Heute geht es hier darum, wie die heutigen intellektuellen Vordenker der Politischen und Religiösen Rechten in den USA den Weg bereiten für autoritäres, (proto)-faschistisches Denken und so zu seiner schleichenden Normalisierung beitragen.
Wie schon erwähnt, geht es im christlichen Nationalismus darum, zu definieren, wer „wahre“ Amerikaner sind und wer nicht. Das ist keine Interpretation meinerseits, sondern das wird genauso formuliert. Beweisstück A: Dieser Artikel von Glenn Elmers: americanmind.org/salvo/why-the-…
Abgesehen davon, dass Elmers in einem Nebensatz behauptet, „Millionen von illegalen Einwanderern“ würden sich nie kulturell einleben und seien „rechtlich wie auch politisch Fremde“ (a lot to unpack even here), formuliert er den Kern des Christlichen Nationalismus ganz deutlich:
„most people living in the United States today—certainly more than half—are not Americans in any meaningful sense of the term.“ Die Mehrheit der Menschen in den USA sind - ungeachtet ihrer Staatsbürgerschaft! - keine wahren Amerikaner. Ihr glaubt, ich übertreibe? Nun:
„I’m really referring to the many native-born people—some of whose families have been here since the Mayflower—who may technically be citizens of the United States but are no longer (if they ever were) Americans.“ Deutlicher kann man es kaum formulieren, als Elmers es hier tut.
Wer sind laut Elmers die „richtigen Amerikaner“? Nun, auch das sagt er ganz offen und liefert die haltlose Dämonisierung des politischen Gegners gleich mit: „By and large, I am referring to the 75 million people who voted in the last election against the senile figurehead…“
„…of a party that stands for mob violence, ruthless censorship, and racial grievances, not to mention bureaucratic despotism.“ Hier reproduziert Elmers nebenher gleich eine ganze Handvoll Verschwörungsmythen im Bezug auf die Demokraten.
Konservatismus, behauptet Elmers, habe ausgedient: „The conservative movement” still matters because if the defenders of America continue to squabble among themselves, the victory of progressive tyranny will be assured. See you in the gulag.“ I
Progressive Tyrannei. Ist klar.
„my goal here is to show why we must all unite around the one, authentic America, the only one which transcends all the factional navel-gazing and pointless conservababble.“ Die Message an Konservative: hört auf, inhaltlich zu streiten und werdet radikal -
Sonst wird das wahre, einzige, „authentische“ Amerika von der Bildfläche verschwinden. Auch hier also das Framing: Im Kulturkampf geht es um das nackte Überleben. Amerika brauche die Herrschaft der Minderheit, sagt Elmers:
„Practically speaking, there is almost nothing left to conserve. What is actually required now is a recovery, or even a refounding, of America as it was long and originally understood but which now exists only in the hearts and minds of a minority of citizens.“
Für Elmers sind „true MAGAS“, also Hardcore Trump-Fans keine politische Faktion, sondern sie repräsentieren das „wahre“ Amerika und seien daher unpolitisch: „they are not a partisan faction or an interest group at all. On the contrary, the position they represent transcends…“
„…the conservative divisions by representing the true, non-partisan understanding of America.“ Auch hier sehen wir Orwellianisches Doublespeak: Die extreme Form einer politischen Gruppierung wird unpolitisch genannt.
Klassische Konservative, die er verachtet, hätten sich mit dem „Gift“, das durch Amerikas Adern strömte arrangiert. (Mit dem Gift sind…Demokraten? Ein liberales, demokratisches Amerika? Gemeint). Trump habe auf etwas unbeholfene Art Versucht, das Gift auszumerzen.
Nur leider sei er nicht diszipliniert, nicht extrem genug gewesen - man braucht also eine strategischere, noch krassere Variante dessen, was Trump verkörpert hat. Er schreibt noch nicht Faschismus - einen effektiven Faschismus nämlich - aber das ist gemeint:
„What is needed, of course, is a statesman who understands both the disease afflicting the nation, and the revolutionary medicine required for the cure.“ Auch hier spiegelt sich der von Claremont Institute gepriesene Cäsarismus: ein starker Mann, der die „Republik“ aufräumt
Dann gibt Elmers „Tipps“, wie „wahre Amerikaner“, also Trump-Fans, sich verhalten sollten - aber nicht, ohne politische Gegner noch als „Zombies“ und „Nagetiere“ zu entmenschlichen: „If you are a zombie or a human rodent who wants a shadow-life of timid conformity, put away…“
„…this essay and go memorize the poetry of Amanda Gorman. Real men and women who love honor and beauty, keep reading.“ Hier wird dieser entmenschlichte politische Gegner zusätzlich verbunden mit einer woman of colour - kein Zufall, genausowenig wie die militante Männlichkeit
Was rät Elmers also? Nun, es sollte uns einen Schauer über den Rücken jagen: er ruft zur Gegenrevolution auf (u.a. Gegen „die antirassistische Agenda) - und falls jemand der Meinung ist, das sei nur eine Metapher: nope. Denn Elmers macht das ganz deutlich: stählt eure Körper.
„Accept the fact that what we need is a counter-revolution. Learn some useful skills, stay healthy, and get strong. (One of my favorite weightlifting coaches likes to say, “Strong people are harder to kill, and more useful generally.”)“ Glorifizierung von Gewalt…
Geschichtsrevisionismus, Verschwörungsmythen, Pseudo-Intellektualismus (Elmers bezieht sich unter anderem auf Jaffa), menschenverachtende Sprache im Bezug auf den politischen Gegner, ein mythisches Goldenes Zeitalter, mehr Radikalität, bereitet euch auf den Kampf vor:
Es ist ganz eindeutig. Elmers argumentiert für offenen Faschismus. Und das Claremont Institute ist keine obskure Organisation, sondern einer der wichtigsten Think Tanks der R religiösen und Politischen Rechten. Seine Radikalisierung nimmt zu - vor unser aller Augen.
Wenig überraschend: Elmers ist außerdem ein visiting fellow am Hillsdale College, das eng mit dem Council for National Policy und dem Netzwerk der Religiösen Rechten verbunden ist - und Claremont gehört ebenfalls dazu. #ShadowNetwork
Es ist auch kein Zufall, dass das Memo, das den Umsturz plante, das Trump die Wahl schenken sollte, von John Eastman kam, einem Mitglied des Claremont Institutes. Eastman wurde nach dem 6. Januar nicht geschasst - im Gegenteil, das Institut verteidigt und feiert ihn.
Mehr zu diesem Netzwerk und seinen Akteuren findet ihr im Kapitel „Eine Disziplinierte Armee“ in #AmerikasGotteskrieger und noch viel ausführlicher im Bezug auf den CNP in #ShadowNetwork von der großartigen @anelsona. rowohlt.de/buch/annika-br…
barnesandnoble.com/w/shadow-netwo…
Dieser Elmers Artikel ist nur einer von zahlreichen, die in dieselbe Richtung gehen. Hört auf die Expert*innen, die vor einer 2021 Neuauflage eines amerikanischen Faschismus warnen. Immer mit dabei: Christlicher Nationalismus.
Wer sich richtig ekeln will, der kann sich diesen Artikel geben, der in 1a Kreuzzugs-Rhetorik argumentiert es sei schon schade, dass Native American Kinder in Massengräbern landeten, aber immerhin hätten sie zu Jesus gefunden und das sei es dann wert: theamericanconservative.com/articles/the-m…
Auch hier - nicht übertrieben. Der Artikel ist tituliert mit „The meaning of the native graves - they’re good, actually”. Quelle: the American conservative.
„Whatever sacrifices were exacted in pursuit of that grace—the suffocation of a noble pagan culture; an increase in disease and bodily death due to government negligence; even the sundering of natural families—is worth it.“ Genozid, göttlich sanktioniert. @juergenzimmerer
Auch hier - keine fringe Publikation, sondern ebenfalls eine Selbsterkenntnis Intellektuelle Speerspitze der konservativen Bewegung in den USA. Wenn Konversion, zur Not durch Zwang, göttlich sanktioniert ist, lässt sich dadurch auch Genozid rechtfertigen.

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