Gestern war unsere Stationspsychologin bei mir und sagte, dass sich die Angehörigen einer Patientin für das Gespräch bedankt haben, welches ich mit Ihnen geführt habe. Sie fühlten sich gut aufgehoben und ich habe ihnen ein Stück weit die Angst genommen.
Ja, auch das ist eine Aufgabe der Profession Pflege. Ob das nun vergütet wird oder nicht. Es ist wichtig. Punkt.
Ich komme aus der Intensivpflege. Da herrscht sehr viel Unsicherheit seitens der Angehörigen.
Beatmete Patienten mit denen man reden kann?
Die man gar berühren kann?
So viele Kabel.
Zig Schläuche die irgendwo beginnen und irgendwo enden.
Alarme auf dem Monitor.
Alarme an Geräten.
Die unterschiedliche Wertigkeit der Alarme.
Zahlen. Überall Zahlen.
Man spürt die Anspannung der Familie in jeder Sekunde.
Für uns sind die PatientInnen keine Nummern oder nur Diagnosen. Für uns, die #Pflege, haben die PatientInnen Gesichter, Namen und ganz individuelle Bedarfe.
Nicht selten sind Angehörige völlig überrascht, dass wir als Pflegefachleute die Anamnese herunterbeten können.
Dass wir wissen, warum dieser Mensch hier liegt und was im Vorfeld des Aufenthalts passiert ist. Welche Grunderkrankungen dieser Mensch hat und welchen Leidensweg der/die ein oder andere schon so hinter sich gebracht hat.
Da prallen sie aufeinander.
Die zwei Welten.
Kaum jemand macht sich Gedanken um die pflegerische Versorgung in diesem Land. Die Diskussion um professionelle und bedarfsgerechte Pflege läuft an den Menschen vorbei.
Man sieht die Pflege erst, wenn man damit in Kontakt kommt. Ob nun selbst oder jemand aus der Familie.
Pflegefachleute dienen nicht selten als Fixpunkt und Bezugspunkt für Angehörige. Wir können Fragen meist sehr kompetent beantworten und übersetzen nicht selten nochmal das Gespräch mit den ÄrztInnen und räumen so Unsicherheiten oder Unklarheiten aus.
Für manchen Angehörigen ist es seltsam, dass Pflegefachleute auf einem sehr hohen Niveau arbeiten und ein sehr umfangreiches med. Wissen haben. Es zerstört gar oft das Bild der Händchenhaltenden-Herzi-Herzi-Pflege, die bei sämtlichen Dingen eine ÄrztIn fragen muss.
Wie sind Teil des Behandlungsteams.
Wir sind keine HandlangerInnen.
Wir sind keine AssistentInnen.
Wir sind eine eigene Profession mit eigenen Aufgaben.
Und es wäre sehr fein, wenn so langsam auch der Letzte begreift, dass wir gerade dabei sind diese Profession zu zerstören.
Wisst ihr was mir ganz derb auf den Kranz geht? Diese Diskussion um den Pflegeschlüssel.
Das nervt mich mitunter so sehr, dass ich mich richtig in Rage reden kann. Egal mit wem ich da eine Unterhaltung führe. Der Letzte den ich so umgefahren habe war unser OA.
Und das kam so.
Vor einigen Wochen nahm mich der Oberarzt (OA) beiseite und fragte, wie lange man noch gedenkt die 2 Betten zu sperren. Schließlich sind wir eine große Klinik und falls mal einer meiner Angehörigen...blaaa blaaa...
Ab dem Punkt war ich bereits auf Betriebstemperatur.
Warum argumentiert man immer mit den eigenen Angehörigen? Warum soll das eine 1:3 oder 1:4 Pflege rechtfertigen? Warum sollen wir die miese Personalpolitik der letzten Jahre ausbaden? Und warum sind eigene Angehörige mehr wert als jeder andere Mensch?
Die MitarbeiterInnen in den Gesundheitsberufen werden nicht nur oft Opfer von Gewalt. Man lässt uns auch nach traumatischen Erlebnissen oft allein.
Man geht häufig davon aus, dass wir das schon "wegstecken", es zum Beruf halt dazu gehöre und man nur ein "dickes Fell" braucht.
Eine Kollegin sah vor Jahren, wie sich ein Patient aus dem Fenster in den Tod stürzte. Es verfolgt sie bis heute. Immer wenn Patient*innen am Fenster stehen, hat sie Flashbacks und bekommt Panik. Aufgearbeitet hat man das nie. Geholfen hat man ihr zu keiner Zeit.
Vor 8 Jahren nahm ein Patient zwei Ärzt*innen als Geisel und bedrohte sie mit einer Schusswaffe. Erst nachdem sie versprachen ihn auf die Palliativstation zu verlegen, ließ er sie gehen.
Als beide den Raum verlassen hatten, schoss er sich in den Kopf.
Dienstpläne sind in den Augen toxischer EntscheiderInnen ein probates und gern genommenes Instrument zur Machtdemonstration und Machtausübung. Beim Bossing, dem Mobbing von Führungskräften ausgehend, ist der Dienstplan das 1. Wahl-Druckmittel, wenn es gegen MitarbeiterInnen geht.
Es ist auch ein sehr perfides Mittel, da die MitarbeiterInnen kaum Möglichkeiten haben sich dagegen zu wehren. Dienstplanwünsche werden konsequent mit Verweis auf die Betriebsabläufe ignoriert. Urlaub wird so geplant, dass die angrenzenden Wochenenden Arbeitswochenenden sind.
Emotionale und moralische Erpressungsstrategien finden sich u.a. im "Wenn du unter der Woche nur Frühdienst machen kannst, dann muss jemand anders IMMER Spätdienst machen." wieder. Vor dem Team werden familientaugliche Arbeitszeiten genau SO abgebügelt. Spaltung incoming.
In der Intensivmedizin habe ich in meinen Anfangsjahren einen sehr wichtigen Satz mit auf den Weg bekommen:
"Schaffen wir uns eine beherrschbare Situation."
Es bedeutet, dass wir uns so oft wie möglich Gedanken um "was wäre wenn" und um Eventualitäten machen müssen.
Intensivmedizinerinnen, wie auch die Intensivpflege, hassen nichts mehr, wie wenn man einem Ereignis hinterher laufen muss und dadurch wertvolle Zeit verloren geht. Intensivstationen sind so eingerichtet, dass Dinge in Griffnähe und schnell zu erreichen sind.
Täglich wird kontrolliert und nach Füllständen gesehen. Dinge werden farblich beschriftet, damit man gezielter greifen kann. Alles ist mit System sortiert, damit es logisch und einfach zu finden ist. Geräte sind so aufgerüstet, dass man sie jederzeit sofort nutzen kann.
Kollegin will den intraOP eingenähten Schrittmacher an die Infusionshalterung hängen.
Ich: Häng das Teil nicht so hoch.
Kollegin: Was? Warum?
I: Wegen dem...StromBOLUS?
K: Dem was?
I: S-T-R-O-M-B-O-L-U-S!
K: Kenn ich nicht. Das gibts gar nicht.
I: Na doch. Das ist wie mit den Perfusoren. Spielraum hinten am Kolben. Hängste das Norepi von unten nach oben, gibts einen kleinen Bolus. Von oben nach unten, dauerts ne Weile bis der Fluss wieder da ist. Physik!
K: Ja, aber was hat der Schrittmacher damit zu tun?
I: Selbes Prinzip. Die kleinen Elektroden fallen durch die Leitung, wenn du es zu hoch hängst. Gibt Extrasystolen und seltsame Schrittmacheraktionen. Liegt er zu tief, dauerts ne Weile bis er reagiert.
Ja, Herr oberlehrerhaft, "Nabel der Welt" Bäckermeister. Der Rest der Welt ist faul und hat keine Ahnung. Alles liegt in Schutt. Nur in DEUTS Hland wird gearbeitet und bis 70 malocht. Endlich sagts mal jemand!!!eins!1
Und weil das so ist, sind Menschen wie der Bäcker von Welt beim Thema Integration ganz vorn dabei.
Sprachkurs?
Ja. Aber nur in der Freizeit. Und wenn möglich sonntags.
Gibts da eig Förderung, wenn ich schon Ausländer einstellen muss, um überhaupt noch MitarbeiterInnen zu haben?
Im Betrieb selbst wird super gut integriert und das deutsche "Leistung lohnt sich"-Prinzip wird mit Konzepten wie:
"Du nix verstehn?"
"Du musse SO mache!" und, der Klassiker,
"Musse lerne Arbeit. Du nicht kenne das in dein Land. Hier Deutschland!" diesen Menschen eingeimpft.