#Avocadolf-Thread. 🥑 👮🏽‍♀️
 
Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen Attila Hildmann einen Haftbefehl erlassen, wie @derspiegel berichtet. Bei aller Abneigung, ist U-Haft hier verhältnismäßig?

Ich meine Ja. Here’s why:
Seit Sommer 2020 feuert Hildmann verbal aus allen Rohren, schwadroniert von Weltverschwörung, hetzt gegen @Volker_Beck und immer wieder gegen Juden. Zuletzt: Deutschland sei eine „Judenrepublik“, Deutsche hätten „nichts zu melden“.
Das alles sind keine schweren Straftaten nach dem Strafgesetzbuch. Es steht *keine* lange Gefängnisstrafe im Raum. Es geht um Äußerungsdelikte. Manches dürfte, obwohl unerträglich, auch legal sein.
Aber: Attila Hildmann ist stilbildend für eine Verschwörungsszene, die sich nicht nur verbal gerade rasend schnell radikalisiert und enthemmt. Dort, wo es rote Linien des Strafrechts gibt, ist es Zeit, dass diese jetzt greifen.
Hildmann hat sich selbst zum exemplarischen Fall stilisiert. Und angesichts der riesigen Followerschaft ist dies ein Fall, aus dem viele Querdenker & Hetzer ihre Lehren ziehen werden.
Wo überschreitet Hildmann die Grenzen der Meinungsfreiheit? Das ist eine Frage, die nicht Zeitungskommentatoren entscheiden sollten, sondern endlich ein Gericht. (Ich könnte auch damit leben, wenn er in einigen oder sogar vielen Punkten freigesprochen wird.)
Aber diese Klärung ist eminent wichtig. Es gibt die Paragrafen gegen Volksverhetzung, Beleidigung etc. – und wenn diese Regeln nicht nur auf Papier stehen, sondern irgendeinen realen Einfluss auf das derzeit so dynamische Geschehen haben sollen, dann: Yalla.
Das Signal, das auf keinen Fall weiter vom Rechtsstaat ausgesendet werden darf ist: Wir haben besseres zu tun! Im vergangenen Jahr verbummelte die Staatsanwaltschaft Cottbus die Ermittlungen gegen Hildmann auf diese Weise monatelang.
Gut, dass inzwischen die StA Berlin übernommen hat und mit ihrer neuen Abt. für Hasskriminalität spürbar auf die Tube drückt: Ein Haftbefehl, der sicherstellen soll, dass sich A.H. einem Prozess nicht entzieht. Weil dieser Prozess wichtig ist – jedes Urteil ist besser als keines.
Und unverständlich, dass schon wieder jemand nicht mitzieht. Nämlich diesmal das LKA Berlin, das seit Monaten auf den bei Hildmann beschlagnahmten Festplatten sitzt und diese noch immer nicht ausgewertet hat.

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7 Feb
Thread. Abscheuliche „Ehrenmorde“ wie jener an #HatunSürücü vor 16 Jahren sind anfangs, das gehört leider zur Wahrheit, von deutschen Gerichten mit „Verständnis“ behandelt worden.
Bis 1995 hatten deutsche Gerichte für den Verweis ausländischer Täter darauf, die gewaltsame Unterdrückung weiblicher Familienmitglieder habe Tradition (bzw. sei von Tradition „geboten“), Akzeptanz aufgebracht…
…und in der Folge bei manchem „Ehrenmord“ nur auf Totschlag erkannt (statt Mord). Erst seit 1995 beantwortet der BGH die Frage, ob der Ehrenmord zumindest objektiv auf „sittlich niedrigster Stufe“ stehe (mit der Folge: Mord), mit Ja.
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20 Dec 20
Ich habe gestern darüber nachgedacht, warum in der jüdischen Gemeinde von Erlangen/Nürnberg der antisemitische Doppelmord von 1980 fast 40 Jahre lang kaum thematisiert worden ist. Ich bin da aufgewachsen, aber die Tat wurde in meiner ganzen Jugend nie erwähnt. 1/
Meine Eltern hatten die Mordopfer Shlomo Lewin und Frida Poeschke gekannt, sie waren öfter bei ihnen zu Hause. Der Kantor, Baruch Grabowski, der mich 1996 auf meine Bar Mitzwa vorbereitete, war einer derjenigen, die von der Polizei fälschlich der Tat verdächtigt wurden. 2/
Die vielen Gemeindemitglieder, die sich anfangs gegen Verdächtigungen der Polizei wehren mussten, lernte ich als Eltern und Großeltern meiner Freunde kennen. Aber erst als Erwachsener habe ich auf Umwegen von diesem Doppelmord erfahren und Fragen gestellt. 3/
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14 Nov 20
Warum sollte #Inzest entkriminalisiert werden? Warum ist das Inzestverbot in Paragraf 173 StGB wirklich ein Problem fĂĽr diesen Rechtsstaat und diese Gesellschaft? Ein Thread 1/
Die Aufhebung der Strafbarkeit einverständlichen Inzests im Jahr 1810 in 🇫🇷 markierte nicht etwa den Rückfall der Franzosen in dunkle Vorzeit, sondern 1 Schritt hin zur Aufklärung: Wo niemandem Unrecht angetan wird, da gibt es für eine Gesellschaft auch nichts zu bestrafen. 2/
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19 Oct 20
„Je suis Meinungsfreiheit“? In Sachen #Religionskritik steht das deutsche Recht übrigens keineswegs klar auf Seiten der Aufklärung. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, den #Gotteslästerung-Paragrafen abzuschaffen. Thread 1/
Zu Zeiten Tucholskys, der 1928 wegen seines Gedichts „Gesang der englischen Chorknaben” angeklagt wurde, hieß die Strafvorschrift noch offiziell „Gotteslästerung”. Heute, in modernisierter Form, „Beschimpfung von Bekenntnissen“, § 166 StGB. 2/
Es macht sich strafbar, wer „den Inhalt des religiösen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören”. Und das ist das Problem: 3/
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16 Oct 20
Als Jurist*innen beobachten wir, wie viel Geländegewinn den Völkischen, Antisemit*innen & Neonazis zuletzt gegenüber dem Rechtsstaat gelungen ist.

Am 28.10. starten wir gemeinsam etwas dagegen.

👇1/ Image
Der Report „Recht gegen Rechts“, veröffentlicht im Fischer Verlag, dokumentiert u analysiert die wichtigsten Urteile und StA-Entscheidungen des Jahres zu #Rassismus, #Antisemitismus, #LGBTIQ-Feindlichkeit, #HateSpeech - verständlich & mit Literaturtipps 2/
Wir, das sind die Hrsg. @WolfgangKaleck (@ecchr), @MXPichl (@goetheuni), Kati Lang (RAin Nebenklage #Halle), @HeikeKleffner (#ExtremeSicherheit) & Nele Austermann, Tore Vetter & Andreas Fischer-Lescano (@KritischeJustiz, @UniBremen) et moi 3/
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7 Oct 20
Anstatt den Schutz des Eigentums zum Fetisch zu erheben, könnte das dt. #Strafrecht viel stärker die Pluralität der Gesellschaft verteidigen, die von Rassisten und Antisemiten attackiert wird. Mein - finde eigtl - bescheidener Vorschlag im neuen Heft der Deutschen Richterzeitung.
And here goes 1/
2/
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