Wisst ihr was mir ganz derb auf den Kranz geht? Diese Diskussion um den Pflegeschlüssel.

Das nervt mich mitunter so sehr, dass ich mich richtig in Rage reden kann. Egal mit wem ich da eine Unterhaltung führe. Der Letzte den ich so umgefahren habe war unser OA.

Und das kam so.
Vor einigen Wochen nahm mich der Oberarzt (OA) beiseite und fragte, wie lange man noch gedenkt die 2 Betten zu sperren. Schließlich sind wir eine große Klinik und falls mal einer meiner Angehörigen...blaaa blaaa...

Ab dem Punkt war ich bereits auf Betriebstemperatur.
Warum argumentiert man immer mit den eigenen Angehörigen? Warum soll das eine 1:3 oder 1:4 Pflege rechtfertigen? Warum sollen wir die miese Personalpolitik der letzten Jahre ausbaden? Und warum sind eigene Angehörige mehr wert als jeder andere Mensch?

Bringt mich auf die Palme.
Wir sollten doch mal flexibler werden und so. Ist ja nicht immer so stressig. Gibt ja auch mal ruhigere Tage. Und im Frühdienst macht man ja auch Pausen.

Ihr ahnt: Der Porter stand kurz vor der Detonation 🤯

Tief Luft holen...gaaaanz tief.
Flexibilität. Soso. Wir sollen also mal ganz flexibel 3 (oder mehr) IntensivpatientInnen versorgen? Wenns dann nicht läuft, wird man ganz flexibel "rasiert" und bekommt, ganz flexibel natürlich, gesagt, man solle doch mal seine Pflegetätigkeiten aufs Minimum reduzieren?!
Ich fragte nur:
Oberarzt, wie flexibel sind Sie denn? Wie glauben Sie funktioniert Flexibilität? Nur als Einbahnstraße? Nur so, dass es IHNEN nützt?

Flexibilität hat Grenzen.
Die Grenze, die rote Linie, ist die PatientInnengefährdung und die Überlastung des Personals. Punkt.
Flexibilität kann auch verlangt werden. Nämlich von der/dem PatientIn selbst. Eine 1:1-Betreuung ist so eine flexible Sache. Wenn es der Zustand der/s Pat. keine weitere Pat.betreuung zulässt, dann MUSS man darauf flexibel reagieren können.
Da geht es nicht mal nur um instabile PatientInnen mit einem großen Maschinenpark rund ums Bett. Da geht es auch um PatientInnen im schweren Delir. Das ist ein akuter Krankheitszustand, der starken Einfluss auf das weitere Leben der/s PatientIn haben kann.
Warum müssen wir immer am Limit laufen?

Warum darf man keine Zeit mehr haben für Ressourcenförderung und bedarfsgerechte Pflege?

Warum muss ich mich für jede Minute rechtfertigen, die ich nicht abgehetzt an den PatientInnen verbringe?
Warum wird Pflege erst gesehen, wenn sie nicht so funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat? Wenn sie vor lauter Be- und Überlastung Fehler macht? Fehler, die vermeidbar sind, wenn der Kopf freier wäre und man nicht drölf Sachen am liebsten gleichzeitig erledigen soll/muss.
Würde man eine/n BerufspilotIn immer am Limit belasten, gar überlasten? So, dass sie/er im Notfall Fehler macht?

Würde man nicht.

Warum tut man es dann seit Jahren in der Pflege und auch im ärztlichen Bereich?

Tja, die Antwort würde Teile der Bevölkerung verunsichern.
Wir sind ein Maximalversorger.
Hier liegen Menschen, die anderswo ob der Schwere ihrer Erkrankung gar nicht erst aufgenommen werden oder dann verlegt werden müssen. Das tut man, weil man mitunter nicht das Knowhow hat. Das tut man, weil man nicht das Personal dafür hat.
Aber wir sollen hier rennen wie die Hasen. Flexibel sein und 3 (oder mehr) PatientInnen vollumfänglich, bedarfsgerecht versorgen.

Herr Oberarzt, es tut mir leid, aber Ihnen fehlt das Verständnis für die Intensivpflege und die Bedarfe.
Es ist nicht Ihre Profession.
Das ist nicht weiter schlimm.
Schlimm ist, dass Sie uns nicht zuhören und nur Ihren Teil der Arbeit sehen. Das ist zudem sehr schade. Denn wir sind ein Team, in einem Boot.

Ich bin sicher, wir reden nie wieder über diese Flexibilität.

#RespectNurses
#BerlinerKrankenhausbewegung

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10 Oct
Ich möchte nur mal daran erinnern, dass zur #BerlinerKrankenhausbewegung gerade ein weiterer Konflikt zu eskalieren droht.

Am Freitag war 1. Tarifrunde für den Tarifvertrag der Länder (TVL). Da geht es u.a. um die Gehälter des Pflegepersonals in den Universitätskliniken.
Der Niedersächsische Finanzminister #Hilbers (#CDU), seines Zeichens Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite (TdL), ließ mit den Respektlosigkeiten nicht lange auf sich warten.

Respektlos ist da schon bald der falsche Begriff. Unterirdische Kackscheiße trifft es eher.
Es ist jetzt kein Witz. Man sagte wirklich, dass...

...es keinen Fachkräftemangel gebe. Höchstens lokal und nur kurz.

...es kein Nachwuchsproblem in der Pflege gibt.

...mehr Gehalt nicht drin sei, weil man Kredite abzahlen müsse und man sonst Stellen streicht.
Read 9 tweets
8 Oct
Gestern war unsere Stationspsychologin bei mir und sagte, dass sich die Angehörigen einer Patientin für das Gespräch bedankt haben, welches ich mit Ihnen geführt habe. Sie fühlten sich gut aufgehoben und ich habe ihnen ein Stück weit die Angst genommen.
Ja, auch das ist eine Aufgabe der Profession Pflege. Ob das nun vergütet wird oder nicht. Es ist wichtig. Punkt.

Ich komme aus der Intensivpflege. Da herrscht sehr viel Unsicherheit seitens der Angehörigen.
Beatmete Patienten mit denen man reden kann?
Die man gar berühren kann?
So viele Kabel.
Zig Schläuche die irgendwo beginnen und irgendwo enden.
Alarme auf dem Monitor.
Alarme an Geräten.
Die unterschiedliche Wertigkeit der Alarme.
Zahlen. Überall Zahlen.
Man spürt die Anspannung der Familie in jeder Sekunde.
Read 10 tweets
15 Sep
Die MitarbeiterInnen in den Gesundheitsberufen werden nicht nur oft Opfer von Gewalt. Man lässt uns auch nach traumatischen Erlebnissen oft allein.

Man geht häufig davon aus, dass wir das schon "wegstecken", es zum Beruf halt dazu gehöre und man nur ein "dickes Fell" braucht.
Eine Kollegin sah vor Jahren, wie sich ein Patient aus dem Fenster in den Tod stürzte. Es verfolgt sie bis heute. Immer wenn Patient*innen am Fenster stehen, hat sie Flashbacks und bekommt Panik. Aufgearbeitet hat man das nie. Geholfen hat man ihr zu keiner Zeit.
Vor 8 Jahren nahm ein Patient zwei Ärzt*innen als Geisel und bedrohte sie mit einer Schusswaffe. Erst nachdem sie versprachen ihn auf die Palliativstation zu verlegen, ließ er sie gehen.

Als beide den Raum verlassen hatten, schoss er sich in den Kopf.
Read 19 tweets
13 Sep
Dienstpläne sind in den Augen toxischer EntscheiderInnen ein probates und gern genommenes Instrument zur Machtdemonstration und Machtausübung. Beim Bossing, dem Mobbing von Führungskräften ausgehend, ist der Dienstplan das 1. Wahl-Druckmittel, wenn es gegen MitarbeiterInnen geht.
Es ist auch ein sehr perfides Mittel, da die MitarbeiterInnen kaum Möglichkeiten haben sich dagegen zu wehren. Dienstplanwünsche werden konsequent mit Verweis auf die Betriebsabläufe ignoriert. Urlaub wird so geplant, dass die angrenzenden Wochenenden Arbeitswochenenden sind.
Emotionale und moralische Erpressungsstrategien finden sich u.a. im "Wenn du unter der Woche nur Frühdienst machen kannst, dann muss jemand anders IMMER Spätdienst machen." wieder. Vor dem Team werden familientaugliche Arbeitszeiten genau SO abgebügelt. Spaltung incoming.
Read 7 tweets
5 Sep
In der Intensivmedizin habe ich in meinen Anfangsjahren einen sehr wichtigen Satz mit auf den Weg bekommen:

"Schaffen wir uns eine beherrschbare Situation."

Es bedeutet, dass wir uns so oft wie möglich Gedanken um "was wäre wenn" und um Eventualitäten machen müssen.
Intensivmedizinerinnen, wie auch die Intensivpflege, hassen nichts mehr, wie wenn man einem Ereignis hinterher laufen muss und dadurch wertvolle Zeit verloren geht. Intensivstationen sind so eingerichtet, dass Dinge in Griffnähe und schnell zu erreichen sind.
Täglich wird kontrolliert und nach Füllständen gesehen. Dinge werden farblich beschriftet, damit man gezielter greifen kann. Alles ist mit System sortiert, damit es logisch und einfach zu finden ist. Geräte sind so aufgerüstet, dass man sie jederzeit sofort nutzen kann.
Read 14 tweets
4 Sep
Und da war ja noch: Die Sache mit dem Strombolus.

Kollegin will den intraOP eingenähten Schrittmacher an die Infusionshalterung hängen.

Ich: Häng das Teil nicht so hoch.

Kollegin: Was? Warum?

I: Wegen dem...StromBOLUS?

K: Dem was?

I: S-T-R-O-M-B-O-L-U-S!
K: Kenn ich nicht. Das gibts gar nicht.

I: Na doch. Das ist wie mit den Perfusoren. Spielraum hinten am Kolben. Hängste das Norepi von unten nach oben, gibts einen kleinen Bolus. Von oben nach unten, dauerts ne Weile bis der Fluss wieder da ist. Physik!
K: Ja, aber was hat der Schrittmacher damit zu tun?

I: Selbes Prinzip. Die kleinen Elektroden fallen durch die Leitung, wenn du es zu hoch hängst. Gibt Extrasystolen und seltsame Schrittmacheraktionen. Liegt er zu tief, dauerts ne Weile bis er reagiert.
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