Seit mittlerweile 4 Tagen gibt es auch bei den 7-Tage-Mittelwerten der gemeldeten Fälle neue Höchststände. Doch die Inzidenz ist immer weniger aussagekräftig. Wie sieht die Gesamtsituation aus und wie ist die Lage im Vergleich zum letzten Jahr?

Ein 🧵. (1/n)
Schaut man sich die gemeldeten Fälle an, sieht die Lage dramatisch aus. Der 7-Tage-Mittelwert liegt aktuell bei 33.343, der Höchstand vor Beginn der 4. Welle lag bei 25.851 Ende letzten Jahres und die Zahlen steigen weiter. (2/n)
Doch ein Problem sind immer die Nachmeldungen. Von den heute 48.640 gemeldeten Fällen waren 34.141 den Gesundheitsämtern seit gestern bekannt und dementsprechend 14.499 länger als einen Tag. (3/n)
Ein weiteres Beispiel: Von den gestern 50.196 gemeldeten Fällen waren 35.496 den Gesundheitsämtern seit vorgestern bekannt und dementsprechend 14.700 länger als einen Tag. (4/n)
Deshalb ist es besser sich die Fälle nach Erkrankungsbeginn anzusehen. Dafür gibt es den Nowcast des RKI. Bei Fällen mit unbekanntem Erkrankungsbeginn wird dieser durch das RKI approximiert. (5/n)
Beim Vergleich der 7-Tage-Mittelwerte der gemeldeten Fälle mit dem des Nowcast RKI fällt auch ein deutlich geglätteter Kurvenverlauf auf. Der Nowcast des RKI bildet im übrigen auch die Grundlage für die Berechnung der R-Werte. (6/n)
Anhand des Verlaufs des 7-Tage-R-Werts des RKI kann man auch gut die Ausbreitungsgeschwindigkeit beurteilen. Aufgrund der Approximation, wobei bei unbekanntem Erkrankungsbeginn das Meldedatum der wichtigste Parameter ist, unterliegt auch dieser Schwankungen. (7/n)
Man kann aber auch den R-Wert anhand der 7-Tage-Mittelwerte des Nowcast berechnen und erhält dabei einen glatteren Kurvenverlauf. Dabei fällt auf, dass die Wachstumsrate seit dem 20.10. fällt, wenn auch nur von 1,25 auf zwischenzeitlich 1,17 und aktuell 1,19. (8/n)
Dennoch zeigt sich eine Verlangsamung der Dynamik bzw. seit ein paar Tagen eine Stabilisierung oder leichte Erhöhung. Für die letzten Tage ist der Nowcast aufgrund der Approximation immer etwas ungenau und verändert sich auch immer etwas im Wochenverlauf, (9/n)
so dass uns hier erst in ein paar Tagen genauere Werte vorliegen werden. Für ein Blick ein paar Tage bzw. mehr in die Vergangenheit ist der Nowcast aber sehr stabil. Hier muss also weiter beobachtet werden. (10/n)
Beim Nowcast muss man weiterhin beachten, dass dieser Fälle nach Erkrankungsbeginn liefert. Berücksichtigt man eine mittlere Inkubationszeit von 5 Tagen, liegen die genannten Effekte in Bezug auf Infektionen ungefährt 5 Tage weiter in der Vergangenheit. (11/n)
Doch viel wichtiger als die gemeldeten Fälle ist die Situation in den Krankenhäusern. Schauen wir daher nach den Betten, die mit Intensivpatienten mit einem positiven COVID-19-Test behandelt werden. Obwohl wir neue Höchststände bei den gemeldeten Fällen haben, (12/n)
sind wir von Höchstständen auf den Intensivstationen noch deutlich entfernt. Lag die Höchstzahl der belegten Betten in der Pandemie bei 5.762, liegt er aktuell bei 2.863. Selbst vor einem Jahr, als die 2. Welle erst richtig im Oktober an Fahrt aufnahm, dieses Jahr die (13/n)
Welle bereits im August anfing, um dann von hohem Niveau im Oktober nochmal durchzustarten, lag die Zahl mit 3.186 deutlich über dem heutigen Wert. (14/n)
Vor etwas mehr als einer Woche habe ich die abnehmenden Wachstumsraten thematisiert und gesagt, dass wenn sich der Trend fortsetzt, das ein gutes Zeichen für die Krankenhäuser wäre, da man den Effekt dann auch dort sehen könnte. Doch ist dem so? (15/n)
Dazu kann man sich die Dynamik ansehen, wieviele Betten von einem Tag auf den anderen zusätzlich durch Intensivpatienten mit positivem COVID-19-Test belegt sind. Schaut man sich dabei den 7-Tage-Mittelwert dieser Zahl an, fällt auf, dass dieser seit 4 Tagen fällt, (16/n)
die Geschwindigkeit zusätzlich belegter Betten sich also verlangsamt. Der Höchststand dieses Wertes lag in der 3. Welle bei 109, in der 2. Welle sogar bei 140. In der 4. Welle lag der Höchstand bei 80 und aktuell liegt der Wert bei 63. (17/n)
Also auch hier kann man trotz neuer Rekordstände bei den gemeldeten Fallzahlen eine andere Dynamik als in den anderen Pandemiephasen erkennen. (18/n)
Erst seit August 2021 werden die Neuaufnahmen auf Intensivstation separat erfasst. Deshalb kann dieser Wert nicht mit vorherigen Werten aus der Pandemie verglichen werden. Aber es gab vorher einen berechneten Wert für Neuaufnahmen auf Intensivstation. (19/n)
Dieser beinhaltete allerdings auch Verlegungen und ist deshalb etwas ungenau. Wenn man diese Berechnung über die gesamte Pandemie durchführt und sich dort die 7-Tage-Mittelwerte im Vergleich anschaut, fällt auch hier auf, (20/n)
dass wir mit einem aktuellen Wert von 345 einerseits deutlich entfernt vom Höchststand mit 775 sind, aber auch vom Wert von vor einem Jahr mit 428 sind. (21/n)
Bei den Hospitalisierungen nach Altersgruppe konnte man den Impfeffekt sehr gut im Vergleich zwischen 2. und 3. Welle beobachten. In der 2. Welle war die Altersgruppe Ü80 am stärksten betroffen, in der 3. Welle fielen sie sogar auf Platz drei unter die Gruppe 35-59. (22/n)
In der Gruppe Ü80 gibt es zwar deutlich weniger Personen als in der Altersgruppe 35-59, dennoch kann der Impfeffekt erkannt werden. Allerdings ist die Altersgruppe seit letzter Woche wieder auf Platz 1 zurück. (23/n)
Das schlägt sich auch wieder auf die Median-Alter der Hospitalisierten und Intensivpatienten, welche deutlich gestiegen sind. (24/24)
Nachtrag: Der Thread zeigt eine gesamtdeutsche Betrachtung und kann regional sehr unterschiedlich sein, wie @HKuechenhoff richtigerweise anmerkt.

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Daniel Haake

Daniel Haake Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

More from @haake_daniel

25 Sep
Warum ich als Geimpfter gegen eine (indirekte) Impfpflicht bzw. gegen eine unterschiedliche Behandlung von Geimpften und Ungeimpften bin? Ich aber gleichzeitig den meisten Erwachsenen die Impfung empfehle, aber eben nicht aufzwingen möchte? Ein etwas längerer Thread. (1/n)
Dass ich hier überhaupt meinen Impfstatus kundtue, den ich eigentlich für eine sehr persönliche Info halte, um so meine Aussage zu stärken, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass man als Ungeimpfter abgetan wird, (2/n)
der nur seine eigene Freiheit argumentativ untermauern möchte, zeigt das Problem auf. Die Stagmatisierung zwischen Geimpft und Ungeimpft. Zunächst einmal: Warum empfehle ich die Impfung für die meisten Erwachsenen? (3/n)
Read 41 tweets
20 Jul
Eine Kritik an der Schweizer Studie zu Long Covid bei Kindern ist, dass die Studie nur 109 seropositive Kinder aufweist. Nat. ist eine geringe Zahl immer problematisch bei der Einschätzung. Wie sicher kann man sich mit den angegebenen Werten sein?
medrxiv.org/content/10.110… (1/n)
Bei der Studie wurden 109 Kinder im Alter von 6-16 Jahren einbezogen, die positiv auf COVID-19-Antikörper getestet wurden. Außerdem gab es eine Kontrollgruppe von 1246 Personen, die negativ getestet wurden. So ist eine Überprüfung möglich, inwieweit Virus ursächlich ist. (2/n)
Von den 109 Seropositiven hatten 4 länger als 12 Wochen lang mindestens ein Symptom gemeldet (≈ 3,67%) im Vergleich zu 28 von 1246 in der Vergleichsgruppe (≈ 2,25%). Doch wie sicher können wir uns sein, dass diese Werte auch bei einer höheren Testgruppe auftreten würden? (3/n)
Read 20 tweets
16 Jul
Prof. Dr. #Mertens, Leiter der #STIKO, gestern in der Sendung bei Markus Lanz (zdf.de/gesellschaft/m…) zur Thematik #LongCovidKids (ab min. 14:15)

„Und auch das berühmte Long-Covid-Syndrom, wenn sie wirklich die Literatur sich anschauen, die es bisher gibt für Kinder, ... (1/n)
stellen sie fest, dass es praktisch keine brauchbaren Daten gibt. Es gibt eine gute, darf ich das noch sagen: Wenn sie eine Studie machen wollen zu Long-Covid bei Kindern, dann müssen sie vergleichen zwei Gruppen von Kindern, ... (2/n)
...die unter den gleichen Bedingungen gelebt haben, sprich Shutdown, keine Schule, zuhause in der Etagenwohnung mit 5 Leuten und sozusagen und schlechter Stimmung. Und eine Gruppe muss dann sozusagen zusätzlich noch die Infektion gehabt haben ... (3/n)
Read 10 tweets
9 Jul
"Studie zu Long-Covid-Patienten – Fast 80% haben nach einem Jahr Beschwerden“

Solch Überschriften und auch solch nachfolgende Abstracts wie im Artikel von @ntvde sollte es nicht geben. Sie suggerieren, dass 80% der Infizierten auch nach einem Jahr Beschwerden haben werden. (1/n)
@ntvde Doch die Studie ist offensichtlich nicht repräsentativ.
1.) Selection Bias – 32,3% der untersuchten Personen waren hospitalisiert. Kein Wert, der für die Bevölkerung repräsentativ ist. Eine Altersverteilung wurde nicht angegeben. (2/n)
@ntvde Beispielsweise hatten 12,5% der 96 in die Studie einbezogenen Personen Asthma, 35,1% Bluthochdruck, 24% Adipositas (BMI > 30).

2.) Mit 96 Personen gab es nur eine sehr geringe Anzahl untersuchter Personen.

(3/n)
Read 10 tweets
20 May
Als Modelierer lassen mich solche Artikel verwundert zurück. Es wird nicht ausreichend berücksichtigt, dass Aufhellung des Dunkelfeldes zum Anstieg der Fallzahlen beigetragen haben. Es wurde auch nicht bei der Präsentation der Modelle kommuniziert. fr.de/wissen/corona-… (1/23)
Doch die gemeldeten Fallzahlen, die den Anstieg der Aufhellung des Dunkelfeldes beinhalten - durch Schnelltests bei meist asymptomatischen Gruppen (Kita-Kinder, Schüler) und anschließender Verifizierung durch PCR-Test - sind die Grundlage für die Modelle. (2/23)
Wenn ich nun diese Datengrundlage nehme und den Anstieg prognostiziere, tue ich so, als wenn die Aufhellung des Dunkelfeldes die Änderung des Infektionsverlaufs widerspiegelt. Das ist jedoch nicht so, denn zumindest ein Teil des Anstiegs ist dem Testverhalten zuzuschreiben.(3/23)
Read 23 tweets
2 May
@OlafGersemann @welt Das Problem ist die Datengrundlage, auf derer die Prognosen beruhen und die Nichtberücksichtigung von Parametern, wie Saisonalität. Als Data Scientist mit Expertise im Bereich Prognosen muss ich das so klar sagen. Wir brauchen verlässliche Daten. (1/11)
@OlafGersemann @welt Die Prognosen beruhen auf den gemeldeten Fallzahlen. Bevor die Prognosen durchgeführt wurden, wurde die Teststrategie geändert. Es gab vermehrt Schnelltests, wodurch die zeitliche Vergleichbarkeit nicht mehr möglich ist. (2/11)
@OlafGersemann @welt Gerade Gruppen wurden nun häufig mittels Schnelltests getestet, die zuvor keinen PCR-Test gemacht hätten. Es wurde gerade die junge Personengruppe getestet, die meist asymptomatisch ist (Schüler und Kita-Kinder). Ein positives Ergebnis wird mittels PCR-Test verifiziert. (3/11)
Read 11 tweets

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(