Ich möchte mal kurz einen ehrlichen, vermittelnden Versuch wagen in Sachen Verständnis zwischen Geimpften und Ungeimpften und dem Begriff "Langzeitschäden/-folgen/-studien".

Ein (langer) Thread: ~
Ich weiß, in letzter Zeit habe ich häufiger Ungeimpfte "verteidigt" als Geimpfte. Das liegt nicht daran, dass ich gerade Richtung Querdenker tendiere, was ich für so absurd halte, dass ich nicht mal näher drauf eingehen will. Ich halte die Impfung für extrem sinnvoll, aber ich ~
bin grundsätzlich gegen Zwänge, wo man sie vermeiden kann und für Eigenverantwortung. Zudem ist mein größtes Problem in dieser Sache derzeit, dass mir in alle Richtungen Differenzierung fehlt. Ich halte Pauschalisierungen für grundfalsch und in diesem Fall gefährlich.

~
Dass ich auf diesem Account eher Ungeimpfte "verteidige", liegt hauptsächlich daran, dass ich mich in einer Blase bewege, in der die meisten geimpft sind und pro-Maßnahmen. Dass ich das Gefühl habe, die Leute hier haben wenig Kontakt zu Ungeimpften und haben oft verpasst, hier ~
ernsthaft den Austausch zu suchen. Es liegt daran, dass ich mich in einer Blase bewege, von der ich mehr halte und der ich mehr Reflexionsfähigkeit zutraue als radikalen Querdenkern. Ich verachte diese extrem denkenden Menschen. Aber die lesen mich nicht und ich sie nicht. ~
IHR lest mich. Natürlich kann ich jetzt positiv über die Impfung schreiben, aber was passiert dann? Das wisst ihr alle, ihr stimmt mir zu, ich bekomme Likes.

Super.

Geändert hat sich nichts. Verstanden wurde nicht mehr als vorher. Ich habe keinen zum Nachdenken gebracht. Aber ~
darum geht es mir: Darum, Menschen aus allen Richtungen zum Nachdenken zu bringen.

Also. Zum Thema:

Ich bekomme häufig Nachrichten von Ungeimpften, die mir ihre Geschichten erzählen, weil sie sehen, dass ich mich oft gegen eine Stigmatisierung stark mache, sie aber ansonsten ~
still sind und nicht mehr öffentlich schreiben.

Allein das halt ich schon für bedenklich und gefährlich, dass eine Gruppe still bleibt, weil sie weiß, sie wird öffentlich an den Pranger gestellt für eine persönliche Entscheidung. Was ist die Folge? Dass von den Ungeimpften nur ~
die radikalen Querdenker laut und sichtbar sind. Und die Folge DAVON ist, dass man "ungeimpft" irgendwann mit "radikalem Querdenker" gleichsetzt, was aber mitnichten der Fall ist.

Am Fall Kimmich wurde das wunderbar klar, spätestens jetzt verstehe ich jeden Ungeimpften, der ~
öffentlich nicht mehr äußert. Das Problem: Wenn wir nicht zuhören und erfahren, was die ehrlichen Bedenken mancher noch sind, wenn wir darüber nicht ernsthaft sprechen, dann stirbt die Aufklärung zusammen mit dem Diskurs und dann müssen wir uns nicht wundern, wenn sich ein paar ~
von denen erst recht radikalisieren, obwohl sie eigentlich nicht radikal sind. Wir sollten solche Mechanismen eigentlich kennen, aber wenn ich in meinem Geschichtestudium eine Sache gelernt habe, dann: Dass der Mensch aus der Geschichte nichts lernt, wie auch schon Gandhi ~
erkannt hat.

Anyway. Zum eigentlichen Thema "Langzeitstudien/-schäden", usw.

Kimmich hat diesen Begriff genannt und alles, was geschah war, dass er öffentlich aufs Heftigste dafür zerrissen wurde, weil das unwissenschaftlich sei, weil das bei der Impfung nicht relevant sei, ~
usw. Ich hab in diesem Zuge mit einigen Ungeimpften gesprochen und neue Nachrichten bekommen und ich möchte mal schnell erklären, was dahinter stecken könnte:

Ich (!) weiß, dass Langzeitschäden bei Impfungen in diesem Sinn nicht vorkommen, wie sie häufig dargestellt werden. ~
Ich habe mich eingelesen, kenne wissenschaftliche Methodik und habe heute noch genug Kontakte zu NaWi-Akademikern, mit denen ich häufig lang darüber spreche. Zudem achte ich auf Sprache und bin da sehr sensibel.

Das Ding ist: Nicht jeder Mensch achtet im Alltag (oder in einem ~
TV-Interview, in dem er unter Druck steht) auf eine ausführliche Erklärung, worum es ihm evtl. geht. Dann sagt man eben "ich habe Bedenken wegen Langzeit-XY".

Meiner persönliche Erfahrung aus etlichen Gesprächen:

Den meisten Ungeimpften ist bewusst, dass es nicht darum geht, ~
dass im Zweifel nach zwei Jahren plötzlich und ohne Vorahnung Nebenwirkung XY auftaucht. Diese Bedenken, die viele nicht in ein einzelnes (angemessenes) Wort packen können, fußen häufig auf etwas, das (in meinen Augen) ein Fehler der Regierung ist:

Ja, die Impfung ist Mio-fach ~
erprobt, untersucht, usw.

Aber keiner von uns kann leugnen, dass im Laufe der Zeit neue Erkenntnisse in Bezug auf die Impfung erlangt wurden, die zu Beginn nicht absehbar waren.

Das ist keine Kritik an der Impfung, das ist ein natürlicher wissenschaftlicher Prozess!

Es ist ~
aber eben Fakt, dass erst im Laufe einiger Monate bestimmte Dinge klar wurden. Erst ging man davon aus, dass die Impfung absoluten Schutz gibt, dass Geimpfte nicht mehr ansteckend sind, dass die Impfung dauerhaft wirkt - all diese Dinge haben sich als falsch herausgestellt.
~
Das ist nicht schlimm und spricht mitnichten gegen die Impfung! Die wirkt unglaublich gut und ist derzeit der beste Schutz, gerade für Risikogruppen!, den wir haben.

Aber es ist eben Fakt, dass gewisse Erkenntnisse Zeit gebraucht haben.

Moderna wird seit kurzem in einigen ~
Ländern bei Jugendlichen ausgesetzt wegen Myokarditis. J&J gilt heute, nach einigen Monaten, als nicht ausreichend, obwohl man bis dato davon ausging. Astra hatte das Thema mit der Thrombose und wurde dann eher für Ältere empfohlen. Usw.

Darüber muss man sprechen dürfen, sonst ~
stirbt jede Impfkampagne im Keim! Das abzutun, diese Dinge totzuschweigen und die Impfung in religiösen Zügen als Allheilmittel zu verkaufen und jede Bedenken als "dumm" und "wissenschaftsfeindlich" abzutun, wird das exakte Gegenteil bewirken!

Die Impfung ist nicht unwirksam, ~
im Gegenteil, und die Nebenwirkungen ist extremst selten. In den geht Fällen geht Risiko-Nutzen-Rechnung zugunsten der Impfung auf. Wir sehen an den Zahlen, wie effektiv die Impfung ist.

Aber wir werden den Menschen mit Bedenken nicht gerecht, wenn wir sie alle als Schwurbler ~
abtun und ausgrenzen. Wenn wir Kimmich an den Pranger stellen, weil er das Wort "Langzeitfolgen" in den Mund genommen hat.

Mag sein, das Wort ist im Kontext der Wissenschaft nicht korrekt. Meine Erfahrung ist: Die meisten Ungeimpften, die noch Bedenken haben, haben schlicht ~
kein besseres Wort dafür.

Der derzeitige "Diskurs" ist:

Ungeimpft: "Hm ja, wer weiß, was in einem halben Jahr noch..."

Geimpft: "Schwurbler! Wissenschaftsleugner! Es gibt keine Langzeitschäden bei Impfungen!"

Und dann kommt 2G.

Das können wir so machen, klar. Sind ja auch ~
auch nicht viele und Minderheiten kann man schonmal ausschließen - geht ja nur um ein paar. ^^

Stattdessen könnten wir einen ehrlichen Diskurs führen. Die Regierung (um auf meine Andeutung vorhin zurückzukommen) könnte offener darüber sprechen, dass man eben auch mal was falsch
gemacht hat oder sich verschätzt hat - was VOLLKOMMEN normal und okay ist, solange man offen darüber spricht! Wie viele Einschätzungen in Sachen Zahlen oder was auch immer, haben sich eben nicht bewahrheitet? Darüber zu sprechen, bedeutet mitnichten, Corona zu verharmlosen. ~
Aber es würde vielleicht Vertrauen unter einigen schaffen, wenn man ehrlich kommunizieren würde:

"Hm, okay. Zahl XY hat sich zum Glück nicht bewahrheitet, aber gut, dass wir drauf vorbereitet waren! Nein, Langzeitschäden in diesem Sinne gibt es bei Impfungen nicht, aber stimmt ~
schon: Im Laufe der letzten Monate haben wir über die Impfstoffe nochmal viel gelernt. Es ist berechtigt, Bedenken zu haben, das ist eine menschliche Regung und nachvollziehbar. Immerhin war es ja wirklich so, dass manche Dinge erst über die Zeit wirklich klar wurden. Das ist~
in solchen Prozessen normal und bedeutet nicht, dass die Impfung schlecht ist - das sehen wir ja an den Zahlen! Aber in der Kommunikation haben wir, als Regierung, auch ein paar Fehler gemacht und uns manchmal verschätzt, daran arbeiten wir."

Meine laienhafte Meinung: Würde ~
die Regierung in dieser Differenziertheit kommunizieren, hätten wir weniger Ungeimpfte.

Aber was weiß ich schon? Ich bin ja, laut einigen hier, schon halb Schwurbler, weil ich mich für einen differenzierten Diskurs und eine Minderheit einsetze, die von den meisten hier nur als ~
schuldhafter Auslöser gesehen wird. Das können wir so machen, hier in dieser linken Blase, aber dann müssen wir uns in Zukunft nicht mehr unter der Flagge der Toleranz bewegen und postulieren, dass man für Minderheiten einstehen soll - Toleranz deckt nicht nur Minderheiten aus ~
den eigenen Reihen ab. Wahre Toleranz tut weh. Wahre Toleranz bedeutet das zu dulden, gewähren zu lassen, was fremd ist, was anders denkt.

Toleranz kommt vom lateinischen "tolerare" und bedeutet "ertragen".

Versteht ihr?

Toleranz bedeutet nicht "sich dafür einsetzen, was ~
ich selbst vertrete und gut finde". Es bedeutet nicht "mich als Minderheit stark machen". Es bedeutet nicht "dafür kämpfen, dass ANDERE dulden, was anders ist".

Toleranz bedeutet fucking "ertragen".

Seid ihr, ihr selbst, also tolerant?
Könnt ihr ertragen?

... oder nicht?

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25 Oct
Finde die Herablassung schon faszinierend, mit der man sich kollektiv darüber lustig macht, dass man so unwissenschaftlich denken und Dinge glauben kann, die nicht nachweisbar sind - in einem Land, in dem rund 60% einer christlichen Religionsgemeinschaft angehören. 🤷🏻‍♀️

#Kimmich ~
Ich selbst bin auch ein extrem rationaler, von Fakten geleiteter Mensch.

Aber ich möchte in einer Welt leben, in der es Menschen freisteht, auch an Dinge zu glauben, die ICH als komplett abwegig ansehe. DARUM geht es mir.

Nicht um den Inhalt, sondern die Argumentation.

~
"Das ist nicht belegbar" wird hier häufig als Pendant zu "er ist halt nicht die hellste Kerze" verwendet.

Seit wann können es sich so viele leisten, so herablassend zu sein?

Keine Christen und Kirchgänger im Freundeskreis? Noch nie jemanden getroffen, der an Homöopathie ~
Read 7 tweets
12 Oct
Ich habe im Verlauf des letzten Jahre die Erkenntnis gewonnen, dass ich mich extrem und fast ausschließlich innerhalb meiner Blase bewege und Input bekomme, der mich in meinen Haltungen überwiegend bestärkt.

Das war früher nicht der Fall und ich mag es aus unterschiedlichen ~
Gründen nicht. Eigentlich ist mein Prinzip ein anderes und ich habe seit einigen Wochen wieder angefangen, das umzusetzen.

Wenn ich von einer Haltung überzeugt bin, besorge ich mir Input (meist Bücher oder Blogs oder sonstiges), die diese Haltung zu entkräften suchen und ~
dagegen sind. Wenn ich DIESE Argumente wiederum (für mich) widerlegen kann oder sie nicht für schlüssig halte, umso besser - dann kann ich mich in meiner Haltung bestärkt fühlen. Wenn mir manche Argumente schlüssig vorkommen, gehe ich dem inhaltlich, tiefergehend, detaillierter ~
Read 5 tweets
12 Oct
Vielleicht bin ich empfindlich.

Aber ich finde es einfach unangebracht, wenn es beim Thema Femdom in welcher Art auch immer um systematischen Missbrauch geht, Erpressung, Manipulation und Übergriffe und die ersten Reaktionen sind "gehören zwei dazu" und "Eigenverantwortung". ~
Sorry aber wenn es umgekehrt ist und es um Übergriffe und Manipulation weiblicher Subs geht, gibt es zuverlässig einen Aufschrei. Das ist gleich in zwei Richtungen falsch:

Es suggeriert 1., dass Männer KEINE Opfer sein können und sich IMMER in gewissem Maß selbst in die ~
Situation gebracht haben, diese also selbst (mit) zu verschulden haben.

Das ist falsch.

Und es suggeriert 2., dass Frauen NIE Eigenverantwortung übernehmen (können), IMMER zu 100% Opfer sind und NIE eigenes Verschulden haben.

Das ist genauso falsch.

Definitiv geht es im ~
Read 8 tweets
11 Oct
Spannende Entwicklung übrigens: Ich habe wieder im Fitnessstudio angemeldet und Jorah hat sich ebenfalls angemeldet. Manchmal gehen wir komplett unabhängig voneinander, manchmal fahren wir gemeinsam, aber dort macht jeder komplett sein Ding (bin sicher, dort würde niemand ~
auch nur merken, dass wir uns kennen".

Zudem habe ich meine Ernährung wieder umgestellt und auch davon war Jorah komplett begeistert - tut mir sehr gut, wenn sich jemand von meinem Enthusiasmus mitreißen lässt. Ich plane gern, setze auch gern selbst um, aber es macht nochmal ~
mehr Spaß, wenn ein anderer mitmacht. Das Ganze hat sich jetzt innerhalb kurzer Zeit zu einer Art Hobby für uns beide entwickelt. Jorah kommt mit zum Einkaufen, wir machen Proteinshakes, essen super gesunden und haben beide das Ziel, den "Corona-Körper" wieder ein wenig auf ~
Read 8 tweets
11 Sep
- Thread über "Vermeidbarkeit" und #Lohnfortzahlung -

Es "sei "unfair" gegenüber der Solidargemeinschaft, wenn sie für den Verdienstausfall aufkommen müsse."

n-tv.de/politik/NRW-st…
___________

Ich bin für impfen, ich bin für Solidarität, ich bin für Regeln, um die Pandemie
einzudämmen. Aber ich bin auch dafür, in der Argumentation konsequent zu sein.

"Vermeidbarkeit" ist ein Stichwort, das ich immer häufiger höre, und mit dem jetzt argumentiert wird, wenn es darum geht, Lohnausfälle zu rechtfertigen.

Leute.

Wir leben in einem Sozialsystem. Das ~
ist so lange schön, wie man selbst davon profitiert und wird dann scheiße, wenn man der ist, der solidarisch sein muss mit denen, deren Entscheidungen man nicht gut heißt.

Das Problem ist: Es ist keine Einbahnstraße - das Eine ohne das Andere kann und darf es nicht geben.

Wir ~
Read 16 tweets
1 Jul
Gestern Abend ging es darum, dass er sich häufig überlegt, wie er Dinge bei mir formuliert, um mich nicht zu verschrecken. Weil ich am Anfang so oft betont habe, dass mir sowas schnell zu eng wird und ich dann das Bedürfnis bekomme, in die andere Richtung zu laufen.

~
Ich hab ihm gesagt, dass ich das revidiere. Dass ich nicht weglaufen werde, wenn er bestimmte Dinge sagt. Dass ich ihm verspreche, ich würde ihn vorwarnen, wenn ich das Bedürfnis bekomme. Und dass ich nicht mehr will, dass er sich in meiner Gegenwart ständig überlegt, wie er ~
..Dinge formuliert.

Heute standen wir im Baumarkt und in einem Nebensatz sagt er:

"Wir brauchen noch doppelseitiges Klebeband für Zuhause."

Ich schaue ihn an, weil er das so noch nie gesagt hat. Er, verunsichert:

"Oh Gott, siehst du. Das passiert, wenn ich nicht mehr drüber ~
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