Die gleichen Leute, die uns die Korruptions- und Rassismusvorfälle des 27-jährigen MdBs Philipp Amthor als Jugendsünden verkaufen, spielen uns jetzt Empörung vor, weil @xsarahleee mit 13 (!) mal politisch inkorrekt geschimpft hat.

Und genau DAS ist Alltagssexismus und -rassismus
Wirklich, diese erbärmlichen Männeken, wenn sie es wenigstens cleverer anstellen oder besser verschleiern würden. Aber es ist einfach so offensichtlich und plump, wer kann und soll euch denn jemals ernst nehmen.
Aber es wirkt natürlich: Jede WoC überlegt sich zweimal und dreimal, ob sie sich in eine solche Öffentlichkeit begibt, die so offensichtlich mit zweierlei Maß misst. Und genau darum bin ich unendlich froh darüber, dass @xsarahleee genau da ist, wo sie ist.
Liebe Sarah, wir stehen alle hinter dir, neben dir und wenn es nötig ist auch kurz mal vor dir. Du hast unsere Unterstützung und Solidarität gegen diesen Mob und je lauter sie schreien, desto genauer weißt du, wie viel Angst sie vor dir haben. ✊
Und die scheinheiligen Takes „Aber wenn das ein JuLi / JUlee gewesen wäre, was wäre hier los?!?“ Joa vielleicht annähernd so viel wie gerade, minus Rassismus, Misogynie und Springer-Schlagzeilen.
Und das Playbook ist ja immer gleich: Rechte Trolle graben was aus, skandalisieren es, Springer sorgt für Anschluss in der Mitte, seriöse Medien fangen an, darüber zu berichten. Sie diktieren uns den politischen Raum, immer und immer wieder.
Und auf einmal sprechen wir dann medial von der „umstrittenen XYZ“, weil sie mit 13 mal Quatsch erzählt hat. Aber sonst merkt ihr es alle hoffentlich noch.
Letzter Tweet hierzu, weil mir sonst die Hutschnur reißt:

Sarah wurde zusammen mit einem jungen Mann an die Spitze der GJ gewählt, der durchaus zu kontroversen Takes in der Lage ist. Aber über ihn diskutiert Twitter heute nicht. Fragt euch mal warum.
Sorry ich muss doch noch weiter, sonst kriege ich einen Herzinfarkt:

Wenn die rechtskonservative/rechte/liberalo-Ecke noch einmal mit linker Cancel Culture ankommt, dann brennt aber die Ranch. Weil hier soll eine junge Frau zum Schweigen gebracht werden, nicht weniger.
Das schließt die „Ja aber man muss schon überlegen, bevor man ins Internet schreibt“ und die „Ja dieser Shitstorm ist schon übertrieben, aber Kritik wird man doch wohl äußern dürfen“ Takes mit ein. Weil ihr offensichtlich wirklich GAR NICHTS über rechte Netzdynamik gelernt habt.
Natürlich darf man Kritik äußern, aber es kommt auch auf das wann + mit wem + wie an. Ihr findet nicht im luftleeren Raum statt und ihr blast in die gleiche Flöte, nämlich die, die der rechte Mob euch vor den Mund hält. Might hurt, still true.
Und bitte nagelt mich bis in die nächste Eiszeit darauf fest, dass wenn mal ein kleiner JuLi-Lausbub mit 14 Unfug geschrieben hat, ich ihn bei der Wahl zum Vorsitzenden seiner politischen Jugendorganisation genau so öffentlich verteidigen werde.
Wirklich, wozu sich hier erwachsene Menschen nicht zu blöd sind: „DAS ARGUMENT JUGEND LASSE ICH NICHT ZÄHLEN“? Was? Habt ihr 13-jährigen mal zugehört, was die so den ganzen Tag teilweise erzählen? Wart ihr selber mal 13? Thank HEAVENS gab es kein Twitter, als ich so alt war.
Dass auch hier wieder eine ausgleichende Mitte gesucht wird zwischen Leuten, die sich schützend vor eine junge Frau stellen und dem Internetmob, der hier springergefördert eine Character-Assassination aufgrund von Tweets im Teenageralter durchführen will,
ist Teil des gleichen Problems, warum wir irgendwelche Scharlatane zu Covid-19 befragen und Klimawandelleugner in Talkshows holen. Das ist nicht abwägend und ausbalancierend, sondern einfach unsinnig. Man muss nicht immer die diskurstechnische Schweiz spielen.
„Entschuldigung Peter, du hast mit 7 mal im Späti ein Eis geklaut, ich glaube du bist charakterlich nicht geeignet für das Jurastudium“. „Drogenbeauftragte? Aber Frau Müller, sie haben mit 14 mal an einem Joint gezogen, das können Sie nicht mehr werden.“
Es folgt jedes Mal dem gleichen Schema. Niemand lernt jemals etwas dazu. But her emails.

Die Metamorphose des rechten Shitstorms ist komplett, hier die erste (mir bekannte) Schlagzeile, die den Ursprung nicht einmal mehr benennt:

Noch zwei Aspekte, weil ich viele Artikel und Kommentare in diese Richtungen gelesen habe:

1. Sich hier solidarisch mit Sarah Lee Heinrich zu zeigen ist nicht (!) gleichbedeutend damit, ihre Aussagen von vor vielen Jahren zu verteidigen.
Stellt euch vor, es geht beides: Die Aussagen falsch finden und gleichzeitig dafür zu plädieren, sie im Kontext zu bewerten - sie war sehr jung und sie hat sich lange dafür entschuldigt. Was seit gestern hier los ist kann ja niemand ernsthaft als adäquate Reaktion bezeichnen.
Dass rechte Schreihälse kein Interesse an dieser Differenzierung haben ist klar - ihr Ziel ist nicht Diskurs, sondern Diskurszerstörung. Wenn der Rest von uns aber dieses Minimum an Nuancierung nicht beherrschen will, dann gute Nacht Marie.
2. Ironischerweise wird den Grünen immer das Hypermoralisieren vorgeworfen - beobachten sich diejenigen in dieser Debatte eigentlich mal selbst? Welche moralischen Ansprüche an Pubertierende hier angelegt werden und welche Konsequenzen sie für ihre Handlungen zu tragen haben,
das glaubt ihr euch doch selbst nicht. Kein 13-jähriger Mensch, dem ich jemals begegnet bin, könnte diesen Ansprüchen genügen. Und in der Konsequenz dürfte dann niemand mehr im Erwachsenenalter den Mund aufmachen? Brillante Idee, let’s see where this gets us.
Ach ja: “Jetzt bekommen die Grünen ihre eigene Medizin zu schmecken” oder “Die woke Revolution frisst ihre Kinder”

Ich verstehe, dass das auf den ersten Blick weniger stumpf erscheint als die gewöhnlichen Talking Points von rechts, aber einmal blinzeln und man sieht,
dass man gar nicht so unglaublich clever dasteht, wenn man zugibt, seine moralischen Bewertungsmaßtäbe an der politischen Gesinnung anderer auszurichten.
Soll heißen: Entweder man findet es gut, dass Menschen medial gekreuzigt werden für Aussagen als sie 14 waren oder eben nicht.
(Über die Folgen für eine Generation, die komplett im nie vergessenden Internet groß wird, werden wir übrigens noch öfter sprechen müssen)

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More from @Engel_Re

8 Oct
Was ich nach wie vor seltsam am Diskurs auf twitter dot com finde: Dass Nuancen und Zwischentöne nicht nur fehlen, sondern dass ihr Fehlen sogar gefordert und gefördert wird.

Aktuell am Beispiel von Armin Laschet, aber man kann das an zahlreichen Themen runterbeten:
Naürlich finde ich so gut wie alles falsch, was Armin Laschet politisch vorhat. Ich bin der festen Überzeugung, dass er als Kanzler sehr schlecht für das Land wäre. Gleichzeitig komme ich nicht umhin, dass der Mensch hinter dem Politzirkus mir leid tut.
Ich weiß, Mitleid ist nichts, was man in diesem Geschäft brauchen kann, aber ich persönlich empfinde keinerlei Freude daran, zu beobachten, was mit diesem Mann in den letzten Wochen passiert ist. Ähnlich ging es mir bei Nahles, bei Schulz, bei Steinbrück u.v.a.
Read 17 tweets
7 Oct
Was für eine bizarre Pressekonferenz von Armin #Laschet. Er verkündet seinen Rückzug, wird also vollends zur Lame Duck, aber die Union soll trotzdem weiter für Jamaikaverhandlungen offen bleiben? Wer solte die führen? Wer sollte dann Kanzler werden?
Ich frage mich wirklich aufrichtig: Wer heckt solche strategischen Geniestreiche aus? Wer sitzt da am Tisch und sagt: „Ja, so machen wir es, das ist der beste Weg nach vorne!“ Wer rät Armin Laschet als PV, der alles verloren hat, den Prozess für seine Nachfolge zu „moderieren“?
Selbst WENN (und das ist nahe an der Unmöglichkeit, denn Lindner liebt Laschet buchstäblich) FDP und Grüne jetzt sagten „Ok CDU, mit einem neuen PV machen wir es“ - wie wäre der legitimiert, wenn er sich gar nicht zur Wahl gestellt hat? Und wie sollte die CSU das mittragen?
Read 5 tweets
12 Sep
Zum Redeausschnitt von Laschet meine 2 Cents:

1. Die jetzige Verkürzung durch die SPD ist die am wenigsten wohlwollende Interpretation

2. Laschet trägt dafür zumindest Mitverantwortung, hätte man verhindern können

3. Die Union bekommt gerade ihre eigene Medizin zu schmecken:
„Knapper Wohnraum darf nicht so stark zersiedeln“ GRÜNE HÄUSERHASSER

„Übermäßiger Fleischkonsum ...“ SIE WOLLEN UNSER SCHNITZEL VERBIETEN

„Verkehrswende...“ DEINDUSTRIALISIERUNG

„Wohnraum muss bezahlbar sein“ SOZIALISMUS
Monatelang diesen Stil der maximalen Skandalisierung und Verkürzung an der Grenze zur Lüge kultivieren und sich nun beschweren, wenn er sich etabliert hat? Als ob Gennaro Gattuso Fair Play anmahnt, haha
Read 4 tweets
5 Sep
Wie Franziska #Giffey eine Koalition mit CDU und FDP für Berlin vorbereitet und warum das verhindert werden muss. Glaubt ihr nicht? Thread.
1. Wir steigen direkt ein mit ihrem Wahlkampfschlager: Abschiebung in Kriegsgebiete; könnte von den erzkonservativen Teilen der CDU kommen, ist aber nun anscheinend sozialdemokratische Position (bzw. war es bis AFG-Abzug).

Wie sollen progressive Parteien sowas mittragen?
2. Giffey zieht eine „rote Linie“ beim Thema Enteignung und verunmöglicht damit quasi eine Koalition mit der Linkspartei, die sich dieses Thema seit Jahren auf die Fahne schreibt und u.a. sehr involviert beim Volksentscheid @dwenteignen ist.
Read 23 tweets
2 Sep
Mittlerweile haben die reaktionären Kräfte einfach vollends die Kontrolle verloren:

“Taliban” wegen Lastenrädern, “Stasi” wegen einer digitalen Meldeplattform für Steuerbetrug, “Woko Haram” weil sich Menschen gegen Rassismus auflehnen, “Geiselhaft” wegen eines Bahnstreiks.
Der viel beschworene Riss durch die Gesellschaft, er wird durch diese sprachlichen Entgleisungen und nicht etwa durch ein lächerliches Gendersternchen vertieft.
Und das Schäbigste daran: Es passiert mit voller Absicht, um die Kräfte des gesellschaftlichen Stillstands zu mobilisieren, um den Status Quo zu zementieren.
Read 7 tweets
30 Aug
Ich nehme diesen Tweet zu bewaffneten Drohnen zum Anlass, um kurz zu zeigen, wie politisches Campaigning funktioniert.

Ich sag es vorab: Ich unterlasse hier bewusst eine Positionierung in der Sachfrage, es geht mir darum, das Handwerkzeug zu erklären. Thread
Situation: Flughafen Kabul wird von der US-Armee offen gehalten, damit Menschen aus Afghanistan geflogen werden können. Die Bundeswehr wäre alleine nicht dazu im Stande. Die Forderung nach bewaffneten Drohnen wird wieder laut; hier von der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD).
Auch die CSU-Landesgruppe lässt sich diese Gelegenheit nicht entgehen, ihr seit langer Zeit verfolgtes politisches Ziel wieder auf die Agenda zu heben.
Read 17 tweets

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