staaten 20 Jahre Zeit zu erörtern, wie einer puritanisch-orthodoxen Bewegung wie die der #Taliban anders als durch Bomben beizukommen ist.
Der Erfolg #Taliban beruht nicht auf einer militärischen «Leistung», sondern auf der Fähigkeit, «dem Volk» plausibel zu machen, dass sie die Ideale, Regeln u Normen der «alten Ordnung» des Afghanentums, das v Machthabern korrumpiert sei,durch einen orthodoxen Islam restaurierten.
Die #Taliban werben für eine afghanische #Retrotopie, jene "utopische Vergangenheit", die durch den Islam neu gestaltet wird. Der Westen hat diese retrotopische Sehnsucht jener Afghanen, die sich v der real existierenden post-2001-Ordnung negativ privilegiert sehen, unterschätzt.