Heute ist einer dieser Tage, an denen es einem schon zu Dienstbeginn schwer ums Herz wird. Kurz vor meinem Dienstbeginn ist Merle gestorben. Sie wurde nur 8 Jahre alt. Sie hatte eine Leukämie.
Bei der Übergabe stellt sich die Frage, wer sich um Merle und ihre Eltern kümmert. Ich melde mich, ich habe Merle dir ganze Zeit ihrer Therapie versorgt und ich würde sie auch heute Nachmittag ein letztes Mal versorgen.
Nach der Übergabe, als ich alle meine Kurven durchgeschaut habe, gehe ich leise in das Zimmer in dem Merle im Bett liegt, die weinenden Eltern daneben sitzend. Merle sieht sehr friedlich aus. Als ob sie schlafen würde. Ihre Eltern blicken zu mir auf, als sie mich sehen und ich
ihre Mutter nimmt mich sehr stürmisch in den Arm. Ich habe Merle von Anfang an betreut, wir kennen uns gut. Ich nehme sie in den Arm, streichle ihren Rücken und sage ihr, wie leid es mir tut. Und so stehen wir, bestimmt zwanzig Minuten lang, ehe sich Merles Mutter etwas beruhigt
hat. Dann spreche ich kurz mit dem Vater von Merle. Anschließend rede ich ruhig und eher leise mit ihnen. Ob wir Merle noch einmal zusammen waschen sollen, ob sie ihr etwas besonderes anziehen möchten... Ich möchte wissen, was sie sich wünschen.
Sie wollen Merle noch einmal waschen, zusammen mit mir. Und ihr etwas frisches anziehen. Und sie soll ihren Lieblingsteddy bei sich haben. Wie alle Kinder muss Merle über die Pathologie das Haus verlassen. Sie bleibt für 1-2 Tage in unserem Verabschiedungsraum.
Er sieht nicht aus, als wäre dort ein Kühlfach. Alles ist hinter Holz versteckt, selbst das Waschbecken. Dort können Merles Eltern sie noch die nächsten Tage so oft besuchen wie sie möchten. Viele Eltern brauchen das um richtig Abschied nehmen zu können. Bevor Eltern den Raum
betreten dürfen gehen wir immer zu zweit rein um zu kontrollieren ob nicht vielleicht Stuhl oder Urin abgegangen sind, was nach dem Tod schon mal passieren kann. Das sollen die Eltern nicht sehen. Wir machen die Kinder dann noch einmal frisch. Dazu ist alles im Raum vorhanden,
gut versteckt hinter den Vertäfelungen.
Als wir zusammen Merle gewaschen haben, ziehen wir ihren Lieblingsschlafanzug an. Andere Kleidung haben wir nicht hier, da sie in den letzten Wochen nichts anderes getragen hat. Zur Beerdigung wollen sie, dass Merle ihr liebstes Kleid
trägt, das hatte sie sich gewünscht. Es ist pink und glitzert und Merle liebte Glitzer sehr. Ich gebe den Eltern noch etwas Zeit alleine zum verabschieden. Anschließend komme ich mit einer Kollegin rein und wir decken Merle mit einem frischen, weißen Tuch ab, während die Eltern
sich weinend in den Armen liegen. Alle anderen Kolleginnen haben dafür gesorgt, dass alle Eltern und Kinder für die nächsten zehn Minuten in ihren Zimmern bleiben. Sie stehen draußen im Flur und passen auf. Wie eine Mahnwache stehen sie, als wir mit Merle vorbei fahren.
Sie verlässt unsere Station, doch nicht unsere Herzen. 🖤🖤🖤
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Jeder der zur Zeit in einem medizinischen Beruf arbeitet (vollkommen egal ob Arzt, Pflege, MFA, RTA, Labor usw) geht auf dem Zahnfleisch. Das ganze System steht vor dem Kollaps. Bei vielen dauert es nicht mehr lange, bis sie an dem
Punkt angelangt sind, dass sie arbeitsunfähig sind.
Was keiner sieht und sind wir ehrlich auch die meisten gar nicht wissen wollen, ist was das nicht nur mit uns, sondern auch mit unseren Familien macht. Viele von uns kommen nach Hause und fallen nur noch auf Sofa oder Bett.
Keine Kraft mehr, keine Nerven mehr. Man ist Abgrundtief erschöpft, maximal reizbar. Keine Kraft zB mit den eigenen Kindern zu spielen, basteln, was vorlesen. Unsere Kinder müssen zur Zeit unfassbar einstecken. Eltern die nicht nur nicht mehr die Kraft haben mit ihnen zu spielen,
Ioanna kommt zur Behandlung zu uns. Sie und ihre Mama leben in Athen. Ioanna ist 9 Jahre alt und hat eine Leukämie. Zum Glück keine Hochrisiko Leukämie, ihre Chancen stehen sehr gut. Ioannas Mutter
spricht sehr gut Englisch, so dass Kommunikation kein Problem ist.
An einem Nachmittag unterhalte ich mich lange mit Ioannas Mutter. Sie erzählt mir, wie es in Athen im Krankenhaus ist und wie gut es im Gegensatz hier in Deutschland sei.
In Athen würden die Schwestern sich nur
um Dinge wie Infusionen kümmern. Sie würden nicht Patienten waschen, keine Betten beziehen, helfen nicht beim Essen oder anderen Dingen. Wenn man niemanden hat (Familie oder Freunde) die kommen und einen waschen, liege man eben im Dreck. Denn das Pflegepersonal ist so knapp
Kisha ist zwölf Jahre alt und kommt über eine Hilfsorganisation aus Afrika zu uns. Sie spricht daher weder deutsch noch englisch. Aber sie lernt schnell ein paar Brocken so dass man sich über die wichtigsten Dinge sprechen kann.
Zum Beispiel ob sie Schmerzen hat, oder ob ihr übel ist etc.
Als Kisha wieder zur Therapie bei uns ist bekommt sie unter anderem eine Chemotherapie mit dem Namen Ifosfamid. Das kann schwere neurologische Nebenwirkungen haben. Es kann sogar zu einer Ifosfamid Intoxikation kommen.
So war es auch bei Kisha. Das ist mir so eindrücklich im Gedächtnis geblieben, da Kisha die erste Patientin war, die wir mit einer Ifosfamid Intoxikation hatten.
Als eines nachmittags eine Kollegin Kisha versorgt, kommt diese vollkommen aufgelöst auf mich zu.
Der Pocken Impfpflicht haben wir es im übrigen zu verdanken, dass wir in der Welt die Pocken ausgerottet haben.
1807 führte das Königreich Bayern als erstes die Impfpflicht gegen Pocken ein.
1874 erst wurde im deutschen Reich alle Kinder zur Pockenimpfung verpflichtet.
Ausgesetzt wurde die Pocken Impfpflicht im zweiten Weltkrieg, danach wurde sie wieder aufgenommen. (1949)
Diese Impfpflicht gab es bis 1975. Dann wurde schrittweise gelockert.
Gänzlich aufgehoben wurde sie 1983.
In den 1950ern gab es Meinungen einzelner Kritiker gegen das im Grundgesetz verankerte Persönlichkeitsrecht verstoße. Das Bundesverwaltungsgericht entschied allerdings schon 1959, dass die Impfpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Wir alle wissen, dass die Disney Version der Märchen eine schönere, harmlosere ist. Doch selbst die Gebrüder Grimm haben die zt sehr grausamen Originale schon "weichgespült".
Ich werde euch ein paar Beispiele erzählen.
Peter Pan
Die Originalgeschichte von James Matthew Barrie war eine Geschichte für Erwachsene. Und Peter Pan war der Bösewicht in der Geschichte. Nicht die Magie von Nimmerland hinderte die verlorenen Jungs daran erwachsenen zu werden, sondern Peter selbst. Nicht mit Magie,
sondern mit kaltblütigen Mord. Erwachsen werden war gegen die Regel.
"...und sobald sie den Anschein machen, erwachsen zu werden, was ja gegen die Regeln ist, lichtet Peter ihre Reihen."
"Sterben wäre wohl ein schrecklich großes Abenteuer." Denkt sich Peter im Original.
In meiner Ausbildung haben mir ein paar der älteren Schwesten manchmal von der Zeit, als sie noch öfters Kinder mit Diphtherie beatmet auf Station hatten. Etwas was ich zum Glück nie kennen lernen musste, weil die Impfung gegen Diphtherie dies verhindert.
Die Kinder lagen wochenlang im Bett, wurden meist über eine Trachealkanüle beatmet. Die Kinder waren in der Regel wach dabei. Eine unfassbare Belastung für Kinder und auch deren Eltern und dem Rest der Familie.
Alle der alten Schwestern waren sich einig in einer Sache:
Sie waren unendlich froh, als immer mehr Kinder gegen Diphtherie geimpft wurden und sie nach und nach keine Kinder mit dieser Krankheit mehr versorgen mussten. Auch für die Pflege und die Ärzte war es manchmal nur schwer zu ertragen.