Thread by @zineworkshop

Chuang
Soziale Ansteckung
und anderes Material zum mikrobiologischen Klassenkampf in China
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch vom WRKSHP, 2021

Heute betragen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) Chinas staatliche Aufwendungen für Gesundheit

pro Kopf 323 US-Dollar[38] Das ist ein niedriger Betrag, sogar für einen Staat der Länder mit "mittlerem bis hohem" Staatshaushalt und darunter und, er liegt etwa bei der Hälfte dessen, was Brasilien, Weißrussland und Bulgarien ausgeben. Die Regulierung ist minimal bis

nicht existent, was in zahlreichen Skandalen mündet, derart wie oben bereits erwähnt. Mittlerweile bekommen die Effekte von all dem am meisten die hunderten Millionen migrantischen Arbeiter zu spüren, für die sich jedes basale Recht auf Gesundheitsversorgung komplett

in Luft auflöst, sobald sie ihre ländlichen Herkunftsstädte verlassen (wo sie im System des _hukou_* zu Dauerbewohnern zählen, ungeachtet ihres tatsächlichen Aufenthaltes, was bedeutet, dass es nirgendwo anders Zugang zu gegebenenfalls erhältlichen öffentlichen Zuwendungen gibt).

Anscheinend sollte das öffentliche Gesundheitswesen in den späten 1990er Jahren ersetzt werden durch ein eher privatisiertes System (wenn auch vom Staat gemannagt), in dem die Kombination von Beiträgen von "Arbeitgeber"** und Arbeiter medizinische Versorgung,

Pensionen und Wohnungsversicherung sicherstellen sollten.[39] Doch dieses Sozialversicherungsprogramm litt unter systematischer Unterfinanzierung und dies nimmt solche Ausmaße an, dass die "vorgeschriebenen" Beiträge seitens der "Arbeitgeber" oft einfach ignoriert

werden, was der überwältigenden Mehrheit der Arbeiter nichts übrig lässt, als aus ihrer eigenen Tasche zu zahlen. Der letzten verfügbaren nationalen Schätzung zufolge, hatten nur 22 Prozent der migrantischen Arbeiterinnen eine grundlegende Krankenversicherung.

Die mangelhaften Beiträge zum Sozialversicherungssystem sind jedoch nicht einfach der boshafte Akt einzelner korrupter Bosse, sondern begründet in der Tatsache, dass schmale Profitmargen keinen Raum für soziale Leistungen lassen. Bei

unserer eigenen Berechnung fanden wir, dass in einem Industriezentrum wie Dongguan unbezahlte Sozialbeiträge herauszurücken, die Profite halbieren und viele Firmen in die Insolvenz treiben würde.[40] Um den riesigen Lücken zu begegnen, hat China ein auf ein

Minimum reduziertes medizinisches Ersatzprogramm aufgesetzt, welches die Renter und Selbstständigen abdeckt und normalerweise lediglich ein paar Hundert Yuan*** pro Person pro Jahr auszahlt.

Dieses überlastete Gesundheitssystem produziert seine eigenen erschreckenden sozialen Spannungen. Einige des medizinischen Personals werden jedes Jahr getötet und Dutzende verletzt, von wütenden Patienten oder, öfter noch, von Familienmitgliedern der Patienten, die in

deren Obhut sterben.

[38] Matthew Jowett, et al, "Spending Targets for Health: No Magic Number", _Health Systems Governance and Finance_, World Health Organisation, 2016, p. 34.

[39] China Labour Bulletin, "China's Social Security System", Oct. 15, 2019.
[40] Chuang, "Picking Quarrels: Lu Yuyu, Li Tingyu and the Changing Cadence of Class Struggle in China", _Chuang Journal_, Issue 2, 2019.

* Anm. d. Übers.: Hukou wird, u.a. bei Sebastian

Heilmann, mit "Wohnsitzkontrolle", "System der ständigen Wohnsitzkontrolle" und "staatlicher Haushaltsregistrierung" übersetzt.

** Wir haben den Begriff _Arbeitgeber_ hier entgegen dem Originaltext (dort: employer) in Anführungszeichen

gesetzt, um zu verdeutlichen, dass die übliche taktische Verwechslung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer die realen ökonomischen Bedingungen verdreht. In Wirklichkeit ist der Arbeitgeber derjenige, der Arbeit(skraft) kauft, also nimmt, und die Arbeiterin diejenige, die

Arbeitskraft gibt, d.h. dem Arbeitnehmer verkauft.

*** 1 Chinesischer Yuan (¥) entspricht knapp 0,14 Euro (Stand: 01.01.2022, Bundesverband deutscher Banken, Berlin 2022).

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