Die MitarbeiterInnen in den Gesundheitsberufen werden nicht nur oft Opfer von Gewalt. Man lässt uns auch nach traumatischen Erlebnissen oft allein.
Man geht häufig davon aus, dass wir das schon "wegstecken", es zum Beruf halt dazu gehöre und man nur ein "dickes Fell" braucht.
Eine Kollegin sah vor Jahren, wie sich ein Patient aus dem Fenster in den Tod stürzte. Es verfolgt sie bis heute. Immer wenn Patient*innen am Fenster stehen, hat sie Flashbacks und bekommt Panik. Aufgearbeitet hat man das nie. Geholfen hat man ihr zu keiner Zeit.
Vor 8 Jahren nahm ein Patient zwei Ärzt*innen als Geisel und bedrohte sie mit einer Schusswaffe. Erst nachdem sie versprachen ihn auf die Palliativstation zu verlegen, ließ er sie gehen.
Als beide den Raum verlassen hatten, schoss er sich in den Kopf.
Vor einiger Zeit wurde in der Notaufnahme eine junge Frau eingeliefert. Ihr Kopf und ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit mit einer Hantel zertrümmert. Sie starb und hinterließ verzweifelte und traumatisierte Eltern, die sie nur noch anhand eines Tattoos identifizieren konnten.
Eine junge Frau kommt mit einer schweren Sepsis auf die Intensivstation. Sie ist schwanger. Der Fötus im Mutterleib bereits seit einiger Zeit tot. Niemand wusste das vorher. Während der Aufnahme der Abgang. Es liegt nun ein totes Kind mit im Bett. Eine Totgeburt.
Ein 17-jähriger bricht im Sportunterricht mit einem Kreislaufstillstand zusammen. In der Klinik bekommt er instant ein ECLS-System zum Kreislaufersatz. Er stirbt dennoch kurz darauf. Eine Kollegin weint bitterlich und kann den Dienst nicht mehr weiter machen.
Ein Mann Mitte 30 sackt auf der A 4 am Steuer seines Autos zusammen. Er rollt auf der linken Spur aus. Ersthelfer ist die ca. 8 Minuten nach Notruf eintreffende Autobahnpolizei. Er ist reanimationspflichtig und verstirbt im Klinikum trotz ECLS-System. Er hinterlässt 2 Kinder.
Und dann ist da noch Covid 19. Man sieht Menschen im besten Alter, mitunter noch Jugendliche. Sie ringen um Luft. Sie kämpfen ums nackte Überleben. Viele verlieren diesen Kampf. Wenn sie überleben, werden sie gezeichnet und traumatisiert sein. Auch in uns hinterlässt es Spuren.
Solche Ereignisse bleiben hängen. Jeder im Krankenhaus hatte Erlebnisse, die einem im Gedächtnis hängen und die nicht selten auch traumatisieren.
Darüber reden? Oftmals nicht. Wenn dann nur im Team. Kurz. Muss ja weitergehen. Irgendwie.
Wer unseren Beruf nicht kennt, ist mit Beschwichtigungen sehr schnell. "Es gehört dazu" soll einem verdeutlichen, dass man gefälligst stark zu sein hat. Man emotionsfrei an die Dinge rangehen sollte. Weil es halt der Job verlangt. Hätte man ihn nicht machen dürfen, sagt man dann.
Man verlangt von uns immer Empathie. Wird man traumatisiert, ist es auf einmal "Teil des Jobs" und man müsse damit zurecht kommen. Dieser stetig erwartete Widerspruch verletzt uns zusätzlich. Wir sind keine Maschinen. Wir sind Menschen, die andere Menschen pflegen und betreuen.
Doch oft ist für die Helfer keine Hilfe da. Und wenn, dann nur sporadisch und/oder von kurzer Dauer.
Viele Dinge muss man mit sich ausmachen. Es gibt keine Traumabewältigungskultur in der Klinik. Es gibt oft nur ein Weglächeln und den Spruch: "Damit muss man umgehen können."
Es sind nicht nur die moralischen Verletzungen, die uns mürbe machen. Es sind auch ganz die ganzen akuten und sehr einschneidenden Erlebnisse.
Verzweifelte Augen.
Schmerzverzerrte Gesichter.
Angst im Blick.
Mitunter Panik.
Hilflosigkeit.
Wir sehen Menschen alltäglich in Notlagen und verzweifelt um ihr Leben kämpfend. Man bräuchte eigentlich mehr Zeit für sie und mehr Menschen, die sich um sie besser kümmern könnten. Auch die PatientInnen traumatisieren solche Erlebnisse. Oft ein Leben lang.
Was macht es mit einem, wenn man auf einer ITS 3 oder 4 PatientInnen betreut? Instabile PatientInnen. Pat. im schweren Delir, an Kabeln und Schläuchen ziehend, die Beine aus dem Bett und weglaufen wollend. Eingekotet und alles vollschmierend. Schmerzen erleidend.
Nicht selten auch körperlich aggressiv.
Man bekommt zu hören: "Die Leute sind halt krank. Manche nicht im Besitz ihrer vollen kognitiven Kräfte.". Man soll es also wieder akzeptieren. Teil des Jobs und so. Der Tritt schmerzt dennoch und bleibt im Gedächtnis.
Wird eine MitarbeiterIn physisch verletzt, muss sie in die Notaufnahme. Es ist ein BG-Fall. Ein Arbeitsunfall. Die psychische Wunde bleibt oft ungesehen. Gehört halt dazu in diesem Beruf.
Tut es das wirklich?
Gehört es wirklich dazu?
Nein. Tut es nicht!
Die Arbeitgeber machen es sich recht einfach. Besucht mal Deeskalationstrainings. Resilienz, ganz wichtig. Besucht Resilienzkurse. Da lässt man Dinge die nicht so nah an sich ran!!!1elf11
Als sei ein Resilienzkurs eine Traumatherapie. So bescheuert.
Die physische Gesundheit ist vielen Arbeitgebern oft egal. Man muss funktionieren. Die psychische Gesundheit betrachtet man gar nicht. Man geht davon aus, dass man das schon irgendwie verarbeitet.
Notausgang ist der #Pflexit.
Er ist die Reißleine und Chance auf einen Neuanfang.
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Dienstpläne sind in den Augen toxischer EntscheiderInnen ein probates und gern genommenes Instrument zur Machtdemonstration und Machtausübung. Beim Bossing, dem Mobbing von Führungskräften ausgehend, ist der Dienstplan das 1. Wahl-Druckmittel, wenn es gegen MitarbeiterInnen geht.
Es ist auch ein sehr perfides Mittel, da die MitarbeiterInnen kaum Möglichkeiten haben sich dagegen zu wehren. Dienstplanwünsche werden konsequent mit Verweis auf die Betriebsabläufe ignoriert. Urlaub wird so geplant, dass die angrenzenden Wochenenden Arbeitswochenenden sind.
Emotionale und moralische Erpressungsstrategien finden sich u.a. im "Wenn du unter der Woche nur Frühdienst machen kannst, dann muss jemand anders IMMER Spätdienst machen." wieder. Vor dem Team werden familientaugliche Arbeitszeiten genau SO abgebügelt. Spaltung incoming.
In der Intensivmedizin habe ich in meinen Anfangsjahren einen sehr wichtigen Satz mit auf den Weg bekommen:
"Schaffen wir uns eine beherrschbare Situation."
Es bedeutet, dass wir uns so oft wie möglich Gedanken um "was wäre wenn" und um Eventualitäten machen müssen.
Intensivmedizinerinnen, wie auch die Intensivpflege, hassen nichts mehr, wie wenn man einem Ereignis hinterher laufen muss und dadurch wertvolle Zeit verloren geht. Intensivstationen sind so eingerichtet, dass Dinge in Griffnähe und schnell zu erreichen sind.
Täglich wird kontrolliert und nach Füllständen gesehen. Dinge werden farblich beschriftet, damit man gezielter greifen kann. Alles ist mit System sortiert, damit es logisch und einfach zu finden ist. Geräte sind so aufgerüstet, dass man sie jederzeit sofort nutzen kann.
Kollegin will den intraOP eingenähten Schrittmacher an die Infusionshalterung hängen.
Ich: Häng das Teil nicht so hoch.
Kollegin: Was? Warum?
I: Wegen dem...StromBOLUS?
K: Dem was?
I: S-T-R-O-M-B-O-L-U-S!
K: Kenn ich nicht. Das gibts gar nicht.
I: Na doch. Das ist wie mit den Perfusoren. Spielraum hinten am Kolben. Hängste das Norepi von unten nach oben, gibts einen kleinen Bolus. Von oben nach unten, dauerts ne Weile bis der Fluss wieder da ist. Physik!
K: Ja, aber was hat der Schrittmacher damit zu tun?
I: Selbes Prinzip. Die kleinen Elektroden fallen durch die Leitung, wenn du es zu hoch hängst. Gibt Extrasystolen und seltsame Schrittmacheraktionen. Liegt er zu tief, dauerts ne Weile bis er reagiert.
Ja, Herr oberlehrerhaft, "Nabel der Welt" Bäckermeister. Der Rest der Welt ist faul und hat keine Ahnung. Alles liegt in Schutt. Nur in DEUTS Hland wird gearbeitet und bis 70 malocht. Endlich sagts mal jemand!!!eins!1
Und weil das so ist, sind Menschen wie der Bäcker von Welt beim Thema Integration ganz vorn dabei.
Sprachkurs?
Ja. Aber nur in der Freizeit. Und wenn möglich sonntags.
Gibts da eig Förderung, wenn ich schon Ausländer einstellen muss, um überhaupt noch MitarbeiterInnen zu haben?
Im Betrieb selbst wird super gut integriert und das deutsche "Leistung lohnt sich"-Prinzip wird mit Konzepten wie:
"Du nix verstehn?"
"Du musse SO mache!" und, der Klassiker,
"Musse lerne Arbeit. Du nicht kenne das in dein Land. Hier Deutschland!" diesen Menschen eingeimpft.
Vor 2 Jahren verhandelte man einen Entlastungstarifvertrag (#TVE). Darin, ein Instrument zur Belastungssteuerung. Es war recht simpel. Jede (!) Station legte Pi-mal-Daumen fest, wie viele Pflegefachleute man braucht um die Pat. bedarfsgerecht zu versorgen.
Interessant dabei war, dass die ausgegebene Nurse-Patient-Ratio ohne Personalbemessungsinstrument zustande kam. Das gibt es am Klinikum nicht. NICHT! Die Pflegepersonalstellen berechnet man anders. Wie? Ist Betriebsgeheimnis. Das verrät man nicht mal der Landesregierung,...
...die im Rahmen einer Kleinen Anfrage dazu Stellung nehmen musste.
Interessant zudem, dass die unter Pi-mal-Daumen zusammengeschusterte Ratio annähernd an das herankommt, was in den OECD-Staaten als Durchschnitt gilt. Die #Pflegefachpersonen berücksichtigten sogar...
Ich musste lesen, dass @JanJosefLiefers seine Geschichte zur Medienkritik erzählen durfte. Wie er vor Weihnachten beschloss nichts mehr über SarsCoV2, die Pandemie, das Leid und die Toten lesen zu wollen und es ihm damit besser ging.
Ich möchte da kurz an was erinnern.
Wir, die MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen, können nicht einfach die Augen zu machen, weil wir es leid sind die Realität zu sehen. Wir können nicht einfach sagen, ich bestelle mal die Tageszeitung ab und lasse den Fernseher aus, dann wirds schon besser werden.
Die Welt bleibt nicht stehen, wenn man nur lange genug die Augen zu macht. Die Realität wird nicht fluffiger, weil man sie nicht mehr sehen mag. Es passiert dennoch. Nur schaut man eben nicht mehr hin. Besser wirds dadurch im Allgemeinen nicht. Für einen selbst vielleicht.