Situation: Flughafen Kabul wird von der US-Armee offen gehalten, damit Menschen aus Afghanistan geflogen werden können. Die Bundeswehr wäre alleine nicht dazu im Stande. Die Forderung nach bewaffneten Drohnen wird wieder laut; hier von der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD).
Auch die CSU-Landesgruppe lässt sich diese Gelegenheit nicht entgehen, ihr seit langer Zeit verfolgtes politisches Ziel wieder auf die Agenda zu heben.
Man nennt solche Situationen im Kampagnensprech “Crisitunities” - also eine Crisis + eine Opportunity.
Ob sich die Situation (s. 1. Tweet) dafür wirklich eignet oder nicht, spielt eine untergeordnete Rolle, weil die meisten nicht so tief in die Materie einsteigen.
Man kann das durchaus zynisch finden (und die ethischen Leitplanken in solchen Situationen muss jede*r für sich selbst abstecken), aber: Es funktioniert.
Warum funktioniert es? Weil Menschen entgegen der weit verbreiteten Annahme nicht vorrangig rational entscheiden.
Wir sehen das von Corona bis zum Klimawandel: Menschen glauben, was sie glauben wollen. Fakten haben einen sehr viel geringeren Einfluss auf Entscheidungen, als die meisten sich das eingestehen.
U.a. darum ist auch der Vorwurf der “Ideologie“ aus konservativen Mündern so ulkig.
Wenn sich nun also eine politische / humanitäre / ökologische Krise entfaltet, öffnet sich ein Zeitfenster - der Fokus der medialen Öffentlichkeit ist auf dem Thema, die Menschen sind emotionalisiert.
Wie klein (also zeitlich KURZ) dieses Fenster ist, wird i.d.R. unterschätzt.
Man hat nun die Möglichkeit, Politik ein ganzes Stück weiter zu beeinflussen, als das unter normalen Umständen der Fall wäre. Das beste Beispiel dafür war die Katastrophe in Fukushima, man denke aber auch an die Wirkmacht von @AMarch4OurLives oder #BLM.
Sobald so eine Situation sich abzeichnet, geht es für Campaigner in den entsprechenden Politikfeldern um Stunden, wenn nicht Minuten - wie kann das geframt werden, wer kann dazu sprechen, überzeugt, politisch unter Druck gesetzt werden?
Noch einmal: Das kann man verwerflich finden, aber ich glaube: Hate the game, not the player. Wenn sich z.B. eine Möglichkeit böte, um in den USA Kriegswaffen dauerhaft aus Schulen fernzuhalten, dann würde ich persönlich weit dafür gehen, das möglich zu machen.
Beim Beispiel Gun Violence in den USA bleibend: Natürlich schlafen auch die Gegner einer jeden Veränderung nicht - es werden, auch binnen Minuten, Wordings rausgegeben und Verteidigungsstrategien an Verbündete kommuniziert, denn man weiß um das Fenster, das jetzt offen ist.
„Stop using this crisis for your political agenda“ oder „Thoughts and prayers“ sind zwei typische Sätze, die dann wieder und wieder fallen, aus zahlreichen Richtungen, alles von der Waffenlobby und ihren Verbündeten koordiniert. Auch das ist eine funktionierende Strategie.
Auch hierzulande kann man die Kräfte des organisierten Stillstands bei der Arbeit beobachten, man denke an die Abwehr politischer Forderungen (nach mehr Verkehrssicherheit oder Tempolimits) nach schweren Autounfällen oder mehr Klimaschutz nach Naturkatastrophen.
Interessant: Bisher ist in der jetzigen Situation der Vorwurf der Instrumentalisierung in der Debatte um Drohnen, aber auch generell um bessere finanzielle Ausstattung, Ausrüstung oder Anerkennung für die Bundeswehr noch nicht nennenswert laut geworden.
(Und weil man das auf Twitter immer dazu schreiben muss: Weder erhebe ich diesen Vorwurf hier noch verwerfe ich ihn - ich versuche einen Sachverhalt ohne Positionierung zu erläutern.)
Es ist in solchen Momenten interessant zu sehen, welche Akteur*innen sich wie verhalten - wer schlägt neue Töne an, traut sich an neue Bildsprache oder einen neuen Stil (s.u.), wer nutzt die Lage gar für eine neue Positionierung?
1. Die jetzige Verkürzung durch die SPD ist die am wenigsten wohlwollende Interpretation
2. Laschet trägt dafür zumindest Mitverantwortung, hätte man verhindern können
3. Die Union bekommt gerade ihre eigene Medizin zu schmecken:
„Knapper Wohnraum darf nicht so stark zersiedeln“ GRÜNE HÄUSERHASSER
„Übermäßiger Fleischkonsum ...“ SIE WOLLEN UNSER SCHNITZEL VERBIETEN
„Verkehrswende...“ DEINDUSTRIALISIERUNG
„Wohnraum muss bezahlbar sein“ SOZIALISMUS
Monatelang diesen Stil der maximalen Skandalisierung und Verkürzung an der Grenze zur Lüge kultivieren und sich nun beschweren, wenn er sich etabliert hat? Als ob Gennaro Gattuso Fair Play anmahnt, haha
Wie Franziska #Giffey eine Koalition mit CDU und FDP für Berlin vorbereitet und warum das verhindert werden muss. Glaubt ihr nicht? Thread.
1. Wir steigen direkt ein mit ihrem Wahlkampfschlager: Abschiebung in Kriegsgebiete; könnte von den erzkonservativen Teilen der CDU kommen, ist aber nun anscheinend sozialdemokratische Position (bzw. war es bis AFG-Abzug).
2. Giffey zieht eine „rote Linie“ beim Thema Enteignung und verunmöglicht damit quasi eine Koalition mit der Linkspartei, die sich dieses Thema seit Jahren auf die Fahne schreibt und u.a. sehr involviert beim Volksentscheid @dwenteignen ist.
Mittlerweile haben die reaktionären Kräfte einfach vollends die Kontrolle verloren:
“Taliban” wegen Lastenrädern, “Stasi” wegen einer digitalen Meldeplattform für Steuerbetrug, “Woko Haram” weil sich Menschen gegen Rassismus auflehnen, “Geiselhaft” wegen eines Bahnstreiks.
Der viel beschworene Riss durch die Gesellschaft, er wird durch diese sprachlichen Entgleisungen und nicht etwa durch ein lächerliches Gendersternchen vertieft.
Und das Schäbigste daran: Es passiert mit voller Absicht, um die Kräfte des gesellschaftlichen Stillstands zu mobilisieren, um den Status Quo zu zementieren.
Ich will eine kurze Geschichte über @Bettina_Jarasch erzählen und warum ich in den nächsten vier Wochen alles in meinen Möglichkeiten Stehende dazu beitragen werde, dass diese Frau die Regierende Bürgermeisterin von Berlin wird.
Vergangenes Jahr, lange vor Nominierungen und Wahlkampf, suchten wir relativ verzweifelt nach Möglichkeiten, den Menschen in Moria zu helfen. Ich hatte eine Idee und rief den wunderbaren @SE_Weise an, der mir empfahl, mich beim Büro von Bettina Jarasch zu melden. Gesagt, getan.
Ihr Büro gab mir ihre Handynummer, ich rief an. Sie eilte gerade von einem Termin zu einer AGH-Sitzung & warf mir nach kurzer Erklärung im Stakkato ihre Einschätzung zu - präzise, fachkundig, auf den Punkt. Ihre Sitzung began, sie entschuldigte sich für die Kürze und legte auf -
WIE, dein #Lastenrad kann nicht 6.000 Kilo transportieren und in zwei Stunden von Münster nach Berlin heizen, WAS FÜR EIN NUTZLOSES KONZEPT INSGESAMT!
Jahrzehntelang auf dem Land die Busse wegrationalisieren ABER WEHE DEIN #LASTENRAD IST NICHT IN 5 MINUTEN BEIM SUPERMARKT DU GRÜNER VOLLIDIOT
#Lastenrad gut und schön aber DIE 40CM BREITEN FAHRRADWEGE, DIE WIR ÜBER JAHRZEHNTE HABEN VERROTTEN LASSEN, SIND EH SCHON VOLL, darum lieber Auto fahren, du weltfremder Deindustrialisierungsideologe
Die @CDU implodiert gerade nicht nur (!) wegen Armin #Laschet, der offensichtlich auf der großen Bühne überfordert ist, sondern hat ein viel grundlegenderes Problem - sie ist inhaltlich und personell am Ende. Thread
Seit Jahren entzieht sich die Union der inhaltlichen Auseinandersetzung gänzlich - den politischen Konzepten der Konkurrenz werden Angstmacherei und Lügen entgegengestellt:
1) Mehr Klimaschutz? “Deindustrialisierung!! Verbotspartei!!” 2) Sicherheitsbehörden haben ein Problem mit Rechtsextremismus? “Ihr stellt alle unter Generalversacht!!” 3) Verkehrswende? “Tempo 130 ist deutsche Leitkultur!!” 4) Zersiedelung auf dem Land? “Grüne hassen Häuser!!”