#ersatzfreiheitsstrafe

Das finde ich großartig:

Heute & gestern sind in #Berlin 21 Menschen aus dem Gefängnis spaziert. Sie hatten nur wegen #Schwarzfahren|s eingesessen - 12 Männer (JVA Plötzensee), 9 Frauen (JVA Lichtenberg).

Spender/innen haben sie freigekauft.

Thread👇
„Beförderungserschleichung“, 265a StGB, ist ein Straftatbestand, an dessen Sinn auch viele Politiker/innen zweifeln, zuletzt NRW-Justizminister Biesenbach (CDU). Es geht bei jeder individuellen Tat bloß um Kleingeld. Die Verkehrsbetriebe missbrauchen die Justiz als Inkassobüro.
Gleichzeitig ist bei keiner anderen Straftat das Risiko so hoch, dass der/die Verurteile zahlungsunfähig ist. Die Folge: Die Geldstrafe muss in Haft abgesessen werden. So kommen jedes Jahr 7000 Menschen in Deutschland wegen bloßen Schwarzfahrens in „Ersatzfreiheitsstrafe“.
Das kostet den Staat absurderweise noch viel mehr: Ein Hafttag kostet je nach Bundesland zwischen 150 und 180 Euro. Und es bringt - nichts. Die Geldstrafe wird ja trotzdem nicht gezahlt. Man tut nach ein paar Tagen oder Wochen so, als sei sie „erledigt“.
In Berlin haben private Spender/innen über die neu gegründete „Iniative Freiheitsfonds“ um @arnesemsrott Geld gegeben, um zumindest einigen Zahlungsunfähigen den Knast zu ersparen - und damit haben sie dem Staat eine viel größere Summe Geld erspart. 👏 👉 freiheitsfonds.de
#Ersatzfreiheitsstrafe ist ein seit Jahren völlig ausuferndes Problem. Was anfangs mal vorgesehen war für die Wenigen, die absichtlich die Zahlung der Geldstrafe verweigern, wird heute routiniert auf die Vielen angewandt, die beim besten Willen nicht zahlen können.
Nach deutschem Recht muss man seine Geldstrafe nicht selber bezahlen, sondern jede/r kann sie auch für andere bezahlen. Glück für diejenigen, die reiche Eltern, reiche Verwandte oder reiche Freunde haben.

Pech für diejenigen, die in einer Notsituation niemanden anrufen können.
Sie sind die einzigen, die wegen Kleinstbeträgen dann im Knast landen.

Bei meinen Besuchen in der JVA Plötzensee habe ich gelernt: 50% sind Obdachlose.

Gerecht?
Über #Ersatzfreiheitsstrafe habe ich lauter Statistiken & Leiturteile in meinem bald erscheinenden Buch

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14 Nov
Okay ich will‘s verraten - die letzten 2 Jahre habe ich an einer großen Recherche gearbeitet, und jetzt ist es soweit:

Wie eklatant die Justiz Arme und Reiche ungleich behandelt

Kann man jetzt vorbestellen + unterstützen. Hier kleiner Thread👇
Ich war in Gerichtssälen, habe Urteile und Studien ausgewertet zu Punkten wie diesen:

Anders als in vielen EU-Staaten bekommen mittellose Angeklagte in Deutschland nur selten eine/n Verteidiger/in gestellt. Meist hängt es von ihrem Geldbeutel ab.
Wenn sich Menschen doch einen Anwalt leisten können, dann macht die Kaufkraft einen enormen Unterschied: Statistische Untersuchungen zeigen, dass teure Privatverteidiger sehr viel mehr Freisprüche erstreiten.
Read 7 tweets
3 Oct
Selbst die kältesten Herzen müssen den Irrsinn dieses Systems doch an Zahlen ablesen können:

6000 € kostet es den Staat, einen Zahlungsunfähigen für 40 Tage ins Gefängnis zu stecken, dies ist die durchschn. Dauer der „Ersatzfreiheitsstrafe“ für Bagatellen 1/6
Das trifft im Jahr um die 50.000 Menschen in ganz Deutschland, macht also etwa 300 Mio € 2/6
Dabei geht es in der Regel darum, eine Geldstrafe in Höhe von zB 600 € „abzusitzen“, die der Mensch nicht bezahlen kann. Wegen kleiner Diebstähle oder sehr oft auch Schwarzfahren. 3/6
Read 6 tweets
12 May
„Sobald ihr nicht den Palästinensern Ruhe gibt, geben wir euch keine Ruhe“, schrieben unbekannte Täter, die am 17. Mai 2010 an acht Stellen der Synagoge in Worms Feuer legten. In Rheinland-Pfalz.

Weil es ja angeblich keinen israelbezogenen Antisemitismus gibt: ein Thread ⬇️
In Essen im Ruhrgebiet überfiel ein Mob die Synagoge, fünfzig Männer versuchten sie am 7. Oktober 2000 zu erstürmen, kletterten über Zäune, warfen Scheiben ein, feuerten eine Gaspistole ab. Sie kamen von einer Demonstration gegen „Gewalt im Westjordanland“.
In Frankfurt am Main rief Ende Juni 2014 ein Mann bei einem Rabbiner an und drohte, er werde dreißig jüdische Menschen aus der Stadt ermorden, falls seiner Familie in Gaza etwas zustoßen sollte.
Read 10 tweets
24 Feb
#Avocadolf-Thread. 🥑 👮🏽‍♀️
 
Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen Attila Hildmann einen Haftbefehl erlassen, wie @derspiegel berichtet. Bei aller Abneigung, ist U-Haft hier verhältnismäßig?

Ich meine Ja. Here’s why:
Seit Sommer 2020 feuert Hildmann verbal aus allen Rohren, schwadroniert von Weltverschwörung, hetzt gegen @Volker_Beck und immer wieder gegen Juden. Zuletzt: Deutschland sei eine „Judenrepublik“, Deutsche hätten „nichts zu melden“.
Das alles sind keine schweren Straftaten nach dem Strafgesetzbuch. Es steht *keine* lange Gefängnisstrafe im Raum. Es geht um Äußerungsdelikte. Manches dürfte, obwohl unerträglich, auch legal sein.
Read 10 tweets
7 Feb
Thread. Abscheuliche „Ehrenmorde“ wie jener an #HatunSürücü vor 16 Jahren sind anfangs, das gehört leider zur Wahrheit, von deutschen Gerichten mit „Verständnis“ behandelt worden.
Bis 1995 hatten deutsche Gerichte für den Verweis ausländischer Täter darauf, die gewaltsame Unterdrückung weiblicher Familienmitglieder habe Tradition (bzw. sei von Tradition „geboten“), Akzeptanz aufgebracht…
…und in der Folge bei manchem „Ehrenmord“ nur auf Totschlag erkannt (statt Mord). Erst seit 1995 beantwortet der BGH die Frage, ob der Ehrenmord zumindest objektiv auf „sittlich niedrigster Stufe“ stehe (mit der Folge: Mord), mit Ja.
Read 13 tweets
20 Dec 20
Ich habe gestern darüber nachgedacht, warum in der jüdischen Gemeinde von Erlangen/Nürnberg der antisemitische Doppelmord von 1980 fast 40 Jahre lang kaum thematisiert worden ist. Ich bin da aufgewachsen, aber die Tat wurde in meiner ganzen Jugend nie erwähnt. 1/
Meine Eltern hatten die Mordopfer Shlomo Lewin und Frida Poeschke gekannt, sie waren öfter bei ihnen zu Hause. Der Kantor, Baruch Grabowski, der mich 1996 auf meine Bar Mitzwa vorbereitete, war einer derjenigen, die von der Polizei fälschlich der Tat verdächtigt wurden. 2/
Die vielen Gemeindemitglieder, die sich anfangs gegen Verdächtigungen der Polizei wehren mussten, lernte ich als Eltern und Großeltern meiner Freunde kennen. Aber erst als Erwachsener habe ich auf Umwegen von diesem Doppelmord erfahren und Fragen gestellt. 3/
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