In der Intensivmedizin habe ich in meinen Anfangsjahren einen sehr wichtigen Satz mit auf den Weg bekommen:
"Schaffen wir uns eine beherrschbare Situation."
Es bedeutet, dass wir uns so oft wie möglich Gedanken um "was wäre wenn" und um Eventualitäten machen müssen.
Intensivmedizinerinnen, wie auch die Intensivpflege, hassen nichts mehr, wie wenn man einem Ereignis hinterher laufen muss und dadurch wertvolle Zeit verloren geht. Intensivstationen sind so eingerichtet, dass Dinge in Griffnähe und schnell zu erreichen sind.
Täglich wird kontrolliert und nach Füllständen gesehen. Dinge werden farblich beschriftet, damit man gezielter greifen kann. Alles ist mit System sortiert, damit es logisch und einfach zu finden ist. Geräte sind so aufgerüstet, dass man sie jederzeit sofort nutzen kann.
Wir denken viel vorausschauend. Planen Abläufe und spielen sie im Kopf viele male durch, damit wir im Notfall nicht mehr lange rumeiern oder suchen müssen. So entsteht Routine, aber selbst bei dieser müssen Situationen stetig neu bewertet und ggf. neu geplant werden.
Wir denken so weit, dass wir mitunter gar akut defekte Technik ersetzen können, ohne das ein großer Zeitverlust oder eine Patientinnengefährdung entsteht. Es gibt für fast alle Situationen Leitlinien, Standards, SOP.
Nichts wird dem Zufall überlassen. Schaffen wir uns eine beherrschbare Situation ist nicht nur ein Satz, es ist ein Motto, welches wir täglich leben. Unsere Professionalität rettet Tag für Tag Menschenleben.
So. Das war mein Tätigkeitsfeld. Jetzt kommt ein anderes.
Was ich nun politisch sehe, ist genau das Gegenteil von "Schaffen wir uns eine beherrschbare Situation". Und es macht mich schier wahnsinnig, weil man es deutlich besser machen könnte und machen MUSS.
Wir erleben ein Chaos. Kopflos läuft man den Dingen hinterher und gibt dieser Scheiße immer wieder neue Namen: Hospitalisierungs-Inzidenz. Für die gibts nichtmal einen Grenzwert. Man wartet also drauf, bis die Pat. völlig dekompensiert und versuchts dann erstmal mit Wadenwickel.
Dieses Zögern, dieses planlose, unprofessionelle, dieses wegsehen und so tun als sei alles unter Kontrolle, würde mir bei meiner Arbeit völlig das Genick brechen. Und nicht nur das. Es würden Menschen zu Schaden kommen. mittel- und unmittelbar.
Ich kann auf den Blutdruckabfall nicht erst reagieren, wenn die Pat. drucklos ist. Ich muss berechnen, dass Medikamente einen kurzen Augenblick brauchen um zu wirken, um anzufluten. Ich brauche auch Zeit zum aufziehen oder muss gar noch das Medikament holen.
Die Politik schaut gerade, wieder einmal, nur zu und hofft, dass Corona von alleine weggeht oder schon nicht so schlimm wird. Man hat ja genug getan. Muss reichen. Kinder? Hupsi...naja, wird schon nicht so wild werden. Müssen wir nur oft genug wiederholen, dann wirds schon wahr.
Man handelt politisch so, weil man weiß, dass es noch Menschen gibt, die am Ende wieder professionell arbeiten und alles daran setzen werden Menschen zu helfen und ihnen den Arsch zu retten. Und dann stimmt man wieder das Loblied auf die Gesundheitsberufe an.
Im Wahlkampf drischt man nur Phrasen. Das wissen wir doch alle mittlerweile. Rhetorisches Heldentum halt. Vom Mut redet man, voran gehen, handeln, von Verstand und vorausschauender Denkweise, von Innovation. Es klingt als wolle man tolle Dinge verkaufen, die das Leben verbessern.
Am Ende ist die Politik mittlerweile nur noch dieser eine Gaffer, der bei einer Reanimation immer nur im Weg steht, dumme Ratschläge gibt und irgendwann instant panisch wird.
Wir Profis sind anders.
Wir schaffen uns beherrschbare Situationen und bedenken auch das Eventuelle.
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Die MitarbeiterInnen in den Gesundheitsberufen werden nicht nur oft Opfer von Gewalt. Man lässt uns auch nach traumatischen Erlebnissen oft allein.
Man geht häufig davon aus, dass wir das schon "wegstecken", es zum Beruf halt dazu gehöre und man nur ein "dickes Fell" braucht.
Eine Kollegin sah vor Jahren, wie sich ein Patient aus dem Fenster in den Tod stürzte. Es verfolgt sie bis heute. Immer wenn Patient*innen am Fenster stehen, hat sie Flashbacks und bekommt Panik. Aufgearbeitet hat man das nie. Geholfen hat man ihr zu keiner Zeit.
Vor 8 Jahren nahm ein Patient zwei Ärzt*innen als Geisel und bedrohte sie mit einer Schusswaffe. Erst nachdem sie versprachen ihn auf die Palliativstation zu verlegen, ließ er sie gehen.
Als beide den Raum verlassen hatten, schoss er sich in den Kopf.
Dienstpläne sind in den Augen toxischer EntscheiderInnen ein probates und gern genommenes Instrument zur Machtdemonstration und Machtausübung. Beim Bossing, dem Mobbing von Führungskräften ausgehend, ist der Dienstplan das 1. Wahl-Druckmittel, wenn es gegen MitarbeiterInnen geht.
Es ist auch ein sehr perfides Mittel, da die MitarbeiterInnen kaum Möglichkeiten haben sich dagegen zu wehren. Dienstplanwünsche werden konsequent mit Verweis auf die Betriebsabläufe ignoriert. Urlaub wird so geplant, dass die angrenzenden Wochenenden Arbeitswochenenden sind.
Emotionale und moralische Erpressungsstrategien finden sich u.a. im "Wenn du unter der Woche nur Frühdienst machen kannst, dann muss jemand anders IMMER Spätdienst machen." wieder. Vor dem Team werden familientaugliche Arbeitszeiten genau SO abgebügelt. Spaltung incoming.
Kollegin will den intraOP eingenähten Schrittmacher an die Infusionshalterung hängen.
Ich: Häng das Teil nicht so hoch.
Kollegin: Was? Warum?
I: Wegen dem...StromBOLUS?
K: Dem was?
I: S-T-R-O-M-B-O-L-U-S!
K: Kenn ich nicht. Das gibts gar nicht.
I: Na doch. Das ist wie mit den Perfusoren. Spielraum hinten am Kolben. Hängste das Norepi von unten nach oben, gibts einen kleinen Bolus. Von oben nach unten, dauerts ne Weile bis der Fluss wieder da ist. Physik!
K: Ja, aber was hat der Schrittmacher damit zu tun?
I: Selbes Prinzip. Die kleinen Elektroden fallen durch die Leitung, wenn du es zu hoch hängst. Gibt Extrasystolen und seltsame Schrittmacheraktionen. Liegt er zu tief, dauerts ne Weile bis er reagiert.
Ja, Herr oberlehrerhaft, "Nabel der Welt" Bäckermeister. Der Rest der Welt ist faul und hat keine Ahnung. Alles liegt in Schutt. Nur in DEUTS Hland wird gearbeitet und bis 70 malocht. Endlich sagts mal jemand!!!eins!1
Und weil das so ist, sind Menschen wie der Bäcker von Welt beim Thema Integration ganz vorn dabei.
Sprachkurs?
Ja. Aber nur in der Freizeit. Und wenn möglich sonntags.
Gibts da eig Förderung, wenn ich schon Ausländer einstellen muss, um überhaupt noch MitarbeiterInnen zu haben?
Im Betrieb selbst wird super gut integriert und das deutsche "Leistung lohnt sich"-Prinzip wird mit Konzepten wie:
"Du nix verstehn?"
"Du musse SO mache!" und, der Klassiker,
"Musse lerne Arbeit. Du nicht kenne das in dein Land. Hier Deutschland!" diesen Menschen eingeimpft.
Vor 2 Jahren verhandelte man einen Entlastungstarifvertrag (#TVE). Darin, ein Instrument zur Belastungssteuerung. Es war recht simpel. Jede (!) Station legte Pi-mal-Daumen fest, wie viele Pflegefachleute man braucht um die Pat. bedarfsgerecht zu versorgen.
Interessant dabei war, dass die ausgegebene Nurse-Patient-Ratio ohne Personalbemessungsinstrument zustande kam. Das gibt es am Klinikum nicht. NICHT! Die Pflegepersonalstellen berechnet man anders. Wie? Ist Betriebsgeheimnis. Das verrät man nicht mal der Landesregierung,...
...die im Rahmen einer Kleinen Anfrage dazu Stellung nehmen musste.
Interessant zudem, dass die unter Pi-mal-Daumen zusammengeschusterte Ratio annähernd an das herankommt, was in den OECD-Staaten als Durchschnitt gilt. Die #Pflegefachpersonen berücksichtigten sogar...
Ich musste lesen, dass @JanJosefLiefers seine Geschichte zur Medienkritik erzählen durfte. Wie er vor Weihnachten beschloss nichts mehr über SarsCoV2, die Pandemie, das Leid und die Toten lesen zu wollen und es ihm damit besser ging.
Ich möchte da kurz an was erinnern.
Wir, die MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen, können nicht einfach die Augen zu machen, weil wir es leid sind die Realität zu sehen. Wir können nicht einfach sagen, ich bestelle mal die Tageszeitung ab und lasse den Fernseher aus, dann wirds schon besser werden.
Die Welt bleibt nicht stehen, wenn man nur lange genug die Augen zu macht. Die Realität wird nicht fluffiger, weil man sie nicht mehr sehen mag. Es passiert dennoch. Nur schaut man eben nicht mehr hin. Besser wirds dadurch im Allgemeinen nicht. Für einen selbst vielleicht.